Vorwort
Unsere heimischen Wildkräuter – wem fallen bei diesem Begriff nicht sofort ein paar Pflanzen ein? Löwenzahn, Brennnessel und Gänseblümchen werden da oft genannt. Doch es gibt noch viel, viel mehr. Eine Auswahl von fünfzig Pflanzen stelle ich in diesem Buch vor. Es ist grob nach Lebensräumen unterteilt, in denen die Pflanzen vorkommen. Was findet man im Wald, am Ufer, am Wegesrand, in Wiesen, in Gärten oder in Hecken und Gebüschen? Unsere Natur hat so viele unterschiedliche Facetten zu bieten. Geht man ein Stück spazieren, so wandelt sich das Bild oft innerhalb kurzer Zeit. Lichter Wald, sattgrüne Wiesen oder dichtes Gebüsch wechseln sich ab, genauso wie verschiedene Stimmungen, spezielle Gerüche, oder anderes Licht. Und jeder Bereich hat seine eigene Vegetation. Dabei sind die Grenzen aber oft fließend. Zum Beispiel bevorzugen manche Pflänzchen lichten Schatten, andere sind Sonnenanbeter und wiederum andere kommen mit beidem zurecht.
Darum können sich bei einigen in diesem Buch behandelten Pflanzen die Lebensräume überschneiden, z.B. wächst Löwenzahn gerne auf Wiesen, aber auch am Wegrand oder in Gärten.
Beim Sammeln zu beachten
Wer sich näher mit Wildkräutern befasst, möchte oft bald selbst losziehen, um Pflanzen zu sammeln. Oberster Grundsatz sollte dabei sein, die Pflanzen zweifelsfrei bestimmen zu können, um Verwechslungen mit giftigen Pflanzen auszuschließen.
Ist man sich sicher, die richtige Pflanze vor sich zu haben, so darf eine kleine Menge für den Eigenbedarf mitgenommen werden – jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen: Um den Bestand nicht zu gefährden, sollte niemals an Stellen gesammelt werden, an denen nur wenige Exemplare zu finden sind, oder gar nur ein einzelnes davon.
Natürlich dürfen gesetzlich geschützte Pflanzen nicht gepflückt oder gar ausgegraben werden. Und in ausgewiesenen Schutzgebieten darf man überhaupt nicht sammeln.
Ein Korb ist für das Sammeln am besten geeignet, denn so werden die Pflanzenteile nicht zerdrückt. Auch Papiertüten sind zum Transport des Sammelgutes geeignet. Plastiktüten sollte man besser nicht verwenden, denn in ihnen können sich die Inhaltsstoffe der Kräuter verändern, da hier das Pflanzengut leicht schwitzen kann.
Gerade wenn die Wildkräuter – etwa zur späteren Teezubereitung - getrocknet werden sollen, empfiehlt es sich, nur trockene Pflanzen zu sammeln. Morgens haftet oft noch Tau an den Blättern, der erst am späten Vormittag abtrocknet. An sonnigen Tagen ist zu diesem Zeitpunkt auch die Konzentration von ätherischen Ölen hoch, nur in der heißen Mittagssonne verdunsten diese oft rasch. Nicht gesammelt werden sollten verschmutzte oder kranke Pflanzen. Auch Pflanzen, die am Rand von viel begangenen Wegen, an Bahndämmen oder vielbefahrenen Straßen wachsen, sind weniger geeignet.
Bei der Verwendung zu beachten
Zum Trocknen breitet man die Kräuter auf Trockenrahmen aus oder bindet sie einzeln oder in kleinen Bündeln an gespannte Schnüre. Wichtig ist ein schattiges, warmes Plätzchen, an dem die Trocknung rasch gelingt. Schneller geht es mit einem Dörrapparat oder im Backofen bei niedriger Temperatur (40° C). In die Backofentür wird ein Kochlöffel geklemmt, sodass die Tür einen Spalt offen stehen und die Feuchtigkeit entweichen kann.
Zur frischen Verwendung kann man die Pflanzen waschen und am besten sofort verarbeiten.
Da die Wildkräuter über gewisse Wirkungen verfügen, sollte man sie mit Bedacht einsetzen. Wendet man eine Pflanze zu lange an (mehr als 4-6 Wochen), so können auch Nebenwirkungen auftreten oder die Wirkung schwächt sich mit der Zeit ab. Grundsätzlich sollten Kranke sowie schwangere und stillende Frauen unbedingt vor der Anwendung von Kräutern ihren Arzt befragen.
Eine Selbstbehandlung mit Heilkräutern ist bei leichten Beschwerden möglich. Ansonsten kann man sie begleitend einsetzen, allerdings nur nach Absprache mit einem Arzt.
Ich wünsche Ihnen viel Freude mit diesem Buch, wunderbare Naturerlebnisse und wohltuende Entspannung beim Sammeln, Verarbeiten und Genießen!
Ihre
Ingrid Mayer
Im Wald
Dem Wald geht ein dunkler, geheimnisvoller Ruf voraus: Dicht stehende Fichten und Tannen, deren Stämme viele Meter hoch in den Himmel ragen. Legt man den Kopf in den Nacken und sieht zu ihren Wipfeln hinauf, wird einem beinahe schwindlig. Zu ihren Füßen liegt oft ein Teppich aus Moos, der einem dieses besondere Gefühl gibt, wenn man auf die flauschigen Polster steigt, das viele Menschen schon seit ihrer Kindheit kennen. Die Luft ist klar, im Herbst liegt ein Duft nach Pilzen in der Luft. Zu jeder Jahreszeit hat der Wald einen besonderen Reiz und besondere Stimmungen. Scheint die Sonne, tanzen Lichtpunkte durch Buchen- oder Mischwälder und verleihen ihnen dadurch Leichtigkeit. Im Winter dagegen erscheint der Wald oft märchenhaft mit seinen schneebedeckte Ästen. Und im Frühjahr... dann sprießt es plötzlich aus dem Boden, und es wird für kurze Zeit bunt: Leberblümchen und Buschwindröschen bedecken die Erde und sorgen für Entzücken. In manchen Wäldern schieben sich ab März zahllose zart grüne Fähnchen empor und verströmen einen Geruch nach frischem Knoblauch – es ist Bärlauchzeit!
Bärlauch
Allium ursinum
Pflanzenfamilie: Narzissengewächs
Blütezeit: April bis Juni
Essbar
Mehrjährig
Heilpflanze
Ein Meer aus Bärlauchblättern bedeckt im Frühjahr den Waldboden.
Für viele ist Bärlauch der Inbegriff des kulinarischen Frühlings. Der herrlich knoblauchartige Geschmack macht aus so manchem Gericht einen echten Leckerbissen. Nach dem Genuss verbreitet man zwar durchaus ein gewisses „Knofi“-Aroma, das aber im Gegensatz zum Knoblauch nicht auch noch am nächsten Tag anhält. Man findet die sattgrünen länglichen Blätter des Bärlauchs ab März in feuchten Laubwäldern. Ab April erscheinen an etwa 10 bis 20 cm langen Stängeln Dolden mit weißen Blütensternen. Im Winter ist vom Bärlauch nichts mehr zu sehen, doch unter der Erde überdauert er in kleinen Zwiebeln. Erst im zeitigen Frühjahr erwacht er wieder aus seinem Winterschlaf, und neue Triebe schieben sich ans Tageslicht.
Bärlauch sammeln
Beim Sammeln von Bärlauch gibt es ein paar Dinge zu beachten. Vorsicht! Der Bärlauch hat giftige Doppelgänger. Das Maiglöckchen (Convallaria majalis) riecht nicht nach Knoblauch. Im Gegensatz zum Bärlauch bringt es meist zwei bis drei Blätter aus seinem Rhizom hervor. Beim Bärlauch dagegen sitzen die Blätter einzeln am Stiel.
Die Blätter der hochgiftigen (!) Herbstzeitlose (Colchicum autumnale), wachsen die Blätter ineinander verschachtelt und besitzen keinen Blattstiel. Auch sie riecht nicht nach Knoblauch.
Bärlauch überzieht oft flächendeckend große Waldgebiete. Doch auch wenn er gebietsweise scheinbar in unendlicher Menge vorhanden ist – Bärlauch steht auf der Roten Liste und ist in manchen Gegenden Deutschlands nur mehr in geringen Beständen vorhanden. Deshalb sollte man immer mit Bedacht sammeln: Statt mit der Schere oder einem Messer ganze Quadratmeter abzuernten empfiehlt