Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: T. von Held
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742763129
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und der Eisenarbeit war offenbar zur Zeit der ersten

       Europäer in Afrika nicht neu, da bereits die ältesten

       Kunden von ihrem Vorhandensein berichten. Was annehmen

       läßt, daß die Sage ihr erstes Entstehen sogar

       einer Zeit verdankt, in der der Eisengebrauch noch unbekannt

       war, ist der Umstand, daß die Version an der

       Sierra Leonaküste nichts vom Eisen weiß. Während

       in der Zulu- und Madagaskargeschichte nur Personen

       eine Rolle spielen, sind bei den Herero- und Sierra

       Leonavölkern Tiere und Gegenstände die Träger der

       Handlung. Die Sprache der Bewohner Madagaskars

       ist polynesischen Ursprungs, hat also nichts mit den

       Bantusprachen gemein. Für das Auftreten jener Sage

       auf der Insel läßt sich aber leicht eine Erklärung finden.

       Der nahen Afrikaküste sind viele Worte im täglichen

       Sprachgebrauch der Malagassen entehnt, da der

       Verkehr zwischen dem Festlande und der Insel seit

       Urzeiten ein reger war. Mit der Übernahme von Teilen

       der Sprache hat sich wohl auch ein Teil der Literatur

       eingeschlichen. – Der deutsche Reineke Fuchs hat

       in den Negersagen Afrikas sein würdiges Gegenstück

       gefunden; er tritt in Gestalt des Kaninchens, Hasen,

       Schakals, ja der Schildkröte auf und ist stets mit der

       verschlagenen Schlauheit ausgestattet, die wir an

       Freund Reineke kennen. Der Hase und die Schildkröte

       (Kamerunmärchen) und der Löwe und die Schildkröte

       (Yaosage) sind die treusten Reinekegeschichten

       und haben nebenbei eine unverkennbare Ähnlichkeit

       mit unserem braven Swinegel, der sich auf einen

       Wettlauf mit dem Hasen einließ. – Von großem Interesse

       für Völkerkundige ist der Umstand, daß die Hottentotten

       eine so reichhaltige Tierfabelkollektion besitzen.

       Man hatte sich gewöhnt, gerade dieses Volk

       für ein so untergeordnetes anzusehen, daß die Entdekkung

       einer Literatur, die den ersten Platz in der der

       farbigen Völker Afrikas einnimmt, eine Überraschung

       ist. Über das Origin des Hottentottenvolkes schwebt

       tiefstes Dunkel; doch ist gerade der Fabelschatz dieses

       Volkes, und mehr noch die Ähnlichkeit der Fabeln

       mit unseren eigenen, eine Bestätigung der oft ausgesprochenen

       Annahme, daß die Hottentotten nordafrikanischen

       Ursprungs sind und bereits in alten Zeiten

       mit den Völkern Europas Fühlung hatten. Sprachforscher

       weisen überdies zwischen der Sprache der Hottentotten

       und der alten Ägypter Ähnlichkeiten nach.

       Über die Verwandtschaft der afrikanischen Negerliteratur

       untereinander läßt sich viel sagen; doch ist eine

       Abhandlung darüber weder der Zweck der vorliegenden

       kleinen Sammlung, noch ist meine Kenntnis der

       Sprachen und Völker Afrikas eine annähernd genügende,

       um mich weiter auf dieses hochinteressante

       Thema einlassen zu können. Diese Sammlung der

       afrikanischen Literatur soll lediglich dazu beitragen

       zu unterhalten und Erwachsenen wie Kindern daheim

       den Erdteil und seine Bewohner näherzubringen, in

       dem so viele unserer Interessen liegen, und der hoffentlich

       mehr und mehr ein Faktor in der deutschen

       Weltstellung und Macht sein wird.

       Einen ganz besonderen Dank schulde ich dem Vorstände

       der Kapstädter Stadtbibliothek, der mir in entgegenkommendster

       Weise gestattete, aus alten Zeitschriften,

       Magazinen usw. für meinen Zweck zu

       schöpfen. Professor Cameron aus Kapstadt ließ mich

       liebenswürdig von seiner Kenntnis der Madagaskarliteratur

       profitieren, wie auch Mr. Ritchie aus Port Elisabeth

       und viele deutsche und englische Freunde mich

       in jeder Weise bei meiner Arbeit unterstützt haben,

       indem sie mir erzählten, was sie beim nächtlichen

       Feuer auf Wanderungen tief im Innern oder an der

       Küste von Eingeborenen zu hören bekommen haben.

       Die Geschichten »Vom Vogel, der Milch gab« und

       vom »Cakyane-bo-Cololo« sind mir von den Mönchen

       der Missionsstation Marianhill in Natal zugegangen,

       und schließlich hat das Seminar für orientalische

       Sprachen in Berlin in sehr freundlicher Weise

       ein Interesse an der Arbeit gezeigt, indem es mich mit

       verschiedenen Yao-Erzählungen, also des Stammes

       aus dem Süden unseres ostafrikanischen Schutzgebietes,

       versorgte.

       Ich gebe mein Manuskript mit dem Wunsche aus

       der Hand, daß es daheim das Interesse finden und

       dem Zwecke dienen möge, die von mir angestrebt

       sind.

       K a f f r a r i a in Südafrika, März 1904.

       T. v. Held.

       Sikulume.

       Ein Negermärchen der Kaffern in der Kapkolonie.1

       In einem Kaffernkraal2 lebte vor Zeiten ein alter

       Mann, der war sehr arm. Wenige Stück Vieh nur

       nannte er sein eigen, und Töchter, deren Heirat ihm

       Besitz zuführen konnte, hatte er nicht. Eines Tages

       saß er im hellen, klaren Sonnenschein vor seiner

       Hütte, rauchte Tabak und starrte ins Freie. Plötzlich

       erregte das Gezwitscher einiger Vögel in einem nahen

       Dornbusch seine Aufmerksamkeit. Er blickte auf und

       sah sieben Vögel von ungewöhnlicher Schönheit vor

       sich; auch ihr Gesang unterschied sich von allem, was

       er Ähnliches bisher gehört hatte.

       Da ging der alte Mann zu dem Häuptling seines

       Stammes und sagte ihm, was er gesehen hatte.

       Dieser hörte schweigend zu; dann sprach er: »Wieviele

       Vögel, sagtest du, waren es?«

       Der alte Kaffer antwortete: »Sieben«.

       »Du hast recht getan, mir davon zu sagen«, fuhr

       der Häuptling fort. »Zum Lohne dafür sollst du meine

       sieben fettesten Kühe haben. Ich habe sieben Söhne

       im Kriege verloren. Die sieben Vögel sollen sie