Marionette des Teufels. Dagmar Isabell Schmidbauer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dagmar Isabell Schmidbauer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737561884
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nachgesehen, ob jemand draußen stand, denn er hatte eine tiefe Stimme und sprach nicht gerade leise. Bestimmt konnte man ihr Gespräch draußen mithören.

      „Na ja, das ist ganz unterschiedlich. Jeder so, wie er es mag.“ Dann beugte sie sich ein bisschen zu ihm hinüber und fügte hinzu. „Nicht, dass Sie glauben, hier gebe es doppelte Spiegel oder Kameras oder so. Aber ich habe tatsächlich erst kürzlich bei einer solchen Inszenierung zugesehen.“

      „Ach!“ Sein Ohr war jetzt ganz nah bei ihren Lippen – sie hätte sogar flüstern können und er hätte es noch gehört.

      Eigentlich war es schön, dass er so interessiert war und sie so ernst nahm. Denn seit Tagen suchte sie jemanden, dem sie von ihrem Erlebnis erzählen konnte. Es hatte sie tief berührt, aber sie hatte einfach nicht die richtigen Freunde, um sich darüber auszusprechen. Am Ende würden sie ihr gar nicht glauben. Warum sie ausgerechnet diesem Mann vertraute, wusste sie selbst nicht.

      „Die Tür war nur angelehnt, da konnte ich gar nicht anders“, begann sie und entschuldigte sich gleich für ihre Neugierde. Der Mann neben ihr nickte und blickte dabei gebannt auf seine Schuhspitzen. Es war gut, dass er sie nicht ansah, da erzählte es sich leichter.

      „Was sie vorher getan haben, weiß ich natürlich nicht, aber als ich hineinschaute, lag der Mann in einem der Betten, die mit schwarzer Satinwäsche bezogen sind. Eines der Mädchen war bei ihm, fuhr ihm über die Haare und sagte: Aufstehen! Zeit für deine Lektion! Er setzte sich verschlafen auf und rieb sich die Augen. Dabei trug er einen Pyjama, der mit großen Teddybären bedruckt war. Die Statur des Mannes war gewaltig und, na ja, er war auch nicht mehr ganz jung und auch nicht ganz schlank. Es sah ein wenig grotesk aus. Das war wohl auch der Grund, warum ich nicht einfach weitergegangen bin. Nachdem er aus seinem Scheinschlaf erwacht war, kniete das Mädchen vor ihm nieder und knöpfte ihm erst die Pyjamajacke und dann die Hose auf und holte seinen …, Sie wissen schon was heraus.“

      Die junge Frau sah ihren Zuhörer an und der nickte, noch immer in den Anblick seiner Schuhe versunken. „Auf einmal begann sie mit ihm zu schimpfen, sagte streng: Hab ich dir nicht gesagt, dass du mehr an dir arbeiten musst, was soll ich mit so einem schlappen Kerlchen anfangen? Los, steh auf! Und er stand gehorsam auf und sie zog ihm den Pyjama aus und führte ihn zu einem Balken mitten im Zimmer.“

      Sie hatte ihrer Stimme den Tonfall des Mädchens gegeben, und als ihr auffiel, wie enthusiastisch das wirken musste, hielt sie irritiert inne.

      „Sie erzählen sehr anschaulich“, sagte er und sah sie kurz an. Sein Blick verriet seine Begeisterung. „Erzählen Sie weiter!“

      Sie räusperte sich und suchte den Anschluss.

      „Dort band sie ihn mit den Armen über dem Kopf und an den Beinen so fest, dass er ihr ausgeliefert war. Dann ging sie zu einem Tischchen und malte in aller Ruhe ihre Lippen in einem leuchtenden Rot aus. Er sah ihr dabei genau zu und sie lächelte ihn verführerisch an, während sie wieder und wieder ihre Lippen übermalte. Gefällt dir das Rot?, fragte sie, und er nickte schüchtern. Als sie kurz darauf wieder vor ihm kniete, war ihre Stimme nicht mehr so streng, aber sie ermahnte ihn trotzdem immer weiter. Du musst jeden Tag an ihm arbeiten! Versprichst du mir das? Jeden Tag. Und dann nahm sie ihn in ihre Hände und erklärte und zeigte ihm, was er machen sollte, wenn er übte. Und während sie noch redete, wurde er tatsächlich immer größer und sie schien langsam richtig zufrieden mit ihm zu sein, denn auf einmal öffnete sie ihren Mund und redete nicht mehr, sondern …, na ja, sie hatte ihn sich ja extra so schön angemalt.“ Ihr Zuhörer war ganz unruhig geworden, denn sie musste ihm gar nicht erst sagen, was das Mädchen mit dem wehrlosen Mann machte. Er wusste es längst und er musste sich sehr beherrschen, um sich das Ganze nicht allzu bildlich vorzustellen.

      „Glauben Sie, dass er seine Lektion gelernt hat?“, fragte er und sah sie verschmitzt an. Er wusste, dass ihr klar war, wie es jetzt in ihm brodelte.

      „Ich weiß es nicht. Ich habe die Tür geschlossen, weil jemand den Flur entlang kam“, behauptete sie, um seiner Frage auszuweichen.

      „Kam er wieder?“

      „Warum wollen Sie das wissen?“, fragte Sibylle überrascht zurück.

      „Wäre doch interessant zu erfahren, was er sich beim nächsten Mal gewünscht hat. Er hat es sich doch gewünscht, oder?“

      „Ich weiß es nicht“, antwortete sie unsicher und dachte daran, wie es für ihn ausgegangen war. „Vielleicht nicht so.“

      „Wie meinen Sie das?“

      „Na ja, ich weiß ja nicht, ob die Männer wirklich ein Drehbuch schreiben oder ob sie das nur kurz mit den Mädchen absprechen und die dann nach ihren eigenen Vorstellungen handeln“, erklärte sie und wich ihm damit erneut aus.

      „Kannten sie den Mann? Ich meine, würden Sie ihn wiedererkennen?“

      „Das geht jetzt aber wirklich zu weit. Sie wissen doch, ich darf nichts über die Gäste sagen, sonst bin ich nämlich meinen Job los und es wäre mir auch lieber, wenn sie über das, was ich ihnen gerade erzählt habe, nicht schreiben.“ Er nickte, was sie als Versprechen auffasste. „Außerdem kennt man sich hier nicht, verstehen Sie? Selbst wenn man sich erkennen würde, so spricht man einfach nicht davon. Hier will jeder lieber unerkannt bleiben!“

      „Ja, das kann ich gut verstehen.“

      Er machte eine Pause und blickte sich dabei ein wenig im Raum um. Vielleicht hätte er jetzt doch gern etwas getrunken. „Erzählen Sie mehr von Ihrem Job. Er scheint doch sehr interessant zu sein.“

      „Ich weiß nicht. Meinen Sie wirklich?“ Er nickte und sah wieder auf ihre Lippen, bis sie zu lächeln begann.

      Irgendwie war es schön, hier mit ihm zusammenzusitzen, dachte sie, seinen Blick erwidernd. „Ich beginne am späten Nachmittag. Da ist dann genug Zeit für die Grundreinigung. Im Tageslicht sieht auch alles ganz anders aus. Wenn dann die Mädchen kommen, kümmern die sich um die Zimmer. Sie holen sich eins von den großen Handtüchern vom Stapel und den Schlüssel. Und wenn dann alles gut geht, Sie wissen schon, dann bleibt alles schön sauber. Wird einer aber ein bisschen wilder, kann es natürlich auch mal sein, dass das ganze Bett abgezogen werden muss und dann legen sie den Schlüssel separat zurück. Der Rest ist mein Job. Aber das ist ja nicht schlimm.“

      „Und die Mädchen sind sehr hübsch? Tragen schwarze Strümpfe und Strapse und sind alle sehr üppig oben rum?“, ein wenig unbeholfen zeigte der Mann mit seinen Händen, wie er sich das vorstellte.

      „Sie sehen zu viele Filme“, lachte Sibylle herzhaft, was dem Mann ebenfalls ein entspanntes Lächeln abrang. „Wir haben richtig üppige Frauen und wir haben auch ganz dünne. Manche verdienen sich ein paar Euros dazu, indem sie auf dem Laufsteg Dessous vorführen und andere sind völlig unscheinbar. Aber in dem, was sie tun, sind sie einfach spitze. Heißt es. Die Männer mögen ja auch ganz unterschiedliche Dinge. Den Busen zeigen allerdings alle. Ich glaube, das ist Bedingung. Daran sind die Kunden schon sehr interessiert, die wollen ja schließlich etwas anfassen können. Viele sind verheiratet und möchten hier das, was sie zu Hause nicht bekommen. Wobei ja wohl doch die meisten Männer davon träumen, eine schöne Frau zu besitzen oder von ihr verführt zu werden.“

      „Gibt es auch Frauen, die sich hinter einer Maske verstecken?“

      „Nein. Ich glaube, das hat keine nötig.“

      „Ich dachte da auch mehr an das Geheimnisvolle. An das Wechseln ihrer Identität!“

      „Also, wenn es zum Spiel gehört bestimmt.“

      „Und die Frauen machen das alle hauptberuflich oder haben die noch einen anderen Job?“

      „Na, ich glaube nicht, dass die nebenbei noch putzen gehen.“ Sie überlegte und fügte dann hinzu. „Aber wenn Sie das genau wissen wollen, sollten Sie lieber eines der Mädchen fragen.“

      Er nickte kurz und wechselte dann das Thema. „Treffen Sie oft auf Kunden?“

      „Wir versuchen, es zu vermeiden. Niemand will schließlich gern an so profane Dinge