Fürstin des Lichts. Daniela Zörner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Daniela Zörner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750229327
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Leiche und ihr verzweifelter Henker warten“, las Katja aus dem Tagespensum vor. Der brutale Vater malträtierte seinen sensiblen Sohn solange, bis der ihm vergangene Nacht an die Gurgel gegangen war. Inzwischen bereute der Junge seine Tat und überlegte, auf welche Weise er sich selbst dafür mit dem Tod bestrafen könnte.

      Gedankenverloren aus dem Fenster in den Schneegriesel schauend, hing mir der Winter zum Hals heraus. Jedes Mal, wenn wir im Auto zu Einsätzen jagten, schlitterten wir dermaßen durch die Kurven, egal ob vereist oder zu dick bestreut, dass mir schlecht wurde. Inzwischen konnte ich die elbische Abneigung gegen den Winter vollkommen nachvollziehen.

      Erst drei Wochen später jettete ich über London nach Inverness, in die schottischen Highlands. Mit einem dieser urigen englischen Taxis gelangte ich nach stundenlanger Fahrt zu dem jahrhundertealten Castle. Es lag gut verborgen in einem langgestreckten, von Wald umgebenen Tal.

      Während ich das schmiedeeiserne Tor durchschritt, spürte ich einen Wall aus Schutzmagie. „Seltsam, hier müssen noch uralte elbische Kräfte wirken.“ Aufkeimende Unruhe veranlasste mich, aufmerksamer hinzuschauen. Verwahrlost wirkte der Park keinesfalls, den ordentlichen Kiesweg säumten kunstvoll gestutzte Koniferen. „Ob hier noch Menschen leben?“

      So nahe wie möglich pirschte ich mich an das trutzige Gemäuer heran. Es sah exakt so aus wie in der kurzen Vision, die ich Silvester hatte.

      Ausgerechnet als ich das Amulett aufrief, öffnete sich die riesige Eichentür des Haupteingangs.

      „Was wollen …?“

      Unsere Augen prallten aufeinander, unsere Körper wichen reflexartig zurück. Allein mein Herz tat ein paar wilde Glückshüpfer.

      „Hier war er also! Diese Sternelben! Hatten sie gehofft, wir würden einander nicht begegnen?“

      Der schottische Halbelb fasste sich zuerst und schnauzte: „Was wollen Sie hier?“

      Wie charmant. „Ich stehle das Elbenamulett.“

      Er lachte hart. „Das können Sie sich abschminken.“

      „Männer!“ Das runde, mit Rubinen besetzte Amulett hoch ins Licht haltend, bekundete ich: „Eine Tasse Tee käme jetzt goldrichtig.“

      Wortlos drehte sich der Mann um, unaufgefordert heftete ich mich an seine Fersen.

      Zu seinem Rücken sagte ich: „Mein Name ist Lilia. Und wie heißt du?“

      Ohne stehen zu bleiben, geschweige denn sich umzudrehen, knurrte er: „Alexis Albin, Lord of Lightninghouse.”

      „Komische Kombination“, fuhr es mir durch den Kopf. „Alexis stammt aus dem Griechischen und bedeutet ‚der Abwehrende‘. Albin dagegen ist Althochdeutsch und bedeutet ‚Elbenfreund‘.“ Der Lord musste tiefsinnige Eltern gehabt haben. Oder aber die Lichtwesen steckten dahinter.

      „Was willst du mit dem Amulett?“, unterbrach der Lord meine flirrenden Gedanken und stieß dabei die Tür zu einer Wohnhalle auf.

      Ich folgte seiner übertrieben einladenden Geste hinein. „Brrrh, soll das hier sein Wohnzimmer darstellen? Wieviele Jahrhunderte alt ist das gruftig-gammelige Zeugs darin?“

      Das vernehmliche Räuspern des Lords erinnerte mich an seine gestellte Frage.

      Also hockte ich mich vorsichtig auf eine Sesselkante und erklärte ihm mein Vorhaben.

      Daraufhin lachte er nur wieder grimmig, wobei er mir kein einziges Wort zu glauben schien. „Da haben die Elben ja eine willige Dienerin aufgetan.“

      „Na super, so ein sarkastischer Knochen gleich bei der ersten Misch-Zusammenkunft. Okay, mal wieder vorher das Denken vergessen.“ Laut wollte ich wissen: „Und womit vertreibst du dir so die Zeit hier draußen?“

      „Das Übliche, Dämonenjagd“, log Alexis mit lauerndem Blick.

      Ganz offensichtlich traute er mir keine Liveanalyse seines Hartschädels zu. Lässig schlug ich die Beine übereinander. „Und, wie steht’s damit?“

      „Ab und an sickert einer über den Schiffsverkehr ein.“

      „Na, absolut überschaubar. Wenn dich die Langeweile quält, komm nach Berlin. Da spuken noch einige Hundert mitsamt ihrem Oberboss herum.“

      „Ha, kalt erwischt!“ Seine rechte Augenbraue ging in die Steilkurve, bevor er sie zur Aufrechterhaltung seines arroganten Faltengesichts kontrollieren konnte. Dieser hochgewachsene etwa Fünfzigjährige besaß mehr Dunkles an sich, als bei einem Mischwesen vorstellbar war. Seine langen schwarzen Haare, schwarze Augenbrauen, eher dunkler Teint und die im düsteren Licht seiner Wohnhalle beinahe schwarz wirkenden Augen. Und nicht zu vergessen, er trug ausgerechnet schwarze Klamotten.

      Wahrscheinlich hatte ich Mylord angestarrt, so dass er unvermittelt bemerkte: „Du bist reichlich neugierig.“

      In meinem Kopf erfand ich dafür die Bezeichnung „unflätiger Tadel“. Laut konterte ich: „Magie allein macht wohl kaum glücklich.“ Mein Alter Ego befand: „Seltsamer Satz, irgendwie schräg.“

      Nun sollte ich aber schleunigst aufbrechen. Die Lichtzeit erwies sich wegen des ungeplanten Smalltalks als denkbar knapp. „Wäre es zu viel verlangt, darum zu bitten, mich zum Flughafen zu fahren?“

      Immerhin verstand er, wo mein dämonisches Problem lag.

      Unterwegs, und zwar in einem Oldtimer namens Morris Roadster, lud ich den Lord nach Berlin ein.

      Zwar fühlte er sich geschmeichelt, lehnte jedoch ab. „Mein Platz ist in Schottland.“

      „Wieso sind immer alle dermaßen unflexibel?“ Aus reinem Bauchgefühl heraus fasste ich einen Entschluss. „Hier, behalte das Amulett für den Notfall.“

      „Damit lässt sich rein gar nichts anfangen, nimm es ruhig mit.“

      Mit beiden Händen zog ich mein Gegenstück unter dem Pullover hervor und hielt es ihm seitlich hin. „Jetzt klar? Die Elbe Elin schenkte es mir.“

      Beinahe wäre sein Wagen schlingernd im Straßengraben gelandet. Und das ohne Sicherheitsgurte. Erschrocken klammerte ich mich an das Armaturenbrett.

      „Du … Nenne mir deinen vollständigen Namen“, presste er zwischen den Zähnen hervor.

      „Lilia Joerdis van Luzien.“

      Kein weiteres Wort fand den Weg über seine Lippen, sein Gesicht glich einer Totenmaske. Seine Hände krallten sich weiß um das Lenkrad.

      Erst am Flughafen sprach Mylord düstere Abschiedsworte. „Lerne, so schnell du kannst.“

      Mit diesen dürren fünf Worten ängstigte mich Alexis zu Tode.

      Daheim angekommen, war ich dermaßen eingeschüchtert, dass ich vergaß, die Sternelben wegen Alexis in den Senkel zu stellen. Präzise gesagt, tauschten wir keine einzige Silbe miteinander aus.

      Weil die letzte vernünftige Mahlzeit in Form von Frühstück 16 Stunden zurücklag, reihten sich trotz fortgeschrittener Abendstunde vor mir auf dem Küchentisch kleine griechische Köstlichkeiten aneinander. Doch mein Magen machte rücksichtslos den Eingang dicht. „Ich bin noch immer die Dümmste von allen, korrekt?!“ Vor die Füße geworfene Brocken aus Warnungen, Ermahnungen und Andeutungen, davon konnte niemand klug werden. Und dann dämmerte mir etwas richtig Schlimmes: Im vergangenen Jahr bat ich doch die Sternelben, den überflüssigen Teil meiner Furcht zu bannen. „Wie ist es möglich, durch den Lord dennoch solch schreckliche Angst zu empfinden?“ Das konnte nur eins bedeuten: Diese Angst war richtig und wichtig!

      Mit aufflammendem Zorn strebte ich zu meinem Auto. Eine Kirchturmuhr sandte zwei helle Schläge für halb Zwölf über das schläfrige Stadtviertel.

      Noch bevor ich den Wagen auf dem Parkplatz von Santa Christiana überhaupt