Vom Winde verweht. Margaret Mitchell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Margaret Mitchell
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753197203
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Aktion, die sie mißbilligte, doch von Herzen gern beistehen wollte, befand sich im Nachteil. Die Damen Elsing, Merriwether und Whiting hatten rote Köpfe vor Entrüstung, aber die gesamte Landwehr stimmte einen begeisterten Hochruf an, in den alle andern Gäste in Uniform einfielen. Die jungen Mädchen klatschten in die Hände und liefen vor Aufregung umher.

      »Findest du nicht ... es ... es ist doch ein bißchen wie eine Sklavenauktion«, sagte Melanie leise und sah etwas unsicher zu dem unternehmungslustigen Doktor, der bisher in ihren Augen eine Autorität gewesen war, hinüber.

      Scarlett erwiderte nichts, aber ihre Augen glänzten, während sich ihr das Herz in leisem Schmerz zusammenzog. Wäre sie doch nur keine Witwe, wäre sie doch wieder Scarlett 0'Hara und dort auf dem Tanzboden in einem apfelgrünen Kleid mit dunkelgrünen Samtbändern, die ihr über die Brust herabhingen, und mit Tuberosen im schwarzen Haar - die Polonäse würde sie anführen und keine andere! Ein Dutzend Männer würden um sie kämpfen und einander bei Dr. Meade überbieten. Ach, daß sie hier sitzen mußte, ein Mauerblümchen wider Willen, und zusehen, wie Fanny oder Maybelle als Königin von Atlanta die Polonäse anführte!

      Über den Tumult erhob sich die Stimme des kleinen Zuaven mit seinem unverkennbar kreolischen Akzent: »Wenn's erlaubt ist, zwanzig Dollar für MißMaybelle Merriwet her!«

      Maybelle sank errötend an Fannys Schulter. Die beiden Mädchen bargen ihre Gesichter kichernd eins am Nacken des andern, während neue Stimmen neue Namen aufriefen und neue Summen nannten. Dr. Meade hatte seine Sicherheit wiedergewonnen und überhörte das entrüstete Geflüster in der Ecke der alten Damen. Zuerst hatte Mrs. Merriwether laut und energisch erklärt, daß ihre Maybelle sich an solchem Verfahren niemals beteiligen dürfe. Als aber Maybelles Name öfter und öfter genannt wurde und das Gebot bis zu fünfundsiebzig Dollar stieg, begann ihr Widerstand zu erlahmen.

      Scarlett stützte die Ellbogen auf das Auslagebrett und stierte in die aufgeregte, lachende Menge, die mit Händen voll konföderierten Papiergeldes das Podium umdrängte. Gleich durften sie alle tanzen, nur sie und die alten Damen nicht. Sie sah Rhett Butler in unmittelbarer Nähe des Doktors stehen. Er blickte sie an, und sein rechter Mundwinkel zog sich sacht herab und seine linke Augenbraue aufwärts. Mit einem Ruck warf sie das Kinn empor und wandte sich weg. Da hörte sie ihren eigenen Namen von einer Stimme gerufen, die sich laut über das Durcheinander all der Namen erhob, von einer allzubekannten Stimme: »Mrs. Charles Hamilton - hundertfünfzig Dollar in Gold!«

      Jäh verstummte die Menge, als eine solche Summe und als dieser Name genannt wurde. Scarlett war so erschrocken, daß sie kein Glied rühren konnte. Mit aufgestütztem Kinn blieb sie sitzen, die Augen vor Verwunderung ganz weit geöffnet. Alles drehte sich um und schaute sie an. Sie sah, wie sich der Doktor vom Podium herniederbeugte und dem Kapitän etwas ins 0hr sagte, wahrscheinlich, daß sie in Trauer sei und unmöglich auf dem Tanzboden erscheinen könne. Sie sah Rhett Butler lässig die Achsel zucken.

      »Vielleicht eine andere von unseren Schönen?« fragte der Doktor leise.

      »Nein«, sagte Rhett Butler mit deutlich vernehmbarer Stimme und ließ die Augen gleichgültig über die Menge schweifen. »Mrs. Hamilton.«

      »Ich sage Ihnen, das ist unmöglich«, sagte der Doktor aufgeregt, »Mrs. Hamilton wird nicht ...«

      Scarlett hörte eine Stimme, die sie zuerst gar nicht als ihre eigene erkannte: »Ja, ich tanze!«

      Sie sprang auf die Füße, das Herz hämmerte ihr so wild, daß sie glaubte umsinken zu müssen, hämmerte in dem Triumphgefühl, daß sie nun wieder der Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit, das begehrteste aller anwesenden Mädchen war, und, und, ach, vor allem in der Erwartung, wieder tanzen zu dürfen.

      »Ach, laß sie reden, was schert es mich!« flüsterte sie toll vor Aufregung vor sich hin. Zurückgeworfenen Hauptes kam sie aus ihrer Bude hervor, klapperte mit den Hacken wie mit Kastagnetten und öffnete mit einem Ruck den schwarzen Fächer, so weit es irgend ging. Einen flüchtigen Augenblick sah sie Melanies ungläubiges Gesicht, die Mienen der Chaperons, die enttäuschten Blicke der Mädchen, die begeisterte Zustimmung der Soldaten.

      Dann stand sie auf dem Tanzboden, und Rhett Butler kam ihr durch das Spalier der Menge, mit seinem widerwärtigen spöttischen Lächeln auf den Lippen, entgegen. Sie kehrte sich nicht daran. Es war ihr einerlei, wer er war, und wäre er Abe Lincoln selber; sie wollte tanzen, die Polonäse anfuhren wollte sie.

      Sie verneigte sich vor ihm bis auf die Erde und lächelte ihm funkelnd ins Gesicht. Er verbeugte sich, die eine Hand auf der gefältelten Hemdbrust. Levi, dem die Haare zu Berge standen, brüllte, um über den Augenblick hinwegzukommen, mit schallender Stimme. »Bitte zur Polonäse auffordern!«

      Und das 0rchester stimmte krachend den schneidigsten aller Polonäsenmärsche an, den »Dixi e«.

      »Wie können Sie sich unterstehen, mich so zu kompromittieren, Kapitän Butler?«

      »Aber meine liebe Mrs. Hamilton, Sie hatten so offensichtlich den Wunsch, kompromittiert zu werden.«

      »Wie konnten Sie vor aller Welt meinen Namen aufrufen?«

      »Sie hätten ja ablehnen können.«

      »Aber das konnte ich nicht, eine solche Summe in Gold - ich bin es unserer Sache schuldig. Lachen Sie nicht, alles schaut uns an.«

      »Das tun die Leute ohnehin. Versuchen Sie doch nicht, mir den Unsinn von >unserer Sache< aufzutischen. Sie wollten tanzen, und ich gab Ihnen die Gelegenheit. Dies sind die letzten Takte der Polonäse, nicht wahr?«

      »Ja. - Ich mußjetzt aufhören undmich setzen.« »Warum? Habe ich Ihnen auf den Fuß getreten?« »Nein, aber die Leute werden über mich reden.«

      »Macht Ihnen das wirklich - drinnen im Herzen - etwas aus? Es ist doch kein Verbrechen, nicht wahr? Warum wollen Sie den Walzer nicht mit mir tanzen?«

      »Wenn Mutter je ...«

      »Also immer noch an Mamas Schürzenband?«

      »Was für eine scheußliche Art Sie haben, bei Ihnen wird alle Tugend ...« »Tugend ist dumm. Kehren Sie sich wirklich an das, was die Leute

      reden?«

      »Nein, aber ... Gott sei Dank, da fängt der Walzer an.«

      »Zur Sache bitte! Haben Sie sich je daran gekehrt, was andere Frauen sagen?«

      »Wenn Sie es durchaus wissen wollen - nein! Heute abend ist es mir einerlei.«

      »Bravo! Endlich fangen Sie an, selber zu denken. Das ist der Anfang aller Weisheit.«

      »Ach, aber ...«

      »Wenn man erst soviel über Sie geredet hat wie über mich, dann wird Ihnen auch nicht mehr daran liegen. Denken Sie doch, in Charleston gibt es kein Haus mehr, in dem ich noch empfangen werde. Nicht einmal, was ich für die gerechte heilige Sache tue, löst den Bann.«

      »Wie schrecklich!«

      »Durchaus nicht. Ehe Sie nicht Ihren guten Ruf verloren haben, merken Sie gar nicht, was für ein Laster er ist.«

      »Was Sie sagen, ist unerhört!«

      »Unerhört und wahr. Immer vorausgesetzt, daß Sie Mut haben - oder Geld, kommen Sie auch ohne guten Ruf aus.«

      »Für Geld kann man nicht alles kaufen.«

      »Das muß Ihnen jemand gesagt haben. Auf solche Plattheit wären Sie nie von selbst verfallen. Was kann man denn nicht dafür kaufen?«

      »Nun, ich weiß nicht recht ... jedenfalls kein Glück und keine Liebe.« »Meistens doch. Mindestens kann man ansehnlichen Ersatz dafür

      kaufen.«

      »Haben Sie denn so viel Geld, Kapitän Butler?«

      »Was für eine ungehörige Frage, Mrs. Hamilton. Ich muß mich