Grüße von Charon. Reinhold Vollbom. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhold Vollbom
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738062595
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Doktor Delbrück nicht. Du hast ihn nie gesehen und auch sonst nie mit ihm gesprochen, nicht wahr?!«

      »Was macht das schon?!«

      »Nachdem du sagtest, er hat wegen einer Armbanduhr angerufen, wusste ich, dass du lügst. Doktor Delbrück ist nämlich eine Ärztin.«

      Mittlerweile hatte sich der mit dem kantigen Gesicht neben Rosi gestellt. Jetzt sah er sie fluchend und stöhnend an. »Fast ein Jahr wohnst du mit diesem Kerl zusammen. Und nun so was!«

      Holger Schillers Stimme war gefährlich leise, als er sprach: »Ich gebe euch beiden Gaunern genau eine Minute, um aus meinem Haus zu verschwinden. Und maximal eine Stunde, um für immer die Stadt zu verlassen. Passt euch das nicht, erstatte ich Anzeige. Beweise habe ich. Denkt an den Detektiv da draußen.«

      Wenige Sekunden später fiel die Haustür schnappend ins Schloss. Auf Holger Schillers Stirn hatten sich mehrere Schweißperlen gebildet. Die Lüge mit dem Privatdetektiv haben die beiden ihm voll abgenommen. Erschrocken fuhr er zusammen, als plötzlich das Telefon läutete.

      »Pommer, vom Notariatsbüro«, meldete sich eine quäkende Stimme aus dem Hörer. »Tut mir leid, Herr Schiller, dass ich vorhin nicht im Büro war, als Sie vorbeikamen. Meine Sekretärin berichtete mir, dass Sie Ihr Testament zugunsten Ihrer Lebensgefährtin, Frau Spreen, ändern wollen. Sie soll Alleinerbin werden, sagten Sie meiner Sekretärin …«

      »Das muss sie falsch verstanden haben«, entgegnete er mit robusten Worten. »Rosi Spreen soll nichts erben. Sie wohnt auch nicht mehr bei mir.«

      Die Stimme am anderen Ende der Leitung verstummte für einen Moment. Danach sprach der Notar hörbar erleichtert: »Ich gehe davon aus, Herr Schiller, Ihnen würde ein bisschen Abwechslung guttun. Egmund und ich starten morgen früh zu einem Segeltörn. Kommen Sie doch einfach mit. Sie kennen sich ja …«

      »Ich kenne keinen Egmund«, entgegnete der Angesprochene.

      »Ach, Entschuldigung«, Notar Pommer schmunzelte in den Hörer, »selbstverständlich nicht. Sie duzen sich ja nicht. Ich meine natürlich Ihren Hausarzt, Doktor Delbrück.«

      »Keine schlechte Idee. Ein gutes Verhältnis, zu seinem Hausarzt, kann nie schaden. – Haben Sie Schwimmwesten an Bord …?«

      Mit dem Aufzug ins Fegefeuer

      Im vierten Stock des Einkaufszentrums befand sich die Verwaltung. Hier war der Kassenraum untergebracht, in dem die Tageseinnahmen der einzelnen Geschäfte aufbewahrt wurden. Tags darauf holte ein Werttransportunternehmen diese Einnahmen ab und fuhr sie zur Bank.

      Der Techniker mit dem grauen Overall und dem Schriftzug Telefon auf dem Rücken, schritt zielstrebig auf eine der Türen im vierten Stock zu. Sein schulterlanges blondes Haar verlieh seinem Aussehen etwas Weibliches. Kraftvoll stieß er die anvisierte Tür auf. Nahezu gleichzeitig zog er sich hierbei einen schwarzen Nylonstrumpf über den Kopf. Sofort darauf steckte er sich einen Tischtennisball in den Mund.

      »Überfall!«, schrie er und gab den Worten Nachdruck, indem er eine Pistole auf die verstörten Büroarbeiter richtete. »Ruhig bleiben!« Mit dem kleinen Ball im Mund hörte sich seine Stimme unnatürlich künstlich an. »Geld hier rein!« Einen neben ihm stehenden Angestellten drückte er mit hastigen Bewegungen eine Plastik-Tragetasche in die Hand. Knapp zwei Minuten später schnappte er sich die prallgefüllte Tasche. Rasch trat er auf den Gang hinaus, warf die Tür hinter sich zu und schloss sie ab.

      Der Abteilungsleiter für Finanzen fand zuerst die Worte wieder. »Keine Panik, meine Herrschaften, Wachschutz und Polizei sind verständigt. Der Kerl kommt nicht weit.«

      Eine Minute später klopfte jemand an die Tür und wollte gleich darauf den Raum betreten. Irritiert wurde die Klinke von außen immer wieder heruntergedrückt. Schließlich öffnete der Abteilungsleiter die Tür mit seinem Schlüssel.

      »Was wollen Sie denn hier, Herr Schröter?«, knurrte der Vorgesetzte ärgerlich. »Sehen Sie lieber zu, dass der Aufzug endlich repariert wird. Seit zwei Tagen laufen wir uns hier die Füße wund. Sie sind schließlich der Hauselektriker …«

      »Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche«, erwiderte der Angesprochene gelassen. »Telefonisch konnte ich Sie nicht erreichen, deshalb bin ich selber vorbeigekommen. Die Wartungsfirma rief gerade an und sagte, dass die fehlerhafte Platine morgen früh ausgetauscht wird …«

      »Na ja, im Augenblick haben wir andere Sorgen«, winkte der Abteilungsleiter lässig ab. »Sagen Sie mal, Herr Schröter, ist Ihnen auf dem Weg in unser Büro irgendjemand begegnet?«

      »Ja, im Treppenhaus. Ein Techniker mit schulterlangen blonden Haaren und einer Tragetasche. Er hatte einen grauen Overall an. Ich vermute, er war von der Firma, die unsere Telefonanlage instand hält. «

      Der Abteilungsleiter stöhnte. »Der hat uns soeben überfallen. Mein Gott, wenn ich an die vielen Geldscheine denke …«

      »Was denn, dann befand sich in der Tasche, die er bei sich trug, das ganze Geld, das gestern eingenommen wurde?«

      Wenige Minuten später traf Kommissar Palmut mit seinem Team ein. Immer und immer wieder wurden alle Anwesenden befragt.

      Bedrückt trat der Assistent vom Kommissar auf seinen Vorgesetzten zu. »Chef, die Ringfahndung hat bisher nichts gebracht. Der Kerl ist uns wahrscheinlich durch die Lappen gegangen.«

      Jochen Schröter verließ das Büro, als er über seinen Personenrufempfänger zu einer Störung gerufen wurde. Er mochte den Abteilungsleiter nicht. Insgeheim musste er schmunzeln, über den Ärger, den dieser nun bekommen würde.

      Die nächsten Stunden vergingen wie im Fluge. Immer wieder musste er an den Überfall denken. Dann sah er auf die Uhr. Es war kurz vor Feierabend. Er begab sich auf das Dach des Verwaltungsgebäudes. Nachdem er die Tür zum Maschinenraum des Aufzugs geöffnet hatte, blieb er einen Moment schwer atmend stehen. Sein Blick fiel in den Aufzugsschacht. Wenige Meter unter ihm, im vierten Stock, stand reglos die Kabine des Aufzugs. Jochen Schröter griff nach den Elektrokabeln, die mit breiten Schellen an der Schachtwand befestigt waren und in die Tiefe führten. Ein wenig ungelenkig kletterte er an den Kabeln hinab. Kurz darauf berührten seine Füße das Dach der Kabine. Sekundenlang blieb er mit leicht zitternden Knien stehen. Schließlich öffnete er die Luke und ließ sich in das Innere der Kabine hinab. Mit einem leisen Ploppen landete er sicher in der Zelle.

      Über das Gesicht von Jochen Schröter glitt ein leichtes Lächeln. In einer Ecke der Kabine befand sich eine große Plastik-Tragetasche sah. Der graue Overall obendrauf, versperrte den Blick auf die vielen Geldscheine darunter. »Nie mehr arbeiten«, seufzte er erleichtert.

      Er hatte diesen Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als sich plötzlich mit einem leisen Summen die blechverkleidete Aufzugstür von der Mitte her öffnete. Die Augen von Jochen Schröter schienen aus den Höhlen zu fallen. Vor der sich öffnenden Tür standen Kommissar Palmut und sein Assistent.

      Überraschend schnell fand der Hauselektriker die Worte wieder. »Mir kam in den Sinn, Herr Kommissar«, sprach er mit leicht belegter Stimme, »dass der Kerl das Geld hier irgendwo deponiert haben könnte, um es in einer ruhigen Minute abzuholen. Um mich nicht lächerlich zu machen, wollte ich erst mal sehen, ob meine Vermutung richtig ist. Natürlich hätte ich Ihnen das Geld gebracht.«

      »Dann hatten wir den gleichen Einfall, Herr Schröter«, entgegnete Kommissar Palmut. »Ich habe mir die Frage gestellt, warum der Täter die Angestellten im Büro einschloss. Von denen ging doch gar keine Gefahr aus. Und es gab nur einen Fluchtweg. Das Treppenhaus. Der Aufzug war ja defekt. Mit einem Mal kam mir eine Idee. Er schloss die Mitarbeiter im Büro ein, um nicht dabei erwischt zu werden, wie er sich den Overall auszog. Diesen versteckte er dann mit dem Geld in der Aufzugskabine. Sie werden sicherlich wissen, dass man mit einem einfachen Steckschlüssel, im oberen Teil des Rahmens von der Aufzugstür, diese öffnen und schließen kann.«

      »Ich verstehe, Herr Kommissar. Das Wachpersonal hält nach einem Täter in einem grauen Overall mit einer dicken Plastik-Tasche Ausschau. Während der Verbrecher