Tod in der Ville Close. Jean-Pierre Kermanchec. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jean-Pierre Kermanchec
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738011562
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versprochen, dass Ewen und sie beim Schautanzen und dem großen Umzug dabei sein würden. So blieb Ewen Kerber nichts anderes übrig, als zu den Filets Bleus zu fahren.

      Im Kommissariat von Quimper war es nach dem Mord an der jungen Frau Germaine Kerivel wieder ruhiger geworden. Der Fall hatte die ganze Truppe über viele Wochen in Atem gehalten.

      „Bist du soweit, Liebling?“, fragte Ewen, als er schon an der Haustür stand und den Wagenschlüssel von dem kleinen Bord neben dem Spiegel genommen hatte.

      „Ich komme sofort“, hörte er Carla rufen.

      Die Fahrt nach Concarneau würde nicht lange dauern. Die knappen 20 Kilometer wären schnell zurückgelegt. Das größere Problem würde die Parkplatzsuche bieten. Ewen Kerber war kein Freund von öffentlichen Verkehrsmitteln. Er fuhr am liebsten mit seinem eigenen Wagen. Deshalb hatte er schon vor einigen Tagen seine Kollegen in Concarneau angerufen und gefragt, ob sie einen Stellplatz vor dem Commissariat de police erübrigen könnten. Selbstverständlich hatten sie ihm einen Platz angeboten. Das Commissariat de police in Concarneau benötigte für seine wenigen Einsatzfahrzeuge nicht alle Plätze. So war es möglich gewesen, ihm einen Parkplatz zur Verfügung zu stellen. Das Gebäude der Kollegen lag zudem gegenüber dem Festplatz. Einen besseren Parkplatz hätte er sich nicht wünschen können.

      Carla kam die Treppen herunter und sie verließen ihr Haus. Sie stiegen in ihren bretonischen Wagen ein. Auch wenn Ewen nicht unbedingt der eingefleischteste Bretone war, sollte sein Auto doch aus der Bretagne kommen.

      Sie erreichten das Commissariat de police am Anfang der Avenue de la Gare. Ewen stellte seinen Wagen direkt vor dem Gebäude ab. Er war noch nicht ausgestiegen, als auch schon ein Polizeibeamter auf ihn zukam.

      „Sie können hier nicht parken, Monsieur, der Wagen wird sonst gleich abgeschleppt.“

      Ewen Kerber nickte und stieg dennoch aus, zog seinen Dienstausweis aus der Tasche und zeigte ihn dem jungen Polizisten.

      „Ich habe mit Ihrem Chef bereits gesprochen. Er hat mir erlaubt, meinen Wagen für einige Stunden hier abzustellen.“

      „Entschuldigen Sie, Monsieur le Commissaire, aber ich habe Sie noch nie bei uns gesehen.“

      „Kein Problem, Sie machen Ihre Arbeit. Sagen Sie ihrem Chef in meinem Namen nochmals vielen Dank.“ Ewen reichte dem jungen Mann sein Visitenkärtchen und verschloss den Wagen, nachdem auch Carla ausgestiegen war.

      Die Tanzaufführung, an der Marie beteiligt sein würde, fand in dem großen Zelt statt, das auf dem Gelände des Parkplatzes am Quai Carnot aufgebaut war. Sie überquerten nur die Straße und standen schon vor dem Zelt. Der Auftritt von Marie müsste gleich beginnen. Sie waren gerade noch rechtzeitig eingetroffen. Ewen war ganz froh, nicht lange warten zu müssen. Die Lautstärke in dem Zelt war nichts für seine Ohren. Die Tanzdarbietung war nett, und Marie kam nach dem Auftritt zu ihnen und begrüßte sie. Obwohl das Zelt voller Menschen war, hatte sie ihre Mutter und Ewen sofort entdeckt.

      „Hat es euch ein wenig gefallen?“, fragte sie, als sie bei den zweien angekommen war.

      „Aber natürlich, ich habe es genossen“, sagte Carla, und Ewen stimmte ihr etwas verhalten, höflich zu. Er hätte sicherlich einen anderen Ausdruck an Stelle von genossen gewählt.

      „Wir müssen uns gleich für die nächste Vorführung fertig machen, wir haben noch drei weitere Auftritte. Ich kann nicht lange bei euch bleiben. Ihr bleibt doch noch hier, bis alle Darbietungen vorüber sind?“

      „Aber natürlich, Marie, wir wissen doch, dass du an den Auftritten beteiligt bist und sind auch deswegen hier“, meinte Carla und strich ihrer Tochter liebevoll über das Haar, ohne ihre Trachtenhaube zu berühren. Marie verabschiedete sich von ihrer Mutter und Ewen und ging wieder zu den anderen Mitgliedern der Truppe.

      Ewen Kerber hatte versehentlich sein Dienst-Handy in seiner Jackentasche gelassen. Wenn er dienstfrei war, trug er es für gewöhnlich nicht bei sich. Heute war Paul Chevrier der diensthabende Kommissar. Es war nicht davon auszugehen, dass sich etwas für die Mordkommission ereignete. Doch, wie das Sprichwort schon sagt, unverhofft kommt oft.

      Das Handy klingelte und Ewen Kerber griff instinktiv, ohne groß darüber nachzudenken, in seine Jackentasche und nahm es heraus. Er konnte Carlas missmutigen Blick wahrnehmen, die genau wusste, dass ein Klingeln seines Diensthandys nichts Gutes erahnen ließ.

      „Kerber“, meldete er sich.

      „Ewen, hier ist Paul, es tut mir leid, dass ich dich heute an deinem freien Tag stören muss, aber ich weiß, dass du in Concarneau bist. Ich bin in der Ville Close. Wir haben einen Toten! Ich glaube, du solltest ihn dir ansehen.“

      Paul Chevrier schwieg und wartete auf eine Erwiderung von Ewen Kerber. Ewens Gedanken kreisten weniger um das, was Carla gleich sagen würde, sondern mehr um die Frage des warum. Warum sollte er sich den Toten ansehen? Das konnte nur bedeuten, dass es eine Beziehung zu dem Mann geben musste. Es dauerte nur wenige Sekunden bis Ewen antwortete, doch kam es Paul wie eine Ewigkeit vor.

      „Ich komme in einigen Minuten“, sagte er zu Paul und fügte noch hinzu, „wo finde ich dich?“

      „Hinten in dem Park, unweit der Anlegestelle der kleinen Fähre, des bac.“ Ewen legte auf und drehte sich zu Carla um.

      Carla sah ihn an, sie wusste, dass er sich gleich von ihr verabschieden würde.

      „Carla, ich bin in einer halben Stunde wieder zurück. Wir haben einen Toten, nebenan in der Ville Close. Paul hat mich gebeten, ihn mir anzusehen. Bitte verzeih, dass ich dich hier alleine zurücklasse. Ich treffe dich nachher vor dem Restaurant Amiral?“ Ewen zeigte mit der Hand in Richtung der Avenue Pierre Guéguin.

      „Ich werde dich schon wiederfinden“, meinte Carla, die sich an dieses unstete Leben bereits gewöhnt zu haben schien. Ewen gab ihr einen Kuss und verließ das Zelt. Die Menschenmenge die sich über den Bürgersteig in die Altstadt wälzte schien dasselbe Ziel zu haben. Ewen drängte sich durch die Menge. Dieses „du solltest ihn dir ansehen“ beschleunigte seine Schritte. Nach 200 Metern erreichte er die Brücke, die das Festland mit der kleinen Insel im Hafenbecken von Concarneau verband. Rasch überquerte er sie, ohne auf die Darbietungen der diversen Straßenkünstler zu achten.

      Aus dem Innenhof hinter dem Eingangstor drang bereits bretonische Musik an sein Ohr.

      Ganz eindeutig konnte er die Töne von Bombarde und Biniou kozh vernehmen.

      Diese beiden Instrumente sind für die Bretagne besonders charakteristisch. Die Bombarde, oder wie die Bretonen sagen, ar vombard, ist ein Blasinstrument, das von der Schalmei abstammt. Es hat einen durchdringenden, grellen Ton. Den Dudelsack, oder Biniou kozh, kennt man aus Schottland. Beide Instrumente gehören nicht zu Ewens Favoriten. Obwohl er ein echter Bretone ist, seine Vorfahren stammen alle, soweit er wusste aus der Bretagne, hat er sich bisher nicht mit den beiden Klangkörpern anfreunden können.

      Im Vorbeigehen sah er auch noch den Stand der PS, der sozialistischen Partei, die hier bereits Werbung für die anstehenden Wahlen betrieb. Er achtete nicht auf die Menschen, die sich am Stand aufhielten. Er versuchte möglichst rasch durch den Innenhof zu gelangen und betrat durch das zweite Tor die total überfüllte Rue Vauban der Altstadt. Er kam sich vor wie in einer Sardinenbüchse. Der Vergleich schien ihm für Concarneau genau passend zu sein.

      Zu Carla hatte er vorhin gesagt, dass er in einer halben Stunde wieder zurück wäre. Wenn es so weiterging, dann bräuchte er schon mehr als die Hälfte der Zeit für den einfachen Weg. Er überquerte jetzt den Place Saint-Guénolé, das Gedränge nahm im hinteren Teil der Altstadt deutlich ab. Nach weiteren drei Minuten traf er bei seinem Kollegen Paul Chevrier ein.

      „Hallo Ewen“, begrüßte Paul seinen Kollegen, „ich wollte dich an deinem freien Wochenende zwar nicht stören, aber als ich sah, wer hier liegt, musste ich dich dann doch belästigen.“

      Ewen Kerber winkte nur ab und signalisierte Paul damit, dass es schon in Ordnung war.

      „Lass mich den Toten sehen.“

      Paul