Die Flucht des Feuerteufels. Tom Aspacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tom Aspacher
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753188959
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Matrose auf einem Frachter anheuern und erst einmal untertauchen wollte. Der Autor des Textes berief sich bei sämtlichen Informationen auf einen Artikel des »Amsheimer Boten«, der laut dem »Tagblatt« wiederum gut unterrichtete Kreise zitiert hatte.

      Holsbein verdrehte die Augen. Das war haargenau der Inhalt seiner SMS, die er an Püppy geschrieben hatte. Als Urheber der Meldung hätte er eigentlich ein Informationshonorar zugute gehabt. Er schaute sich noch ein paar andere News-Seiten an, aber die hatten alle mehr oder weniger den gleichen Text aufgeschaltet. Nach einer Viertelstunde wusste Holsbein alles, was er wissen wollte und machte sich wieder auf den Weg. Er freute sich auf Blondie, die im Hotelzimmer auf ihn wartete. Irgendwie.

      * * * * *

      »Und du bist dir sicher, dass er nicht auf nach Weg nach Rotterdam ist?« Camenzind presste den Telefonhörer mit der Schulter ans Ohr und tastete sein Jackett nach einer Schachtel Zigaretten ab. »Sonst müssen wir die Meldung unserer lieben Konkurrenz übernehmen.«

      »Mach das nicht«, sagte Aline. Sie saß in ihrem neuen Büro, das seit der Suspendierung im Wesentlichen aus ihrem Sofa, dem riesigen Flachbildfernseher und ein paar herumstehenden Bierflaschen bestand – die Vorteile von Homeoffice. »Wenn du den Mist auch in unserem Blatt bringst, dann kannst du dich nachher nicht über die Dumpfbacken lustig machen, und das würdest du doch gerne, oder?«

      »Klar. Aber was macht dich so sicher, dass die Meldung nicht stimmt?«

      »Nennen wir es doch einfach weibliche Intuition …«

      »Nein, nein«, fiel ihr Camenzind ins Wort. »Den ganzen Tag höre ich zigmal diesen Scheiß mit der weiblichen Intuition. Komm mir also nicht damit. Ich will Fakten, sonst kann ich gleich dieses verrückte Möchtegern-Medium fragen, wo sich Holsbein aufhält. Frau Öztürk heißt die, oder?«

      »Mein lieber Armin«, flötete Aline, »du hast offenbar vergessen, dass ich ihn ganz gut kenne.«

      »Das sagt gar nichts, ich bin seit bald zwanzig Jahren verheiratet und meine Frau überrascht mit noch jeden Tag mit nicht nachvollziehbaren Aussagen und Handlungen.«

      »Aber Holsbein ist wirklich einfach zu durchschauen, das kannst du mir glauben.«

      Camenzind gab sich damit nicht zufrieden. Er hatte Aline aus zwei Gründen suspendiert. Einerseits wollte er der Polizei damit zeigen, dass er die Namensnennung eines flüchtigen Verdächtigen in seiner Zeitung nicht tolerierte. Auf der anderen Seite hielt er sie so aus dem Tagesgeschäft raus, damit sie sich auf Holsbeins Flucht konzentrieren konnte. Würde die Serie gut werden, und davon ging er aus, wäre das gut für die Zeitung und damit gut für ihn – und das wiederum wäre eine kleine Wiedergutmachung für den Ärger mit der Polizei, den sie ihm eingebrockt hatte. Informanten schien sie ja zu haben, das musste er ihr zugestehen. Aber endlos warten wollte und konnte er auch nicht. »Du hast bis morgen Zeit, mir irgendwas zu liefern«, hielt Camenzind unmissverständlich fest.

      »Kein Problem, Herr Major«, erwidert Aline im zackigen Tonfall. Allerdings hatte sie nicht die geringste Ahnung, wie sie das machen sollte. Der Feuerteufel war wie vom Erdboden verschluckt.

      * * * * *

      Irgendwann hatte Holsbein genug von der dauernden Wichserei und dem Herumgezappe durch die Fernsehkanäle und beschloss, dem »Princesse« einen Besuch abzustatten. Der Riese schien sich richtig zu freuen und wollte wissen, ob er ihm einen Kaffee machen solle, damit er ihn wieder stehen lassen könne.

      »Nein danke, mein Herr. Ich hätte gerne ein kühles Blondes.«

      Diesmal befanden sich mehr Gäste als sonst in der Bar; die meisten waren Arbeiter bei ihrem Feierabendbier. Holsbein war durstig und orderte gleich noch ein zweites Lager. »Übrigens, schöne Hosenträger«, schickte er der Bestellung gut gelaunt hinterher. Er griff in die linke Gesäßtasche seiner Jeans, um sein Handy herauszuholen, ließ es dann aber sein. Er hätte nur zu gerne gewusst, ob er schon in Rotterdam angekommen war. Doch er wollte den Fahndern keine Möglichkeit geben, ihn zu orten. Morgen würde er sich eine Prepaid-Karte besorgen müssen, sofern dies ohne die Angabe seiner Personalien überhaupt möglich war.

      Der Riese stellte ihm das Bier auf den Tresen. »Mein Herr, Sie haben vorhin meine Hosenträger angesprochen«, sagte er und beugte sich zu ihm herab.

      »Das habe ich, die stehen Ihnen wirklich gut«, meinte Holsbein.

      »Sie halten das vielleicht für ein modisches Accessoire, ein schmückendes Element.«

      »Na ja«, sagte Holsbein lakonisch, »vor allem sorgen sie wohl dafür, dass die Hose nicht runterrutscht.«

      »Ganz genau so ist es. Ich trage sie auch, wenn ich es mir zu Hause in meiner Freizeitkleidung bequem mache, oder im Bett, mit meinem Schlafanzug.«

      Holsbein schmunzelte. »Das scheint mir aber nicht sonderlich bequem zu sein.«

      »Es geht hier nicht um Bequemlichkeit. Sehen Sie, bevor ich dieses reizende kleine Lokal hier mit dem Erbe meines Onkels erstanden habe, arbeitete ich bei einem Bestattungsinstitut. Meine Aufgabe war es, die Toten abzuholen, sobald die Leichname von der Polizei freigegeben wurden. Und Sie können sich nicht vorstellen, wie viele tote Männer mit heruntergelassenen Hosen ich dabei gesehen habe. Die starben beim Scheißen, sind einfach von der Schüssel gekippt, oder mit dem Schwanz in der Hand vor dem Fernseher. So will man nicht gefunden werden, von der eigenen Frau nicht und auch nicht von der Polizei. Und glauben Sie mir, Ihr Schwanz wird winzig sein, wenn Sie tot sind.«

      Zwei Typen kamen rein und bestellten eine Flasche Weißwein. Der Riese entschuldigte sich.

      »Und was hat das jetzt mit den Hosenträgern zu tun?«, wollte Holsbein wissen.

      Der Patron machte eilig zwei dickwandige Weingläser voll und wandte sich dann wieder Holsbein zu. »Mein junger Freund, all diese toten Männer mit ihren kleinen Penissen sind der Grund dafür, weshalb ich die Hosenträger nie ausziehe, selbst auf der Toilette lasse ich sie über den Schultern, auch wenn das ziemlich spannt.«

      Holsbein kam nicht darum herum, sich dieses Bild plastisch vorzustellen. Er hoffte, er würde es jemals wieder aus dem Kopf kriegen.

      »Es ist doch so«, fuhr der Riese fort. »Wenn ich einen Herzinfarkt bekomme, dann habe ich sicher keine Zeit mehr, mir die Hosen hochzuziehen. Aber wenn ich von der Couch oder der Schüssel kippe, dann schnellen meine Hosen wegen der Hosenträger automatisch nach oben und ich kann mir wenigstens ein bisschen Würde erhalten. Machen Sie sich mal Gedanken darüber.«

      »Danke für den Tipp, das werde ich tun«, sagte Holsbein ernst. »Und nun hätte ich gerne noch ein Bier.«

      Tag 4

      »Jetzt hab ich dich, mein Kleiner.« Aline tanzte mit dem Smartphone in der Hand durch ihre Zweizimmerwohnung und hätte dabei fast den frischen Frühstückskaffee auf ihrem Couchtisch verschüttet. Soeben hatte sie eine SMS mit einem 24-stelligen Code aus Zahlen und Buchstaben bekommen – das Zeichen, dass Holsbeins Handy geortet worden war. Sie startete ihren Laptop und tippte den Code in ein Formularfenster ein. Es öffnete sich eine Landkarte mit einem eingezeichneten Kreis. »Belfort?«, sagte Aline laut. »Ich hätte dich weiter südlich erwartet.« Sie tippte Camenzinds Nummer ins Handy und erzählte ihm von der Neuigkeit.

      »Was macht der denn in Belfort? Kennt er da jemanden?«

      »Nicht dass ich wüsste«, sagte sie.

      »Und es gibt keinen Zweifel?«, wollte er sich absichern.

      »Nope.«

      »Wieso kannst du etwas, das die Polizei nicht kann?«

      »Weil ich mich nicht um Datenschutz und Persönlichkeitsrechte kümmern muss.«

      Sie vereinbarten, dass sie ihn von unterwegs regelmäßig über den neusten Stand informieren und um fünf Uhr einen pfannenfertigen Text mit fünftausend Zeichen schicken würde. Camenzind seinerseits versprach ihr, dass dieser und die folgenden Artikel jeweils erst am Tag der Veröffentlichung in der gedruckten Zeitung