Die Kinder des Clavierbauers. Sabine Baumert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabine Baumert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742728531
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sah ganz erschrocken drein. Schließlich bedeutete ihr Johann auch eine ganze Menge. „Ist es denn für lange? Und wann musst du abreisen?“ „Nein, so schrecklich lange wird es sicher nicht dauern. In Hamburg selbst werde ich nur ein paar Tage zu tun haben, aber dazu kommt dann noch die Wegezeit. Und aufbrechen muss ich so bald wie möglich. Vater hat einen ganz großen Auftrag für ein Cembalo bekommen. Der Auftraggeber ist ein gewisser Johann Sebastian Bach, ein junger Musiker, der gerade in Arnstadt seine Stelle angetreten hat. Er war gerade in Hamburg und hat jetzt erst erfahren, dass er die Stelle in Arnstadt wirklich behalten darf. Es gab da wohl Probleme mit seinem Arbeitgeber, weil er seinen Urlaub so lange überzogen hat. Nun weiß er aber sicher, dass er die Stelle sicher hat. Nun hat er genug Geld für ein eigenes Cembalo und will so schnell wie möglich sein Instrument haben. Mein Vater ist ihm wohl über Verwandte von uns in Gehren empfohlen worden. Sein Onkel ist dort Organist, und wir haben ja auch Verwandte dort.“

      „Ich verstehe aber nicht, wieso du dann auch nach Hamburg musst, wenn Bach doch erst selbst vor kurzem dort war. Da konnte er sich so ein Instrument doch schon ganz genau anschauen.“ „Ja schon“, antwortete Johann. „Aber da wusste er noch nicht, ob er die Stelle wirklich behalten darf. Deshalb hat er sich genau umgesehen, welches Instrument ihm vom Klang her am besten zusagen würde. Aber er ist ja schließlich kein Instrumentenbauer, deshalb hat er sich natürlich auch keine Bauanleitung mitgeben lassen.“

      „Wieso kann er sich das Instrument nicht in Hamburg bauen lassen, wenn die ihm dort so gut gefallen?“, wollte Sophie wissen, die ihren Johann auch lieber bei sich in der Nähe hatte. Wenn sie ganz ehrlich war, hatte sie Angst davor, dass er in Hamburg viele Mädchen sehen würde, von denen ihm womöglich eines besser gefiel als sie, ein einfaches Mädchen aus der Einsamkeit des Thüringer Waldes.

      „Das wäre viel zu teuer, alles hierher zu transportieren. Man müsste ja alles wieder in Einzelteile zerlegen. Außerdem ist das Holz sehr empfindlich und könnte beim Transport leiden. Dann nützt der schönste Entwurf nichts. Außerdem wäre es viel zu aufwendig, wenn einmal etwas zu reparieren ist. Nein, da ist es viel besser, ich fahre hin, präge mir alles genau ein und zeichne es ab. Mein Vater hat schon recht, ich kann dort sicher eine Menge lernen. Es ist zwar sehr bequem, beim eigenen Vater zu lernen. Aber andere machen schließlich auch gute Instrumente, und es ist eine Gelegenheit, die ich vielleicht sonst nie wieder bekomme.“

      „Ja, das kann ich jetzt schon irgendwie verstehen“, nickte Sophie. „Aber wie willst du denn nach Hamburg kommen?“ „Genau deshalb war meine Mutter ja heute morgen auf dem Markt. Da verkauft die Mutter von Sebastian, einem Schulfreund von Anna, Tees. Und ihr Mann ist Buckelapotheker. Wie es das Schicksal so will, ist er gerade für ein paar Tage zu Hause. Bald geht er aber wieder auf Tour. Seine Frau hat versprochen, ihn zu fragen, ob ich mit ihm mitgehen kann. Wenn ja, wäre das ganz ideal, denn er bereist immer Norddeutschland, und ich könnte fast bis Hamburg mit ihm mitkommen.“

      „Ich wusste gar nicht, dass die Buckelapotheker so weit unterwegs sind“, staunte Sophie. „Kein Wunder, bei euch hier im Tal ist die Welt schon ziemlich klein, da bekommt ihr von der Welt draußen wenig mit“, lachte Johann. Er war sehr froh, dass Sophie ihn bei seinem Vorhaben unterstützte. „Doch, was meinst du, was die zu erzählen haben, wenn sie wieder zu Hause sind.“ „Dann bin ich schon ganz gespannt, was du alles erlebt hast“. Sophie schaute ihn zärtlich an.

      „Sophie, ist der Tee endlich bald fertig? Das kann doch nicht so lange dauern!“ hörten die beiden die Stimme von Sophies Mutter. „Ach, den Tee hätte ich beinahe vergessen“, rief Sophie erschrocken. „Du, ich muss jetzt erst einmal zu den Eltern.“ „Ja sicher“, sagte Johann. „Aber vergiss nicht, mir noch ein paar kleine Flaschen Öl abzufüllen. Das war meine Ausrede für Vater, um hierherzukommen. Das mit dem Tee hat sich erst später mit Mutter so ergeben.“ „Bestimmt komme ich wieder zurück, ich will doch schließlich noch richtig Abschied von dir nehmen“.

      Während Sophie sich darum kümmerte, ihrem Vater den Tee zu trinken zu geben, setzte sich Johann auf die Bank vor dem Haus, von der aus man einen schönen Blick auf die Talwiese hatte, die im Schein der Nachmittagssonne eine große Ruhe ausstrahlte. In diesem Licht nahmen sich die Bäume des umliegenden Waldes aus wie stumme Freunde, die das Leben in ihrer Mitte aufmerksam bewachten. Ewig hätte Johann so da sitzen können. Im quirligen Haushalt in Großbreitenbach blieb für so etwas viel zu wenig Zeit. Kein Wunder: in der Werkstatt gab es immer etwas zu tun, auch wenn gerade kein Auftrag anstand. Gleiches galt für die Küche und den ganzen Haushalt, denn eine fünfköpfige Familie wollte verköstigt und versorgt sein, genauso wie die Tiere und der Garten. Dank der Lage in der Ortsmitte kam oft jemand auf einen Schwatz vorbei. Oft kehrte erst lange nach Anbruch der Dunkelheit Ruhe ein, wenn der Vater und Magdalena über ihren Entwürfen saßen, die Mutter Kleidung flickte und Johann ein Püppchen für Anna aus den kleinen Holzresten schnitzte, die für keinen Teil des Instrumentes zu brauchen waren.

      Auch jetzt hatte Johann solch ein kleines Stück Holz in der Hand, an dem er mit einem scharfen Messer arbeitete. Diesmal hatte er sich etwas besonders Schwieriges vorgenommen. Er arbeitete an einem kleinen Herz, das er seiner geliebten Sophie als Erinnerung und Beweis seiner Liebe da lassen wollte. Nun kann ich meine Liebste überraschen, dachte er glücklich, als Sophie noch nicht wieder zurück, er aber mit seiner Liebesgabe fertig war. Erst dann fiel dem jungen Mann auf, dass die Sonne nur noch seine Beine beschien, weil sie schon so tief am Horizont stand. Schon so spät, dachte er erschrocken. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, stand unvermittelt Sophie vor ihm. „Entschuldige, dass es so lange gedauert hat“, rief sie. „Vater wollte erst gar nicht trinken, aber Mutter und ich konnten ihn schließlich überreden. Aber er hat dann doch gemerkt, dass ihm der Tee gut tut. Er schwitzt zwar immer noch sehr stark, aber sein Kopf fühlt sich nicht mehr so heiß an. Er schläft jetzt ganz ruhig und fest. Wenn wir Glück haben, ist das Schlimmste überstanden.“

      „Das wäre ja wunderbar“, freute sich Johann. „Und schau, ich war inzwischen auch nicht untätig. Das habe ich für dich gemacht, damit du mich nicht vergisst, wenn ich unterwegs bin. Weißt du, was das ist?“ fragte er die junge Frau. „Das sieht man doch, ein Herz“, lachte die. „Ja, aber nicht irgendein Herz“, erwiderte Johann und sah Sophie tief in die Augen. „Das ist mein Herz. Es gehört nur dir.“ Er legte das kleine Holzherz behutsam in ihre offene Hand, und sie schlug verlegen die Augen nieder. „Ich werde es hüten wie einen Goldschatz, das verspreche ich dir“, flüsterte sie.

      „Na, ihr zwei Turteltauben“, rief Sophies Mutter von der Haustür her. „Sollte sich Johann nicht allmählich auf den Weg nach Hause machen, bevor es vollends dunkel wird? Sicher machen sie sich zu Hause schon Sorgen um dich.“

      „Um Himmels willen, ich muss gehen“, rief Johann erschrocken. „Sophie, machst du mir bitte noch schnell die Ölfläschchen fertig? Hier sind sie.“ Sophie eilte in den dunklen Raum an der Seite des Hauses, wo das Öl aufbewahrt wurde. Im Nu war sie wieder da und hatte die kleinen Flaschen schon in Johanns Beutel untergebracht. „Was bin ich euch schuldig?“, fragte Johann Sophies Mutter.

      „Heute überhaupt nichts“, antwortete die. „Du hast uns den heilsamen Tee mitgebracht. Wenn Vaters Fieber sich weiterhin bessert, ist das mit Geld überhaupt nicht aufzuwiegen. Es wäre nicht auszudenken, wenn Vater die Ölmühle nicht mehr führen könnte. Unsere beiden älteren Töchter müssen sich um ihre eigenen Familien kümmern, und Sophie und ich könnten sie nie und nimmer allein führen.“

      „Ja, dann danke ich recht herzlich“, antwortete Johann. „Entschuldigt, wenn ich jetzt so schnell aufbreche. Aber ihr wisst, ich habe noch einen langen Weg vor mir. Ach, wie gern würde ich noch viel mehr mit euch reden. Aber das müssen wir auf ein andermal verschieben. Lebt wohl, lebt wohl“, rief er und nahm Sophies rechte Hand zum Abschied fest in seine beiden Hände.

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