Die Geschwister Bourbon-Conti - Ein fatales Familiengeheimnis. Bettina Reiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bettina Reiter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742734242
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ihn doch.“ Seine Mutter schnitt den Kuchen in kleine Stücke.

      „Deine Gelassenheit möchte ich haben“, erwiderte die Großmutter mit gerümpfter Nase.

      Ein mahnender Blick der Mutter traf sie, doch Lotti zuckte mit den Schultern und schob den Teller zurück, als wäre ihr der Hunger vergangen.

      Es machte Luc traurig, dass die Großmutter so kalt zu ihm war. Jahrelang hatte er versucht, das zu ändern und ihr näherzukommen. Erfolglos. Als wäre er das ungeliebte schwarze Schaf der Familie. Für Lotti war er das vermutlich auch.

      „Glaubt ihr, dass Ludwig kommt?“, fragte Henriette und setzte sich neben die Großmutter.

      „Er ist ein guter Freund von Luc und hat in den letzten Jahren keinen seiner Geburtstage versäumt“, ließ die Mutter verlauten. „Diesmal wird es nicht anders sein.“

      „Schön, dass sich die beiden so gut verstehen“, kam es sauertöpfisch von Louis, der mit verschränkten Armen vor den großen Rundbogenfenstern stand und in die Winterlandschaft hinausstarrte. Tauwetter hatte eingesetzt. „Mir hat unser Cousin noch nie gratuliert.“

      „Mach dir nichts daraus“, tröstete die Großmutter ihn. „Ludwig wird schon noch merken, was er an dir hat. Immerhin engagierst du dich bereits jetzt politisch. Etwas, das Luc ja nicht im Geringsten interessiert. Er kämpft lieber mit dem Schwert.“

      „Der eine glänzt in Diplomatie, der andere auf dem Schlachtfeld.“ Luc setzte sich gerade hin. „Jedem das Seine.“

      „Nun ja, du hattest schon immer ein Faible für grobe Dinge.“ Der Blick seiner Großmutter war nicht zu deuten. „Louis hingegen ist feinfühlig und sprachgewandt, pflegt Freundschaften zu vielen Künstlern unseres Landes und ist unter den Prinzen bereits jetzt äußerst angesehen. Es ist erstaunlich, wie viel er von seinem Vater hat.“

      „Was auch für Luc gilt, und ein wenig haben meine Söhne auch von mir“, warf die Mutter ein und zog mit gespanntem Lächeln ein kleines Holzkästchen aus der Seitentasche ihres Kleides. Der grimmige Blick der Großmutter folgte ihr, als sie auf Luc zuging, der sich erhob. „Das ist für dich, mein Junge.“

      „Was ist das?“

      „Öffne es, dann wirst du es sehen.“

      Er nahm die Schatulle und hob den Deckel an. Henriette trat an seine Seite und stieg nervös von einem Fuß auf den anderen. „Das ist“, stammelte er dann, „Vaters Siegelring.“ Ehrfürchtig nahm er ihn heraus und drehte ihn nach allen Seiten. Das Gold glänzte und der dunkelblaue Stein mit dem Familienwappen schimmerte regelrecht. Stolz erfüllte ihn, obwohl er ahnte, dass der Vater ihm den Ring vermutlich nur zähneknirschend überreicht hätte. Doch unzählige Ahnen hatten ihn getragen. Dieses Wissen war es, das ihm sehr nahe ging.

      „Ich habe ihn auf Hochglanz poliert“, teilte Henriette lächelnd mit. „Steck ihn an.“

      Die Mutter strich seiner Schwester liebevoll über die Wange. „Wie du dir sicher vorstellen kannst, hätte dir das kleine Plappermäulchen am liebsten schon vor Wochen vom Ring erzählt.“

      „Schön, dass sogar unser Nesthäkchen in alles eingeweiht war“, echauffierte sich Louis, der sich keinen Schritt bewegt hatte.

      „Willst du dir den Ring nicht ansehen?“, fragte Henriette.

      „Wozu?“, fauchte Louis. „Ich weiß, wie er aussieht.“

      Luc fing den Blick seiner Großmutter auf, die mühsam beherrscht wirkte, als er den Erbring über seinen Ringfinger streifte.

      „Seit zweihundert Jahren ist er in Familienbesitz“, erklärte die Mutter. „Es ist eine uralte Tradition, dass er am einundzwanzigsten Geburtstag an den Ältesten weitergegeben wird, der ihn wiederum seinem Erstgeborenen überreicht. Hüte ihn wie deinen Augapfel.“ Sie zog Luc in ihre Arme. „Ich bin unsagbar stolz auf dich.“

      „Danke, Mutter.“ Er löste sich von ihr. „Damit hast du mir eine große Freude gemacht.“

      „Amen.“ Die Großmutter hievte ein Stück Kuchen auf ihren Teller. „Können wir jetzt endlich anfangen? Mir ist das zu viel Gefühlsduselei.“

      Kurz danach saßen alle am Tisch. Wenig später gesellte sich auch Ludwig dazu. Luc und er hatten sich schon immer gut verstanden, was sich mit dem Älterwerden vertiefte. Der König vertraute ihm viel an, dessen Kindheit nicht einfach gewesen war. Seine Eltern und der Bruder verstarben kurz hintereinander an Masern. Da war Ludwig erst fünf Jahre alt gewesen. Zu seiner Trauer kam die Bürde der Thronfolge hinzu, die durch den Tod seiner Familie an ihn übergegangen war. Eine Situation, die seinen Cousin völlig überforderte, da er bis dahin eine liberale Erziehung genossen hatte. Zwar kümmerten sich anfangs noch die Gouvernante Madame de Ventadour und Lucs Mutter um ihn, doch mit sieben nahm ihn der Herzog von Villeroy unter seine Fittiche, um ihn auf sein Amt vorzubereiten. Ein Mann, den Ludwig regelrecht gehasst hatte. Jahre später schickte er ihn deshalb ins Exil und der damalige Bischof Fleury übernahm die Aufgaben des Herzogs. Er wurde Ludwigs engster Vertrauter und hatte enormen Einfluss auf ihn, was nicht immer gut war. Obwohl man Fleury nicht absprechen konnte, dass er für Frankreich viel Gutes getan hatte, versuchte er auch für sich selbst einen großen Nutzen aus seiner Stellung bei Hofe zu ziehen. Das hatte Luc seinem Cousin gegenüber oft kritisiert, doch für Ludwig war Fleury immer mehr zur Vaterfigur geworden. Deswegen wischte er sämtliche Bedenken beiseite. Luc musste seinem Cousin allerdings zugutehalten, dass er ihm zu keiner Zeit die offenen Worte nachgetragen hatte. Mehr noch, nach Fleurys Tod gab er zum ersten Mal zu, dass er sich tatsächlich von ihm hatte leiten lassen. Auch wegen der eigenen Unsicherheit.

      „Wie geht es Karolina?“, erkundigte sich Luc, als er mit Ludwig am Abend vor dem Kamin saß. Einige Scheite knackten. Draußen war es bereits stockdunkel. Umso gemütlicher war es im Salon des großzügigen Appartements, das sie bewohnten. Es gehörte der Großmutter, die es von ihrem Vater als Geschenk erhalten hatte.

      „Die Königin ist wieder schwanger.“ Ludwig sah aus, als würde er vor Stolz gleich platzen. Mit fünfzehn hatte er die um acht Jahre ältere polnische Prinzessin Maria Karolina Zofia Felicja Leszczyńska geheiratet. Jetzt als Fünfundzwanzigjähriger war er bereits achtfacher Vater, der abgöttisch an seinen Kindern hing. Besonders an den Zwillingen Anna und Marie, seinen zwei Erstgeborenen. „Allerdings ist das Verhältnis zu Karolina noch immer sehr unterkühlt.“

      „Tja, auch in dieser Hinsicht hat Fleury ziemliche Macht auf dich ausgeübt.“ Luc trank einen Schluck vom Likör, den Ludwig mitgebracht hatte, und stellte das Glas auf den Tisch mit den Goldschnörkeln. Der Salon war mit edlen Walnuss–Möbeln eingerichtet, Tapeten, Teppiche und Vorhänge in einem schillernden Blau gehalten. An den Wänden hingen viele Familienportraits.

      „Mag sein, aber meine Frau hätte sich nicht in die Politik einmischen sollen.“ Sein Cousin saß mit dem Rücken zum aufwändig bemalten Kamin und überkreuzte die Beine. „Das hat viel kaputt gemacht. Vor allem meine Liebe zu ihr. Vermutlich ist es umgekehrt genauso, denn sie hat sich völlig zurückgezogen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass nur ihre Hülle anwesend ist. Geistig ist sie jedenfalls weit weg. Weiter geht es gar nicht mehr.“

      „Immerhin scheint ihr euch in gewissen Dingen noch zu verstehen.“ Luc zwinkerte ihm zu.

      „Reine Pflichterfüllung“, wiegelte Ludwig ab und runzelte die Stirn. Er hatte ein markantes Gesicht, dunkles gewelltes Haar und dunkle Augen. „Wir haben bisher nur einen Thronfolger gezeugt. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, ist das zu wenig. Ein, zwei Söhne wären deshalb wünschenswert.“

      „Man kann nichts erzwingen.“

      „Das ist mir klar.“ Abwesend starrte Ludwig auf das halbvolle Glas, das er in seiner Hand hielt. „Nun ja“, er blickte hoch, „ich will mich nicht beklagen. Immerhin habe ich eine Mätresse an meiner Seite, die alles tut, um mich glücklich zu machen.“

      „Zwei Mätressen, um genau zu sein“, stellte Luc richtig. „Noch dazu sind sie Schwestern. Das könnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Entweder liebe ich die eine oder