Der Krieg der Welten. H. G. Wells. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: H. G. Wells
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753196732
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sich, wie man später hörte, in die Dunkelheit hinaus und krochen ganz nahe an die Marsleute heran, aber sie kehrten nie wieder zurück; denn von Zeit zu Zeit strich ein Lichtstrahl wie der Scheinwerfer eines Kriegsschiffes über die Weide, und der Hitzestrahl folgte unmittelbar darauf. Von diesen Unterbrechungen abgesehen schien jene große Fläche schweigend und verlassen; und die verkohlten Leichname lagen hier die ganze Nacht unter den Sternen und blieben dort den ganzen nächsten Tag. Ein hämmerndes Geräusch aus dem Krater wurde von vielen Leuten gehört.

      Das war der Stand der Dinge Freitagnacht. Im Mittelpunkt der Zylinder, der in der Rinde unseres alten Planeten wie ein vergifteter Wurfspeer steckte. Doch das Gift war bisher kaum wirksam. In der übrigen Welt floss der Strom des Lebens weiter wie schon seit undenklichen Jahren. Das Fieber des Krieges, das in kurzem das Blut in den Adern gerinnen lassen, Nerven erröten und das Hirn zerstören sollte, musste erst aufkommen.

      Eine ganze, schlaflose Nacht hindurch hämmerten die Marsleute offenbar unermüdlich an Maschinen, die sie instand setzten. Immer wieder fuhr eine Masse grünlichweißen Rauches zum sternenhellen Himmel auf.

      Ungefähr gegen elf Uhr kam ein Zug Soldaten durch Horsell und verteilte sich am Rand der Weide, um eine Kette zu bilden. Später marschierte ein zweiter Zug durch Chobham, um sich auf der Nordseite zu verteilen. Einige Offiziere von der Inkerman-Kaserne waren schon früh am Morgen bei der Weide angekommen, und einer, Major Eden, wurde als vermisst gemeldet. Der Oberst des Regiments kam um Mitternacht zur Brücke von Chobham und fragte die Menge eifrig aus. Die militärischen Behörden waren sich des Ernstes der Lage zweifellos vollkommen bewusst. Am nächsten Morgen konnten die Zeitungen vermelden, dass um elf Uhr eine Schwadron Husaren, zwei Maximgeschütze und rund vierhundert Mann des Cardigan-Regiments von Aldershot aufbrachen.

      Einige Sekunden nach Mitternacht sah die Menge in der Chertsey Road in Woking einen Stern in nordwestlicher Richtung in den Fichtenhain einfallen. Er fiel unter grünlichen Lichterscheinungen und blendete wie ein Blitz im Sommer. Dies war der zweite Zylinder.

      9. Der Kampf beginnt

      Der Samstag verbleibt in meiner Erinnerung als ein Tag Gnadenfrist. Er war auch ein Tag der Abspannung, heiß und schwül; wie man mir mitteilte, wechselte das Barometer unaufhörlich. Meiner Frau gelang es, bald einzuschlafen; ich jedoch hatte nur wenig Schlaf gefunden und stand schon früh auf. Vor dem Frühstück ging ich in den Garten und blieb dort lauschend stehen. Aber in der Richtung gegen die Weide regte sich nichts als eine Lerche.

      Der Milchmann kam wie gewohnt. Ich hörte das Rasseln seines Karrens und ging ums Haus herum zur Seitenpforte, um mir von ihm die letzten Neuigkeiten anzuhören. Er erzählte mir, dass im Laufe der Nacht die Marsleute von den Truppen umzingelt wurden und dass man die Geschütze erwarte. Ich hörte (ein vertrautes, beruhigendes Geräusch!) einen Zug nach Woking fahren.

      »Man will sie nicht töten«, sagte der Milchmann, »wenn man es nur irgendwie vermeiden kann.«

      Ich sah einen Nachbarn in seinem Garten arbeiten, unterhielt mich eine Weile mit ihm und schlenderte langsam ins Haus zurück, um zu frühstücken. Es war ein ganz normaler Morgen. Mein Nachbar war der Ansicht, dass es den Truppen gelingen würde, die Marsleute während des Tages entweder gefangen zu nehmen oder zu vernichten.

      »Es ist wirklich bedauerlich, dass sie sich so unzugänglich machen«, sagte er. »Es wäre doch interessant zu erfahren, wie man auf einem anderen Planeten lebt; und wir könnten das eine oder andere von ihnen lernen.«

      Er kam an den Zaun heran und hielt mir eine Hand voll Erdbeeren hin; denn er gärtnerte ebenso freigebig wie leidenschaftlich. Währenddessen teilte er mir mit, dass das Fichtengehölz bei den Byfleet Golf Links in Flammen stehe.

      »Man sagt«, erzählte er, »dass dort noch so ein verdammtes Ding eingefallen sei Nummer zwei. Aber eines ist wirklich genug. Diese Bescherung wird die Versicherungsleute ein schönes Stück Geld kosten, bis alles wieder in Ordnung ist.«

      Er lachte mit der Miene eines überaus gutgelaunten Mannes, als er das sagte. Das Gehölz, erzählte er weiter, brenne noch immer, und er zeigte mir eine dunstige Rauchwolke. »Sie werden es noch tagelang heiß unter den Füßen spüren wegen des Torfes und der dichten Schicht glühender Fichtennadeln«, sagte er. Dann wurde er ernst und sprach von dem armen Ogilvy.

      Nach dem Frühstück entschloss ich mich, statt zu arbeiten, einen Gang zur Weide zu machen. Unter der Eisenbahnbrücke traf ich eine Gruppe von Soldaten Pioniere, wie ich glaube, Leute mit kleinen runden Mützen, schmutzigen offenen roten Jacken, unter denen man ihre blauen Hemden sah, in dunklen Hosen und Stiefeln, die bis zur Wade reichten. Sie sagten mir, dass niemand über den Kanal dürfe; und als ich meine Blicke die Straße entlang auf die Brücke richtete, sah ich dort einen Mann des Cardigan-Regiments Wache schieben. Mit diesen Soldaten unterhielt ich mich eine Zeitlang; ich erzählte ihnen von meiner Begegnung mit den Marsleuten am vorigen Abend. Keiner von ihnen hatte die Marsleute gesehen, und sie hatten nur ganz unklare Vorstellungen von ihnen. So bestürmten sie mich mit Fragen. Sie sagten, dass sie nicht wussten, wer das Eingreifen der Truppen veranlasst hätte; sie vermuteten, dass bei der berittenen Garde eine Auseinandersetzung stattgefunden habe. Der gewöhnliche Pionier ist bei weitem gebildeter als der gemeine Soldat, und sie besprachen die sonderbaren Bedingungen des voraussichtlichen Kampfes mit ziemlich viel Scharfsinn. Ich schilderte ihnen den Hitzestrahl, und sie fingen an, sich darüber zu streiten.

      »Sich unter Bedeckung herankriechen und dann erst auf sie losstürzen, sage ich«, meinte einer.

      »Hör auf!« wandte ein anderer ein, »wozu denn eine Bedeckung bei dieser Hitze? Höchstens um dich besser zu braten. Nein, wir müssen so nahe heranrücken, wie das Terrain es erlaubt, und dann einen Graben ziehen.«

      »Zum Kuckuck mit deinen Gräben! Du brauchst immer Gräben. Du hättest als Kaninchen zur Welt kommen sollen, Snippy.«

      »Haben sie also wirklich keinen Nacken?« fragte mich plötzlich ein dritter, ein kleiner dunkler nachdenklicher Mann, der eine Pfeife rauchte.

      Ich wiederholte meine Beschreibung.

      »Oktopoden«, sagte er, »sind das für mich. Da spricht man von Menschenfischern diesmal heißt es Fische bekämpfen!«

      »Es ist kein Mord, solche Bestien zu töten«, sagte der erste Sprecher.

      »Warum diese verfluchten Dinger nicht zusammenschießen und ein Ende mit ihnen machen?« meinte der kleine Dunkelhaarige. »Ihr könnt nicht wissen, was sie sonst noch alles anstellen.«

      »Wo sind denn deine Bomben?« höhnte der erste. »Dazu ist nicht mehr Zeit. Macht einen Überfall, das ist mein Plan, und macht ihn sofort.«

      In dieser Weise besprachen sie den Fall. Nach einer Weile verließ ich sie und ging zum Bahnhof, um mir so viel Morgenzeitungen wie möglich zu beschaffen.

      Doch will ich den Leser mit einer Beschreibung dieses langen Morgens und des noch längeren Nachmittags nicht ermüden. Es glückte mir nicht, auch nur einen Blick auf die Weide zu werfen, denn selbst die Kirchtürme von Horsell und Chobham waren in den Händen des Militärs. Die Soldaten, an die ich mich wendete, wussten nicht das Geringste. Die Offiziere waren ebenso geheimnisvoll wie geschäftig. Die Leute in der Stadt fühlten sich vollkommen sicher bei der Anwesenheit des Militärs, so meinte ich. Damals erst hörte ich von Marshall, dem Tabakskrämer, dass sich sein Sohn unter den Toten auf der Weide befand. Die Bewohner am Rand von Horsell waren von den Soldaten genötigt worden, ihre Häuser abzuschließen und zu verlassen.

      Sehr müde kehrte ich ungefähr gegen zwei Uhr zum Mittagessen nach Hause zurück, denn, wie schon erwähnt, war der Tag drückend heiß; und um mich etwas zu erfrischen, nahm ich nachmittags ein kaltes Bad. Um halb fünf ging ich zum Bahnhof, um mir eine Abendzeitung zu kaufen, denn die Morgenblätter hatten nur sehr dürftige Berichte vom Tode Stents, Hendersons, Ogilvys und der andern enthalten. Auch sonst stand wenig darin, das ich nicht schon wusste. Die Marsleute ließen nicht einen Zoll von sich sehen. Sie schienen in ihrer Grube sehr geschäftig zu sein; man vernahm ein unausgesetztes Hämmern und sah ständig Rauchsäulen aufsteigen. Sie waren offensichtlich beschäftigt,