Grüße von Charon. Reinhold Vollbom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhold Vollbom
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738062595
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dirigierte er den anderen mit seinem Revolver in Richtung Hauptportal. »Los, schließ auf! Wir gehen jetzt in das Büro vom Deckner.«

      »Das ist erst meine zweite Schicht hier in der Firma. Ich kenne zwar die Räumlichkeiten einigermaßen, aber noch nicht die einzelnen Personen.«

      Hinter der Maske war ein seufzendes Stöhnen zu hören. »Deckner ist einer der beiden Geschäftsführer, Mann. Eine Treppe hoch, dann rechts«, befahl er mit knappen scharfen Worten.

      Eine Minute später standen sie im Büro. Mit gelassener Selbstsicherheit zog der mit der Clownsmaske mit einem Mal Handschellen aus einer der Hosentaschen. Wenige Sekunden später war der Wachmann mit einem Handgelenk am Zuleitungsrohr der Zentralheizung angekettet.

      »Du hast Verständnis dafür, dass ich vorläufig auf deine Gegenwart nicht verzichten möchte«, krächzte es hinter der Maske. Bei diesen Worten drehte er das Telefon zu sich, ließ den Hörer jedoch auf dem Apparat liegen.

      Während der Maskierte mit der rechten Hand die Ziffern tippte, fiel dem Wachmann auf, dass der andere Handschuhe trug. Und an dem Ringfinger beobachtete er eine winzige scharfe Erhöhung. Dann hörte er wie gleich darauf, aus dem Lautsprecher des Telefons, eine männliche Stimme erklang.

      »Deckner.«

      »Hör gut zu, Deckner. Ich befinde mich in deinem Büro. Vor mir, an der Heizung gefesselt, sitzt euer Wachmann. Ich werde dir eine Frage stellen. Beantwortest du die richtig und ohne zu zögern, passiert dem Mitarbeiter vom Wachschutz nichts. Solltest du Schwierigkeiten machen, werdet ihr einen neuen Wachmann brauchen. Klar?!«

      »Sind Sie betrunken? Mich aus dem Bett zu holen und so einen Blödsinn zu erzählen.«

      Der Maskierte forderte den Wächter auf, etwas zu sagen. Dies gab er ihm mit einem kurzen Wink des Revolvers zu verstehen.

      »Herr Deckner, bitte, der Kerl macht ernst«, schrie der Wachmann in Richtung Freisprecheinrichtung des Telefons.

      »Was wollen Sie?«, klang es nach einigen Sekunden trocken aus dem Apparat.

      »Die Kombination von dem Safe, vor dem ich gerade stehe.«

      »Ich verstehe Sie ganz schlecht. Können Sie nicht deutlicher sprechen?«

      Ohne auf die Frage des anderen einzugehen, hakte er energisch nach: »Die Kombination. Na los, wird’s bald!«

      »Die hilft Ihnen nicht weiter. Der Tresor ist nur im Beisein meines Kompagnons zu öffnen. Jeder von uns hat seinen eigenen Zahlenschlüssel.«

      »Ihr kennt beide die Kombination des anderen. Das weiß ich zufällig. Noch so ’n Versuch und der Wachmann ist tot.«

      Aus dem Lautsprecher war nur ein ärgerliches Schnauben zu hören. »Selbst, wenn Sie beide Zahlenschlüssel haben, nützt Ihnen das nichts. Der Tresor ist mit einem Zeitschloss gesichert und lässt sich nur während der Dienstzeit öffnen.«

      Wieder drangen die quäkenden Worte hinter der Maske hervor. »Wenn du eure Toilettenbeleuchtung meinst, die habe ich tot gelegt. Ich weiß, dass das nur eine Tarnbezeichnung für den separaten Stromkreis für das Zeitschloss des Safes ist. Und die Batterie, die bei Stromausfall automatisch angeschaltet wird, habe ich bereits vor einiger Zeit abgeklemmt.«

      Wieder war es mehrere Augenblicke ruhig. So, als würde der am anderen Ende der Leitung jedes Mal verzweifelt nach einem Ausweg suchen, bevor er antwortete. Dann drangen leise stöhnend die Worte aus dem Telefon. »Zwei …«

      »Zwei oder Drei? Spreche lauter und klarer!«, forderte der Maskierte.

      »Zwei, Sieben, Null, Drei, Eins, Neun, Fünf, Null.«

      Hastig stellte er die genannte Zahlenkombination ein. Tatsächlich, die Tür öffnete sich. »Dein Glück, Deckner.« Einen Moment blieb er vor dem geöffneten Tresor stehen und sah andächtig auf die vielen darin befindlichen Geldscheine. Dann faltete er die zwei mitgebrachten Sporttaschen auseinander und stopfte eilig das Geld hinein.

      »So, Deckner«, sprach er danach gelassen, »ich werde jetzt auflegen und sofort wieder bei dir anrufen. Mit dem Funktelefon vom Wachmann. Sollte dein Apparat besetzt sein, weil du auf die Schnelle die Polizei informieren willst, hat der Mitarbeiter schlechte Karten.« Bei diesen Worten nahm er dem Wachschutzmann das Funktelefon aus der Gürtelhalterung und tippte eine Nummer ein.

      Mit bissigem Gesichtsausdruck beobachtete ihn hierbei der andere.

      »Aha, Deckner, da bist du ja wieder«, sprach der mit der Clownsmaske in das Mobiltelefon. »Du wirst mich die nächste halbe Stunde brav unterhalten. Versuche bloß nicht irgendwie anders Alarm auszulösen. Irgendwann, wenn mir nicht mehr danach ist, werde ich die Verbindung trennen. Dann kannst du meinetwegen die Polizei rufen.« In der einen Hand das Mobiltelefon und in der anderen die zwei prallgefüllten Sporttaschen, verschwand der Maskierte.

      ◊

      Etwa eineinhalb Stunden nach Mitternacht traf Kommissar Palmut am Tatort ein. Hier wurde er bereits von Burkhard Deckner erwartet.

      Ein Polizeibeamter durchtrennte die Kette der Handschellen vom Wächter mit einem Bolzenschneider. »Auf dem Revier haben wir einen passenden Schlüssel dafür«, sprach der Beamte zu dem Wachmann, der nun ärgerlich auf die Stahlringe um die Handgelenke sah.

      Burkhard Deckner war dabei dem Kommissar das Gespräch mit dem Täter wortgetreu wiederzugeben. »Der Wachmann hat übrigens alles mit angehört.«

      »Wie kommt es, dass Sie so viel Geld im Tresor hatten?«

      »Morgen sollte eine Werbekampagne starten. Wir wollten Altgeräte von unseren Kunden gegen Bargeld in Zahlung nehmen. Wir gingen davon aus, dass die Kundschaft dann die neuen Geräte bei uns kauft. Vor zwei Jahren hatten wir eine ähnliche Aktion, die ganz hervorragend lief. Offiziell sollte das Geld morgen früh von der Bank geholt werden. Um das Risiko eines Überfalls gering zu halten, haben wir die Geldscheine schon am Tag zuvor bei uns deponiert. Nur wenige Mitarbeiter wussten davon. Die anfänglichen Bedenken der Bank und der Versicherung konnte ich aber schnell zerstreuen. Leider, wie ich jetzt feststellen muss. – Allerdings wird der Täter sich ärgern, wenn er hört, dass eine ähnlich hohe Summe im Büro nebenan, in einem einfachen Stahlschrank lagerte.«

      Kommissar Palmut zog die Augenbrauen hoch.

      »Ich hatte ganz vergessen, dass in unserem Tresor noch eine größere Menge Bargeld lagerte. Das ist nicht üblich. Schon aus versicherungstechnischen Gründen. Aber da in wenigen Tagen eine Betriebsprüfung ansteht, hat sich das nun mal so ergeben. Ich verstaute das Geld also in dem Stahlschrank nebenan. Für eine Nacht, dachte ich, wird das schon gehen. Somit war im Tresor Platz für die Banknoten für die Werbekampagne.«

      »Hmm …«, knurrte Kommissar Palmut. »Sie haben doch einen Kompagnon, nicht wahr, Herr Deckner?!«

      »Bert Röbbert. Er ist mehrere Tage auf Dienstreise. Nachdem ich vorhin hier eintraf, habe ich versucht ihn in seinem Wochenendhaus zu erreichen. Da unsere Geschäftspartner dort in der Umgebung wohnen, wollte er die Hotelkosten sparen. Allerdings muss er einen sehr festen Schlaf haben. Er ist nämlich nicht ans Telefon gegangen.«

      Kommissar Palmut und sein Assistent ließen sich danach noch verschiedene Einzelheiten des Tathergangs erklären.

      Schließlich sah der Kriminalbeamte gähnend auf die Uhr. »Das reicht fürs Erste. Morgen Mittag machen wir einen Ortstermin bei Herrn Deckner in der Wohnung.« Zum Wachmann gewandt sprach er: »Sie kommen bitte auch. Wer weiß, vielleicht fällt Ihnen noch irgendwas Wichtiges ein.«

      Höflich verabschiedeten sich alle Anwesenden. Der Mitarbeiter der Wachschutzfirma fuhr mit auf das Revier, um sich dort die Stahlringe der Handschelle abnehmen zu lassen.

      ◊

      Kommissar Palmut, mit seinem Assistenten, traf mittags bei Burkhard Deckner ein. Der Kompagnon und der Wachmann waren bereits anwesend.

      »Sehr schön, dass Herr Deckner Sie informiert hat«, sprach er zu dem Geschäftsmann.

      Mit einem Mal war aus dem Hausflur