Neuland-England. Monika Murmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Monika Murmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742763402
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unzertrennlich. „Sicherlich ist Rupert emotional völlig ausgehungert, wenn er heimkommt“, dachte Lotti und freute sich schon. Den geerbten Bungalow des Onkels Frank hatte Lotti etwas aufgepeppt und ein paar Dinge nachträglich eingebaut. So war er jetzt wunderbar und dazu gehört ein schöner Garten mit zwei tollen Aufpassern. Der große schwarze Schäferhund-Mix Lutz aus einem englischen Tierheim und die kleine weiße Ziege namens Lisa, die erst Rasenmäher in einem geliehenen Ziegenrudel war und dann bei ihr eine Dauerstellung bekommen hatte. Mehr oder weniger im Vorbeigehen war Lotti an ihre Halbtagsstelle im Schreibwarenladen gekommen und hatte großen Spaß an der Arbeit. In Köln hatte sie mit ihrem Ex-Mann Jürgen ebenfalls knapp 20 Jahre einen Schreibwarenladen betrieben. Der Umgang mit der Kundschaft hatte ihr unglaublich gefehlt und außerdem war sie eine Fachkraft in allem was Büromaterial anging. Mrs. Peterson, die Besitzerin wusste schon nach kurzer Zeit, was sie an Lotti hatte und vertraute ihr bereits ab und zu den Laden an.

      Mit den Einkäufen im Kombi fuhr sie nach Hause und verstaute alles in Kühlschrank und Regalen. Die Erdbeeren schüttete sie in die Spüle und ließ kaltes Wasser darüber laufen. Dann begann sie die Erdbeeren klein zu schneiden und wusste, dass sich gleich die Ziege Lisa über die Strünke freuen würde. Bis Rupert zum Abendessen kommen würde, wäre der Nachtisch schön durchgezogen. Der leckere, süße Geruch der Erdbeeren stieg ihr in die Nase und dann passierte etwas Unerwartetes. Eine urplötzlich auftretende Übelkeit überraschte Lotti und ließ sie sofort zu Toilette rennen. Sie übergab sich heftig und war danach ganz verwirrt. Was war das denn? Nun fühlte sie sich wieder gut. Als wenn nie etwas gewesen wäre. Sie putze sich gründlich die Zähne, sammelte alle Erdbeeren mit ausgestreckten Armen ein und schüttete das teure Zeug der Ziege hin, die sich erfreut darauf stürzte.

      Lotti setzte sich geschafft auf ihre, von der Sonne aufgewärmte Bruchsteinmauer im Garten und grübelte vor sich hin. In letzter Zeit war ihr ein paar Mal etwas schwindelig geworden. Sie hatte die Hitze im Verdacht gehabt, ihr Kreislaufprobleme zu verursachen. Lutz saß vor ihr und wollte gestreichelt werden. Ein plötzlicher Gedanke ließ sie ins Haus gehen und in der Handtasche wühlen. Alarmiert sah sie auf einen kleinen Kalender in ihrer Geldbörse und stutzte. Entsetzt raufte sie sich die Haare und stöhnte verzweifelt auf. „Das darf doch nicht wahr sein!“ dachte Lotti, „Seit zwei Monaten habe ich keine Periode mehr? Oh mein Gott! Wie kann denn das sein? Das hätte mir doch auffallen müssen!“ Bei Rupert ist doch angeblich etwas nicht in Ordnung, hatte er Lotti erzählt. Deshalb brauchte sie auch keine Pille. Seine Ex Gloria wollte doch unbedingt schwanger werden und es klappte nie. Sie war mehrfachst beim Arzt gewesen und an ihr könne es nicht liegen.

      Lotti rief Emily, ihre zukünftige Schwägerin an. Diese war gerade mit Kind Nummer vier schwanger und erkundigte sich nach ihrem Frauenarzt. Sie hätte eine nette Frauenärztin sagte Emily und müsste sowieso am nächsten Tag wieder hin. Lotti bat sie darum dort anzurufen und zu fragen ob sie evtl. mitkommen könnte. Sie würde sich nicht gut fühlen. Auf Nachfrage bei der Ärztin sagte ihr Emily, das so etwas eigentlich nicht ginge, aber mit etwas Wartezeit wäre es ausnahmsweise möglich.

      Obwohl ihr momentan der Kopf rauchte, wunderte sie sich langsam, wo eigentlich Rupert blieb? Da klingelte auch schon das Telefon. Einer seiner Kongresskollegen war ihm beim Ausparken versehentlich ins Auto gefahren. Rupert war gottseidank nichts passiert. Aber das Abschleppen dauere und ein Ersatzfahrzeug bekomme er nicht vor morgen. Also müsse er noch eine Nacht bleiben und käme dann im Laufe des Tages.

      Traurig musste sich Lotti eingestehen, dass ihr das jetzt im Moment gerade recht kam.

      Lotti erzählte ihm natürlich nichts von ihrem Verdacht. Sie wollte erst Gewissheit haben. Nach einer unruhigen Nacht in der sie im Traum ständig Kinder einfangen musste, wachte sie gerädert auf. Sie rief ihre Chefin an und meldete sich krank. Am Vormittag fuhr sie mit Emily zur Frauenärztin. Ihre Schwägerin bohrte um Antworten und sah sie merkwürdig an. Lotti wollte aber noch nichts von ihrem Verdacht sagen. Schon im Wartezimmer knabberte sie nervös an den Fingernägeln. Ein schneller Test und eine anschließender Ultraschalluntersuchung brachte das Ergebnis auf den Tisch. Sie war im dritten Monat schwanger.

      Lotti klappte der Kiefer runter. Emily bekam einen ganz roten Kopf vor Aufregung und sagte ganz spontan: „Ich habe nie geglaubt das bei Rupert etwas nicht stimmt. Das hatte Gloria ihm nur weismachen wollen! Ein Kind hätte doch ihre Figur ruiniert!“ Mit einem Ultraschallbild bewaffnet verließ Lotti die Praxis. Bei Emily war ebenfalls alles in Ordnung. Während deren Untersuchung hielt Lotti den kleinen Robin auf dem Arm. Er legte vertrauensvoll die kleinen Arme um die Tante. Die beiden größeren Jungs waren in Schule und Kindergarten. Emily war ebenfalls im dritten Monat, nur schon zwei Wochen weiter. Lotti war geschockt und konnte gar nicht mehr denken. Sie fühlte sich wie in Watte gepackt, eigentlich wie ein Zombie.

      Emily plapperte ohne Luft zu holen. Wie schön das doch wäre, wie sehr sich Rupert freuen würde, auch Hazel und Andrew. Die Kinder können super zusammen aufwachsen. Emily war happy, Lotti konnte es sogar verstehen. Wenn nur die Umstände anders gewesen wären, zB Lotti 10 oder 20 Jahre jünger. Andrew war ebenfalls Anfang 40. Lotti holte tief Luft und verdonnerte Emily streng zu absolutem Stillschweigen. Diese guckte etwas verschüchtert versprach es dann aber.

      Professionelle Hilfe

      Lotti musste unbedingt mit jemandem reden und zwar nicht mit Rupert. Sie fuhr auf dem Heimweg beim Supermarkt vorbei und kaufte Hundefutter und zwei Säcke Möhren. Freddy sprach sie auf den Anrufbeantworter, dass er sich bitte dringend ein paar Tage um ihre Tiere kümmern muss. Lotti packte eine Tasche mit etwas Bekleidung und fuhr zum Bahnhof. Mit dem Zug ging es zum Flughafen. Dort nahm sie den nächsten Flug nach Köln/Bonn. Die Anreise bekam sie eigentlich nicht richtig mit. Sie funktionierte wie ein ferngesteuerter Roboter. Ob ein Er oder eine Sie neben ihr im Flugzeug saß, hätte sie nicht mehr sagen können. Sie leistete sich den Luxus mit dem Taxi zu Katja zu fahren. Zwei Straßen weiter befand sich eine kleine Pension, in der Lotti früher selbst schon mal Besuch untergebracht hatte. Gottseidank war dort ein Zimmer frei.

      Sie warf ihre Tasche aufs Bett und marschierte dann das kurze Stück Fußweg zu Katja. Weil niemand die Türe öffnete, setzte sie sich eben auf die Stufen vor der Haustüre und wartete. Sie hatte Katja nicht angerufen, sie brauchte den direkten Kontakt für so eine Katastrophe. Endlich kamen alle Drei mit dem Auto angefahren. Es war wohl ein Info-Abend von einer weiterführenden Schule für den Sohn gewesen. Katja machte große Augen, Rainer schnappte sich seinen Sohn und überlies die beiden Mädels sich selbst. Lotti hatte ein Déjà-vu als sie wieder mit Katja und einer Flasche Wein, wie vor gut einem Jahr, im Wohnzimmer saß. Sie zeigte ihr das Ultraschallbild. Katja war sprachlos. „Ja aber!“ kam von ihr und dann lange Zeit nichts. „Ich will das nicht“ sagte Lotti. „Ich bin zu alt, Andrew ist zu alt, ich will meine Freiheit behalten und ich habe schon Kinder großgezogen. Soll das jetzt alles wieder von vorne anfangen?“ Lotti weinte: „Mit dem Baby eingesperrt sein, Elternabende, Krabbelgruppen, Krankheiten, durchwachte Nächte, meine Figur, kaum Sex, Finanzsorgen, Streit mit Lehrern, Vokabeln abhören, usw“.

      Katja hörte geduldig zu und fragte: „Wieso bist Du eigentlich schwanger?“ „Weil Rupert mir erzählt hatte, das Gloria nicht schwanger wurde, beim Arzt war und Rupert schuld ist“, schniefte Lotti. „Daher konnte ich mir die Pille ja schenken! Toll Rupert, super Idee!“ heulte sie, inzwischen wütend auf Rupert. „Ich bin so blöd! Wie kann ich ihm sowas nur glauben!“ Katja fragte vorsichtig: „Was sagt eigentlich Rupert dazu?“ „Der weiss ja noch nichts!“ kam von Lotti die Antwort. Sie erzählte ihrer alten Freundin vom Kongress und dem Unfall, von den Erdbeeren und Emilys Frauenärztin. Ebenfalls erzählte sie vom Gedanken an Abtreibung. Es war ein langer Abend.

      Rupert kam am Freitagnachmittag endlich vom Kongress mit einem Leihauto nach Hause. Er versuchte Lotti schon seit zwei Stunden per Handy zu erreichen. Sie ging einfach nicht dran. Zuhause war sie nicht und das Auto war ebenfalls nicht da. Er rief direkt im Schreibwarenladen an und erfuhr zu seiner Überraschung, dass Lotti sich krankgemeldet hatte. Während er vor sich hin grübelte, kam Freddy um sich um die Tiere zu kümmern und wunderte sich, dass Rupert da war. Er ließ Rupert die Nachricht vom Anrufbeantworter auf seinem Handy abhören, um seine Anwesenheit zu erklären. Freddy hatte das Gefühl, dass Rupert immer etwas