Il Vesuvio - Die Ehrenwerte Gesellschaft. Renate Zawrel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Renate Zawrel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745031539
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Punkt genau.

      Der Lord nickte beifällig. Frederic würde die Besucher zu ihm in den Salon führen.

      ***

      Graham war nicht ungeschickt in Verhandlungsdingen. Er hatte sich vor dem Treffen über Sir Lindsays Gewohnheiten informiert, wusste über dessen Pünktlichkeitswahn ebenso Bescheid wie über dessen Faible für französische Namen oder das Festhalten an englischer Kultur.

      Natürlich war ihm ebenfalls bewusst, dass es nicht das Geld für die Miete war, das den Lord reizte, sein Anwesen als Kulisse zur Verfügung zu stellen, denn davon hatte er genug. Sir Edward war ein Börsenprofi und schien schon Tage vorher zu wissen, ob die Aktienkurse zu steigen oder zu fallen beliebten. Ronald Graham rechnete daher mit einem äußerst vitalen Menschen, der, wie man ihm gesagt hatte, noch immer gern Golf spielte, in seinem Pool einige Längen schwamm und häufig über seinen Besitz joggte. Es würde also Geschick erfordern, die Verhandlungen gut über die Runden zu bringen.

      Als der Butler die Besucher ankündigte, erhob sich Sir Lindsay aus seinem ledernen Arbeitsstuhl.

      Frederic verneigte sich andeutungsweise. »Sir, die Herren wären nun da – Mister Graham, Mister Mortimer und Mister Landmann.« Dann wandte er sich an die Besucher und deutete mit einer leichten Handbewegung auf die Erscheinung im tadellos sitzenden Nadelstreifanzug. »Meine Herren, Sir Edward Lindsay.«

      »Danke, Frederic. Ich werde Sie rufen lassen, sobald wir Wünsche haben.«

      Als Frederic den Raum verlassen hatte, musterte Sir Edward seine Gäste aufmerksam. Malcolm Mortimer jun. kannte er – nicht nur aus Filmen, sondern auch als Sohn des berühmten Malcolm Mortimer sen. Der etwas untersetzte Mann mit den rötlichen Haaren musste nach seinem Dafürhalten somit der Amerikaner Ronald Graham sein. Blieb noch der gutaussehende Mann mit dem dunklen Haar, der auch der jüngste war – Karl Landmann, der Neuseeländer.

      Der Lord begrüßte zuerst den Regisseur: »Mister Graham, es freut mich, dass Sie den Weg hierher gefunden haben.«

      Dann reichte er Malcolm Mortimer jun. die Hand. Lag Zögern in dem Tun des Lords? Jedenfalls war der Klang seiner Stimme ein anderer als zuvor. »Unverkennbar der Sohn seines Vaters. Malcolm Mortimer, wenn ich nicht irre?«

      »Respekt! Sie sind gut im Raten!«, erwiderte der Schauspieler in arrogantem Ton. Schließlich war er ein ›Star‹, man kannte ihn daher. Warum also nicht auch der Lord?

      Nun, Mortimer hatte die Rechnung ohne Sir Edward gemacht. ›Unsympathisch‹ war der Eindruck, den er von dem Mann gewann, und deshalb kühl bemerkte: »Ich bezog die Unverkennbarkeit ausschließlich auf das Aussehen. Ihr Vater strahlte wesentlich mehr Sympathie aus.« Und ehe Mortimer darauf etwas zu antworten wusste, war Sir Edward schon bei seinem dritten Gast angelangt.

      Warum auch immer, dessen Hand hielt er länger in der seinen. »Sie kommen also aus Neuseeland, Mister Landmann? Bisher habe ich es nicht gewagt, so weit zu fliegen. Vielleicht finden Sie ja gelegentlich Zeit, mir etwas über Land und Leute zu erzählen.«

      »Gern, Sir, doch werden Worte der Schönheit meines Landes nicht gerecht werden«, erwiderte Landmann freundlich.

      Sir Edward lächelte. »Nun, einiges davon habe ich ja gesehen, als ich mir die Teile der großartigen Tolkien-Verfilmung ›Herr der Ringe‹ ansah.«

      Landmann lächelte in sich hinein. Ein Lord und eine Fantasy-Saga? Damit hätte er nicht gerechnet.

      Die Förmlichkeiten der Begrüßung waren abgeschlossen.

      »Bitte, meine Herren, nehmen Sie Platz.« Sir Edward wies mit einer einladenden Handbewegung auf die mit edlen Stoffen bezogenen Hochlehner an einem Tisch mit bräunlich marmorierter Platte.

      Nachdem die Männer sich gesetzt hatten, erkundigte der Lord sich, ob er ihnen etwas zu trinken anbieten dürfe: »Trinken die Herren Kaffee, Tee, Wein?«

      Mortimer und Graham entschieden sich für Wein, während Landmann um Kaffee bat. Sir Edward zog an dem breiten Band, das neben der Tür zum Salon von der Decke hing. Dann setzte er sich auf den freien Stuhl an der Schmalseite des Tisches.

      Geräuschlos öffnete sich die schwere Türe mit der Lederpolsterung.

      »Sir, Sie haben geläutet?«, fragte eine Frau, deren Alter schlecht zu schätzen war. Sie trug ein dezentes, schwarzes Kleid mit weißem Schürzchen. Das dunkelblonde Haar war einem Zopf geflochten und aufgesteckt. Dezentes Make-up unterstrich die aristokratisch wirkenden Gesichtszüge der Frau.

      »Marie, bitte bringen Sie uns zwei Gläser und Rotwein; für Mister Landmann und mich Kaffee. Bitte tragen Sie auch etwas süßes Gebäck auf«, bat der Lord.

      »Sofort, Sir.« Die Frau lächelte freundlich und verschwand.

      Bald darauf wurde der Wein von Frederic kredenzt, denn das war Männersache.

      Marie stellte die Kaffee-Gedecke vor Landmann und den Lord, dazu Schalen mit Milch und Zucker und goss den aromatisch duftenden Kaffee ein. Vom Servierwagen holte sie darauf noch ein Silbertablett mit verführerisch duftenden petit fours.

      Die Augen des Lords begannen in Erwartung des kulinarischen Genusses zu leuchten. »Ihr Werk, Marie?«, fragte er. Er wusste, sie war eine Perle. Nur dass die Perlen meist altgediente Hausdamen waren, also keinesfalls vergleichbar mit dieser attraktiven jungen Frau.

      »Ja, Sir, mein Werk. Ich hoffe, es trifft Ihren Geschmack«, antwortete Marie bescheiden. Gemeinsam mit Frederic verließ sie den Salon. Die Blicke der Männer folgten ihr und zwar mit sehr unterschiedlichem Interesse …

      »Greifen Sie zu, meine Herren«, forderte der Lord auf. »Es sind echte Köstlichkeiten.« Niemand ließ sich ein zweites Mal bitten.

      Und dann leitete Lindsay endlich die eigentliche Unterhaltung ein. »Lassen Sie uns über das Geschäft sprechen. Deshalb sind Sie ja gekommen.«

      Ronald Graham zog eine Mappe aus dem Aktenkoffer und legte sie vor sich auf den Tisch. Er räusperte sich ein wenig nervös, ehe er seine einstudierte Rede hielt.

      »Verehrter Sir Lindsay, ich habe Ihnen ja schon einige Details am Telefon erläutert. In diesen Aufzeichnungen hier finden Sie eine ausführliche schriftliche Darstellung unserer Vorhaben, für die wir Ihr Landgut in Anspruch nehmen möchten, ebenso eine Auflistung der finanziellen Entschädigungen und Gewährleistungen, die wir anbieten, nicht zuletzt auch den Vertragsentwurf. Wenn Sie, bitte, einen Blick hineinwerfen wollen.«

      Er reichte dem Lord die Mappe. Der legte sie beiseite, versprach jedoch: »Ich werde die Unterlagen durch meinen Rechtsanwalt prüfen lassen, Mister Graham. Erzählen Sie mir lieber mit eigenen Worten ein wenig über den Film. So kann ich mir ein viel besseres Bild machen.«

      Graham räusperte sich erneut. »Wie bereits am Telefon angedeutet: Es wird ein Film über die italienische Mafia, speziell über die Camorra, die ja hier zu Hause ist. Mister Mortimer wird einen Staatsanwalt spielen, der die unehrenhaften Hintermänner eines Padrone überführen und schließlich deren Machenschaften durchkreuzen soll. Mister Pitts, der erst zu Drehbeginn anreisen kann, wird die Rolle eines Spitzels übernehmen und Mister Landmann die Rolle der ›rechten Hand‹ des Padrone.

      Der Padrone selbst wird nur selten in Erscheinung treten und von einem italienischen Schauspieler dargestellt werden. Für Statistenrollen plane ich die Mithilfe der Bevölkerung ein. Allerdings scheitert eine Kontaktaufnahme im Moment noch an fehlenden Verständigungsmöglichkeiten, beziehungsweise möchte ich Ihrer Entscheidung nicht vorgreifen und …«

      Der Lord hob leicht die Hand. »Verzeihen Sie, Mister Graham, wenn ich Ihren Überschwang dämpfe. Sie werden hier kaum Leute finden, die in einem Film über die Mafia als Statisten auftreten möchten. Das ist – wie ich das infolge der vielen Jahre, die ich hier lebe, beurteilen kann – ein sehr gefährliches Thema. Niemand will über diese Dinge sprechen.

      Offiziell gibt es keine Mafia, man spricht allerhöchstens von der famiglia. Die Carabinieri haben das Verbrechen angeblich im Griff. Überfälle, die hier geschehen, sind eben Überfälle, wie sie sich überall