Mo Morris und die Anti-CO2-Maschine. Benedict Dana. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Benedict Dana
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753190730
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zusammen mit den prall gefüllten Bücherregalen, die im hinteren Teil des Raumes bis zu der außergewöhnlich hohen, mit Stuckornamenten verzierten Decke reichten, das Bild eines altmodischen Salons, das Mortons etwas spleenigem Hang zur Kultur seiner englischen Vorväter geschuldet war. Blickte man durch die großen, bodenlangen Sprossenfenster in den üppig bepflanzten Garten hinaus, hätte man meinen können, in einem englischen Landhaus zu sein. Dabei befand sich das Haus natürlich wie immer in dem kleinen New Jersey-Städtchen Rutherford, das direkt vor den Toren der Mega-Metropole New York City lag.

      „Ich hoffe, dass dich dieser neue Auftrag nicht in einen Konflikt mit deiner Dozententätigkeit bringen wird. Ich finde es übrigens beachtlich, wie du beides bisher gemeistert hast. Die Verbindung zwischen Theorie und Praxis, wie sie sich durch deine Arbeit als Kriminologiedozent und Privatdetektiv ergibt, dürfte in dieser Form selten sein“, lobte sie ihn so freundlich, dass auch er eine Freundlichkeit als Antwort für passend hielt.

      „Ich hätte ja meinen Job an der Uni beinahe aufgegeben, wenn du mich nicht zum Bleiben überredet hättest. Ich bereue es nicht, weil sich das Seminar, das wir im letzten Semester zusammen hielten, als sehr inspirierend erwies!“

      Die Art, wie er ihre Zusammenarbeit herausstrich, löste ein Lächeln bei ihr aus, in dem die ganze Essenz ihrer langjährigen, kaum jemals offen eingestandenen Zuneigung enthalten zu sein schien. Diese Essenz war nicht in Worte zu fassen und fand in seinen Augen den besten und höchsten Ausdruck in eben diesem Lächeln. Wie es ihre Art war, konnte sie in seiner Anwesenheit keine verräterischen Anzeichen für Gefühle zulassen, weshalb ihr Lächeln schnell wieder verschwand und sie sich beeilte zu sagen:

      „Auf jeden Fall würden wir heute wohl nicht hier zusammen sitzen, wenn wir nicht beide von Hause aus Psychologen wären und aus dieser Richtung zur Kriminologie gefunden hätten. Aber wie du weißt, interessiert mich die reine Kriminalistik mit ihren eher technischen Aspekten nicht.

      Also worum geht es nun bei deinem neuen Fall? Der große Meisterdetektiv Morton Morris nimmt doch sicher nicht irgendeinen kleinen, läppischen Auftrag an! Ich kann mir kaum vorstellen, dass dich ein gewöhnlicher Auftrag nach deinen beiden letzten Fällen noch reizen könnte. Du wirst deine besonderen Gaben irgendwie zum Wohl der Menschheit einsetzen wollen, habe ich Recht?“

      Was unter anderen Umständen vielleicht etwas ironisch hätte klingen können, meinte sie in diesem Fall völlig ernst. Sein letzter Fall, der ihn nach Europa in den Hauptort der „UN Refugee Nation“ – einem Zusammenschluss autonomer, sich in verschiedenen Ländern befindender Flüchtlingsstaatgebiete der UN - geführt hatte, hätte kaum anspruchsvoller und spannender sein können.

      Er antwortete nicht sofort, da ihm in diesem Moment seine Pflichten als Gastgeber einfielen und er eilig durch eine kleine Durchgangstür verschwand, um ein Glas Mineralwasser für sie aus der Küche zu holen. Als er wiederkam, ließ er sich neben sie und Dr. Watson auf das Sofa plumpsen und wurde plötzlich etwas pathetisch.

      „Als ich letztes Jahr fast im Mittelmeer ertrunken wäre und dann von einem Schiff voller Bootsflüchtlinge aufgenommen wurde, hat das tief in mir etwas verändert. Erst haben die Afrikaner mich und meine Freunde gerettet und dann haben wir sie gerettet, indem wir durch unsere Beziehungen dafür gesorgt haben, dass sie mit Hilfe der UN in Norditalien bleiben konnten.

      In mir ist durch all das eine seltsame, schwer erklärliche Sehnsucht entstanden. Sie hat damit zu tun, dass Menschen über Familie und Freundschaft hinaus ein echtes und tiefes Interesse füreinander zeigen, dass sie sich gegenseitig helfen, über Grenzen hinweg miteinander kooperieren und dabei höhere Ziele vor Augen haben. Ich habe auf einer tieferen Ebene verstanden, wie viel es mit Liebe zu tun hat, gemeinsam für etwas zu kämpfen, dabei das eigene Ego und die persönliche Beschränktheit zu überwinden und Visionen zu teilen. Das ist etwas, was in dieser Welt fehlt und viel verändern würde!“

      „Was für hehre Worte am frühen Nachmittag! Bist du etwa unter die Moralisten und Weltverbesserer gegangen?“, spottete sie freundlich und streichelte zärtlich den Hund dabei, der zu ihr auf das Sofa gesprungen war und seinen Kopf vertraulich auf ihren Schoß gelegt hatte.

      „Ich sage dir das, weil ich dir ein Angebot machen will. Vielleicht könnten wir nicht nur manchmal an der Universität, sondern auch hier in der Detektei zusammenarbeiten. Dann können wir darin kooperieren, diese verrückte Welt ein kleines Stück besser zu machen!“

      „Ich bin Psychologiedozentin, keine Detektivin“, erwiderte sie mit einem geschmeichelten Lächeln. „Was sollte ich für dich schon tun können? Du kennst doch genug Leute, die dir helfen können. Was ist mit Tim Diamond und seinen Mitarbeitern Michael King und Betty Cadena? Existiert Diamond Investigations noch? Oder hat der alte Diamond sich inzwischen zur Ruhe gesetzt?“

      „Ein Kerl wie Diamond wird erst dann in den Ruhestand treten, wenn ihn eine Pistolenkugel genau zwischen die Augen trifft. Ein so penetranter, egomanischer Charakter wie er wird nicht freiwillig ans Aufhören denken und mich wahrscheinlich bis ans Ende meiner Tage mit seinem drallen Ego nerven. Diamond und King leben in einer völlig anderen Welt als ich. Das sind ein paar raue und ausgebuffte Burschen, die vor allem für die praktische Arbeit gut zu gebrauchen sind. Sie sind nicht die Richtigen, um die geistigen und psychologischen Dimensionen eines anspruchsvollen Falles auszuloten.“

      „Und was ist mit der Dritten im Bunde, Betty Cadena? Ist sie genauso ausgebufft? Oder besteht ihre Hauptaufgabe vor allem darin, umwerfend auszusehen und dir schöne Augen zu machen? Wie ist es, schläfst du mit ihr?“

      Tim Diamonds äußerst attraktive Mitarbeiterin und ehemalige Freundin Betty Cadena, mit der Morton seit ihrer ersten Zusammenarbeit ein mehr oder minder heimliches Verhältnis eingegangen war, war der wundeste Punkt, den Mary überhaupt nur anrühren konnte. Sie hatte sich noch nie getraut, derartig direkt auf ihn zu sprechen zu kommen. Offenbar ahnte sie nicht allzu viel von dem tiefen Konflikt, der sich aus seiner gleichzeitigen Schwäche für sie und Betty ergab.

      Der Zufall half ihm gnädig dabei, auf ihre delikate Frage keine Antwort geben zu müssen, da in diesem Moment die große Tür zum Salon aufsprang und seine Haushälterin Ruth Higgins eintrat. Obwohl die alte, im Ansatz etwas füllige, grau gelockte Dame, die in den warmen Jahreszeiten meistens in einem altmodisch geblümten Kleid steckte, mit den Jahren immer ein wenig indiskreter, unverschämter und neugieriger geworden war, mochte Morton sie immer mehr. Sie bildete mit ihrer unprätentiösen, häuslich-mütterlichen Art einen wichtigen und verlässlichen Gegenpol zu einer Welt, die sich in seinem Metier meistens als gefährlich und unberechenbar erwies.

      Als sie Mary sah, zauberte ihr das sofort ein erfreutes Lächeln in ihr breites und gutmütiges Gesicht. In ihren Augen war die kluge und „anständige“ Dozentin der allerbeste Umgang für „Mo“, da sich durch ihn die Aussicht ergab, dass vielleicht eines Tages sein unstetes Junggesellen- und Detektivdasein ein Ende im sicheren Hafen der Ehe fand. Betty Cadena hingegen, die sie hinter vorgehaltener Hand schon als „Früchtchen“ und „Luder“ bezeichnet hatte, war für sie der Inbegriff eines unbürgerlichen, unbeständigen und zweifelhaften Lebenswandels, der Morton zu sehr mit der gefährlichen Welt des Verbrechens und der freien Detektive verband. Genauso missfiel ihr natürlich auch sein nicht abbrechender Kontakt zu seinem alten Bekannten und Rivalen Tim Diamond, der zwar in der einschlägigen Szene als lebende Legende galt, aber ansonsten einen ziemlich schlechten Ruf besaß. Die Methoden, mit denen er Verbrechen aufklärte, hatten ihn angeblich manchmal selbst zu einem Kriminellen gemacht.

      „Haben Sie Dr. Kelly schon etwas angeboten, Morton? Darf ich Ihnen beiden irgendetwas bringen?“, legte sie in Anwesenheit der Besucherin eine höflich-servile Art an den Tag, obwohl sie sonst meist deutlich selbstbewusster auftrat. Dass sie Morton mittlerweile beim Vornamen nannte, hatte ihn lange Überredungskunst gekostet; das untertänige „Dr. Morris“ hatte mit der Zeit so altmodisch und antiquiert gewirkt, wie die gesamte Einrichtung des Salons. Überhaupt hätte man die 15 Jahre ältere Mrs. Higgins wegen ihrer biederen Art nicht nur für seine Mutter, sondern manchmal geradezu für seine Großmutter halten können.

      „Dr. Kelly bleibt noch etwas hier, um etwas Berufliches zu besprechen. Bringen Sie ihr doch eine Tasse Tee“, bat er und rückte dann unverhohlen mit der Wahrheit heraus,