Obwohl, ich will nicht ungerecht sein, der Kaiser ist so lieb, kam zu Weihachten zu Besuch und brachte Juwelen, ein Portrait von sich und ein silbernes Frühstücksservice für die Reise mit, in das ein E mit Kaiserkrone graviert ist.
Von Tante Sophie bekam ich einen Kranz und ein Bukett frischer Rosen mitten im Winter. Letzten Herbst zu meinem Namenstag, am 19. November, habe ich eine sehr kostbare Brosche geschenkt bekommen. Der Kaiser und ich schenkten uns gegenseitig Bilder von uns zu Pferd. Ich habe ehrlich gesagt keine Freude mehr an den Juwelen, die der Kaiser mir schenkt. Ich habe mich über keines seiner Geschenke so recht gefreut, nur über den Papageien, den er mir heute schenkte. Über den freute ich mich aber riesig.
„Danke für die lieben Geschenke, vor allem für den reizenden Papagei. So gerne würde ich mit dir einmal in den Urwald reisen. Er war das beste Geschenk überhaupt. Für mich viel schöner als alle Juwelen, auch wenn diese sehr wertvoll sind“, sage ich leise.
„Du sollst nur das Beste und Teuerste haben, Sisi“, flüstert er in mein Ohr, ohne auf das einzugehen, was ich gerade gesagt hatte und ich klappe das Buch rasch zu.
„Stell dir vor, selbst deine Toilettengarnitur wird aus purem Gold sein.“
Er lacht und ich stimme in sein Lachen mit ein.
„Pretiosen, Silber, chinesisches Porzellan, Statuen und Uhren aus den verschiedenen Sammlungen des Kaiserhauses, auch aus der Schatzkammer und der Ambraser Sammlung, dir soll bei uns an nichts mangeln.“
Mein Lachen geht in ein gequältes Lächeln über, denn ich mach mir aus all diesen Sachen nichts.
Am besten erzähle ich dem Kaiser nichts von meinem Unterricht bei meinem Ungarn. Er würde es nicht verstehen und dieses Nichtverstehen würde mir wehtun.
Eigentlich wollte ich meinen Geburtstag und Weihnachten mit meiner Familie ganz intim feiern und nicht mit vielen fremden Menschen und einem steifen Hofzeremoniell, an das ich mich gar nicht gewöhnen mag.
Kapitel 2 – Adieu geliebte Isar
05. Januar 1854
Ich werde auf den bayerischen Thron verzichten müssen und so eine Art Verzichtserklärung abgeben. Der bayerische Thron kümmert mich wenig, ich hätte ihn sowieso nie bekommen, da meine Familie nur ein unbedeutender Nebenzweig der Wittelsbacher ist. Der in Wien ist ohnehin viel Bedeutender. Und dennoch, für mich ist es, als würde ich einen Schlussstrich unter mein bisheriges Leben ziehen und das tut mir irgendwie weh.
Adieu geliebte Isar, warum muss ich dich verlassen, ohne zu wissen, ob mir die Donau überhaupt gefällt?
16. Januar 1854
Ich hasse es!!! Jeder Schritt, den ich tue – jedes Wort, das ich sage – alles wird auf die Goldwaage gelegt und beurteilt.
Früher hat sich niemand um mich gekümmert und ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Mit den einsamen Spaziergängen und Ausritten ist es nun vorbei, ebenso mit den Schlittenpartien, eine Kaiserin, die im Schnee tollt, das geht sich gar nicht aus. Franzl hat Angst um mich, wenn ich alleine ausreite, dabei bin ich doch die beste Reiterin in meiner Familie. Er hat sogar gesehen wie gut ich reite, allerdings musste er es der Tante Sophie versprechen, dass ich es einschränke, aber ich will es einfach nicht aufgeben.
Und an das Angestarrt werden kann ich mich einfach nicht gewöhnen. Ich starre fremde Menschen ja auch nicht an, das muss denen doch genauso unangenehm sein wie mir. Beim Münchner Theaterbesuch mit dem Kaiser war mir der stürmische Empfang unangenehm, dafür klappte es laut Franz Joseph beim Hofball zu Ehren unserer Königin Marie, der Gemahlin Maximilians II, am 15. Oktober letzten Jahres recht gut, es war angeblich gar brillant. Nur angeblich, denn ich genierte mich furchtbar und die ganzen Diplomaten langweilten mich zu Tode.
Das Ganze muss ein furchtbarer Irrtum sein, ein schrecklicher Traum. Papa hat seinen kleinen Wildfang unendlich lieb. In Wien wird das ganz anders sein. Ich darf übrigens die Tante Sophie nicht mehr duzen, aber das ist mir ohnehin lieber.
05. März 1854
Gestern wurde mein Ehevertrag mit Franz unterzeichnet. Er konnte leider nicht kommen, was mich sehr traurig macht. Ich habe eine Aussteuer von 150.000 Gulden bekommen. Papa hat 50.000 bezahlt und Franz 100.000. Zudem habe ich eine Jahresrente von 100.000 Gulden für Kleider, Schmuck und Almosen zur Verfügung.
Ich habe auch die Verzichtserklärung für die Erbfolge im bayerischen Königreich abgegeben, die sogenannte Renunziation.
Ich saß die ganze Zeit neben dem König auf dem Baldachin auf der Estrade und ich glaube, die Mitglieder des Königshauses, die Hofwürdenträger und die Staatsminister haben das erste Mal in meinem Leben Notiz von mir genommen.
13. März 1854
Der Kaiser ist da. Er hat mir wundervollen Schmuck mitgebracht, den einst seine Mutter an ihrem Hochzeitstag getragen hat. Ein wunderschönes Diadem mit Collier und Ohrringe, die mit Diamanten und Opalen gefasst sind. Es ist fast so kostbar wie mein gesamter Schmuck.
„Das ist wirklich wunderschön. Vielen Dank, Franz“, sage ich artig. „Ich will mich gleich hinsetzen und an die Tante Sophie schreiben.“
Franz nickt und nimmt meine Hand.
„Denk aber bitte daran, sie nicht wieder zu duzen, sie war sehr befremdet darüber, dass du sie damals bei deinem ersten Brief geduzt hast.“
„Das war ein Versehen, ich dachte nicht daran, seitdem schreibe ich sie ja in der Sie Form an“, sage ich betont ruhig „sie ist ja eigentlich immerhin meine Tante und meine Schwiegermama.“
„Ja, das stimmt, aber vor einer älteren Dame muss man Respekt und Ehrfurcht haben, auch ich als ihr Sohn verwende, wie du weißt, die Sie Form.“
„Gut, dann bedanke ich mich und schreibe, dass ich mich vertrauensvoll der mütterlichen Liebe der Erzherzogin hingeben kann“, sage ich gepresst. „Das wird ihr gewiss gefallen.“
„Sie meint es nur gut, Sisi, in jedem Brief an Tante Luise und Tante Elise schwärmt sie von deinem Liebreiz und nennt dich zärtlich Elise. Sei so gut und sei nicht gleich so angefasst, wenn man eine Bitte an dich richtet, mein Engel. Das steht dir nicht.“
Ich atme tief durch, mich von meinem alten Leben zu verabschieden, fällt mir unendlich schwer. Am liebsten würde ich manchmal ganz weit weglaufen, denn dann denke ich: Es war ein Fehler. Wieso konnte ich nur ja sagen. War dieses Ja nicht doch ein Fehler gewesen. Kam dieses Ja wirklich von mir oder mehr von meiner Mama?
22. April 1854
Ich bin in Wien!
Mit dem Schiff, das Franz Joseph hieß, wie kann es anders sein, bin ich hergekommen. Mein Gepäck, 17 große und 8 kleine Koffer sind schon am 14. April verschifft worden und am 16. April, dem Ostersonntag, hat es noch ein Galakonzert am königlichen Hofe in München gegeben. Bis Linz bin ich mit der hübschen „Stadt Regensburg“ gefahren, ab Linz dann im prachtvollen Raddampfer „Franz Joseph.“
Ich habe tränenreich Abschied vom lieben Possi genommen, von meinem Zimmer, von meinem Garten, dem See und den Bergen. Am Morgen des 20. Aprils kam König Maximilian in unser Palais in München, um mir Lebewohl zu sagen. In der Ludwigstraße, vom Palais bis zur Siegessäule standen tausende Menschen, die mir zuwinkten