Mellow Tior. Shey Koon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Shey Koon
Издательство: Bookwire
Серия: Mellow Tior
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742758354
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nicht als glücklicher Gewinner. Ganz im Gegenteil, er fühlte sich traurig und unglücklich. Nicht nur, dass seine Großmutter verschwunden war, jetzt hatte er auch noch seine beste Freundin in die Flucht geschlagen. Er stürzte sich aufs Bett, vergrub den Kopf zwischen seine Arme, bis nur noch sein silberner Schopf zu sehen war, und heulte bitterlich los. Große Tränen kullerten ihm über die Wangen. Sein hilfloses Schluchzen durchzog das Haus. Seine Kraft war erschöpft und missgelaunt glitt er in einem Dämmerzustand ab.

      Ein sanftes Rütteln weckte ihn. Mellow öffnete seine bernsteinfarbenen Augen und erschrak bis in die Knochen. Eine wunderschöne Frau beugte sich über ihn, ruckelte an seinem liegenden Körper. Rubinrotes Haar umrahmte ihr Gesicht und ihr Lächeln war eine wahre Wonne.

      „Komm, Mellow, es wird Zeit für dich. Steh auf!“, ermunterte sie ihn.

      Mellow erhob sich und verschmälerte seine Augen. Sonderbar erschien es ihm, dass er die Frau, die ihn weckte, genauer wahrnehmen konnte, als jemals ein flirrendes Wesen zuvor.

      „Bist du es, Mariana?“, fragte er erstaunt nach. Sie bejahte seine Frage mit einem zustimmenden Nicken.

      „Wo sind deine Flügel?“, hakte er nach.

      Mariana wirbelte herum und es dauerte nur einen Wimpernschlag, sie verwandelte sich schlagartig. Ihre flauschigen Federn schimmerten dunkelviolett. Marianas Auftritt erschien anmutig und ihre Stimme klang zart.

      „Ist dieser Ort Wirklichkeit, oder nur ein Traum?“

      „Dieser Ort ist die Wirklichkeit. Auch für dich. Selbst wenn du träumst. Dieses Mysterium wird sich für dich bald schon öffnen und dann wirst du ganz klar erkennen, dass es wirklich ist.“

      Für einen klitzekleinen Moment fühlte sich Mellow nicht mehr ganz so allein.

      „Mariana, aber ich träume doch. Es fällt mir schwer zu glauben, dass dies wirklich geschieht.“

      Mariana blickte ihm tief in seine schmalen Augen.

      „Träume sind letztendlich nur eine andere Art von Wirklichkeit.

      Du kannst mich sehen. Du kannst mich hören. Du sprichst mit

      mir. Ist das denn nicht die Wahrheit?“

      Mellow nickte, das klang mehr wie einleuchtend.

      „Dann sag mir, in welcher Gefahr befinde ich mich?“

      Nach einer Pause unterbrach sie die Stille.

      „Du suchst noch immer nach Aurilia, oder?“

      Mellow horchte gespannt auf.

      „Ja, ich suche Großmutter Auri schon seit einigen Tagen. Weißt du vielleicht, wo sie sich befindet?“

      Seine Stimme bebte vor Aufregung und er konnte die Spannung kaum mehr ertragen.

      „Nein, über den Verbleib Aurilias weiß ich nicht Bescheid.“

      Mellow atmete enttäuscht ein und schnaufte entmutigt aus.

      „Aber ich kenne jemanden, der vielleicht Auskunft geben kann.“

      Noch bevor Mariana weitersprach, verschwand Mellow aus ihrem

      Blickfeld und wachte zuhause, noch immer über seinem Bett gebeugt, auf. Mit aller Mühe zwang er sich, erneut einzuschlafen, erkannte aber, dass es sinnlos war. Er war innerlich viel zu aufgewühlt.

      Mit einem Satz sprang er hoch, öffnete die Türe, rief laut nach BigBig und rannte mit ihm in der Hand auf die Straße. Er sprintete ohne Umweg zu Minjas Haus. Der Himmel war wolkenlos und er sah die vielen Sternschnuppen auf die Erdoberfläche treffen. Er hämmerte kraftvoll gegen die Türe, aber niemand öffnete. Mellow rüttelte fest am Türknauf, drehte wild in beide Richtungen, es half nicht, die Türe blieb verriegelt. Er rannte ums Haus, überprüfte jedes Fenster, in der Hoffnung, dass er durch eines schlüpfen könnte. Jedoch ohne Erfolg.

      „BigBig, ich brauche deine Hilfe. Flieg und wecke Minja!“

      BigBig befolgte die Bitte, noch immer gekränkt, weil Mellow ihm die Türe vor dem Schnabel zugeschlagen hatte. Er flog auf den Kamin, blickte nach unten in den Schlot, sah den Ruß und schüttelte sich vor Ekel. Eisvögel achteten peinlich genau darauf, sich nicht zu beschmutzen. Doch dann bemerkte er erleichtert, dass ein Oberlicht geöffnet war. Zu schmal für einen Jungen, für einen kleinen Piepmatz aber eine Leichtigkeit. BigBig tschiepte befreit auf.

      Mellow wartete ungeduldig, verkrampfte, fühlte sich abermals beobachtet. Nervös prüfte er die Umgebung, erspähte einen heruntergekommenen bulligen Mann in zerlumpten Klamotten. Der bärtige Mann gammelte auf der gegenüberliegenden Straßenseite, winkte Mellow eifrig zu. Mellow winkte nicht zurück. Der Mann jaulte auf, drehte sich um und schlurfte davon. BigBig flog heran und setzte sich auf Mellows Handrücken. Er drehte seinen Kopf mehrmals von links nach rechts und hob ab in Lüfte. Mellow überlegte nicht lange und rannte die Straße hinunter, auf direktem Weg zum Hauptquartier Wolke 7 am Waldesrand.

      Völlig aus der Puste kam er an. Bei dem Versuch die Stahltüre zu öffnen, stellte er fest, dass sie von innen verriegelt war.

      „Sind heute alle Türen für mich verschlossen?“

      Er klopfte, rief nach Minja, rüttelte und zog mit aller Kraft an der Stahltüre. Vergebens. Die Türe bewegte sich keinen Millimeter. Niedergeschlagen setzte er sich auf den Boden.

      „Mist. Echt, wie verhext. Wo seid ihr?“

      BigBig landete auf seinem Kopf, rupfte ihm am silbernen Haar. Mellow war froh darüber, dass sich sein kleiner Freund, der Eisvogel, beruhigt hatte. Nach einer geraumen Zeit spitzte Minjas Kopf aus dem Dickicht hervor. Sie hielt nach allen Richtungen Ausschau.

      „He, Minja. Hier bin ich!“, rief Mellow laut aus.

      Minja blickte in seine Richtung und winkte ihn herbei. Mellow

      sprang auf, rannte zur Türe, nahm seine beste Freundin in den

      Arm und entschuldigte sich aus vollem Herzen.

      „Ich weiß ja, dass du traurig bist, weil dir deine Großmutter

      fehlt. Aber ich tue dir überhaupt nichts und du bist so giftig

      zu mir.“, schellte Minja ihn.

      Ansatzlos verpasste sie Mellow einen Bauchschlag, der sofort in die Knie ging und nach Luft japste. BigBig flog nach unten, flüchtete vor dem Streit, in die schützende Sicherheit.

      „So, das musste jetzt einfach sein.“

      Mellow stand wieder auf, hielt sich den Bauch, atmete tief durch und blickte Minja verständnislos an.

      „Was ist, Mellow? So ist es mir ergangen, als du mit deinen Fäusten auf mich eingeprügelt hattest. Ich hatte bestimmt keinen Spaß dabei. Das kannst du mir glauben. Jetzt sind wir quitt. Und kein Wort mehr darüber.“

      Sie blickten sich wütend an, brachen dann aber doch in einem schallenden Gelächter aus. Hand in Hand gingen sie nach unten. BigBig zupfte sich seinen Schlafplatz bequem. Mellow berichtete ihr von seinem unbegreiflichen Erlebnis am goldenen See.

      „Ja, sie besaß unbeschreiblich schön geformte Flügel mit einem hohen Bogen und einem spitzen Auslauf nach unten.“, schwärmte er. „Und ihre Federn schimmerten dunkelviolett. Sie ist einzigartig und wunderschön.“

      Minja überreichte Mellow die Nussschokolade und goss ihnen beiden einen Schluck hellbraunen Karamellsirup in die Gläser. Dann fragte sie ihn nach jeder erdenklichen Einzelheit aus und er stand ihr brav Antwort und Rede. Vergessen war ihr übler Streit. BigBig war froh, dass der Friede einkehrte. Mellow schleckte sich genüsslich über die pappigen Lippen.

      „Und weißt du was das Beste daran war? Mariana kennt jemanden, der vielleicht Bescheid weiß, wo Großmutter sich befindet.“ Seine Augen strahlten vor Zuversicht.

      „Das ist prima! Jetzt musst du nur noch schlafen und an den goldenen See zurückkehren.“

      „Ach, Minja. Wenn das