In künstlerischer Beziehung ist mein Ideal Holland mit seinen alten Meistern geblieben, und alljährlich während der Sommermonate gehe ich in ein kleines, äußerst malerisches Dörfchen in der Nähe Hilversums. Zu meiner Freude folgen mir immer mehr Landsleute dorthin, deren Erfolge hinlänglich beweisen, welch günstige Vorbilder Land und Leute in Holland für die Malerei bieten, zumal wenn man, wie ich, die Zukunft der modernen Staffelmalerei in der Intimität und der Pietät vor der Natur sieht.
Nicht das sogenannte Malerische, sondern die Natur malerisch aufzufassen ist's, was ich suche, die Natur in ihrer Einfachheit und Größe ohne Atelier – und Theaterkram und Hadern – das Einfachste und das – Schwerste.
Nun noch ein Wort über die Meister, von denen ich mich besonders angezogen fühle. Millet hab ich schon genannt; den verehre ich am meisten, da ich finde, dass er – wenigstens in seinen Zeichnungen – den Eindruck der Natur am wahrsten (für mich gleichbedeutend mit: am schönsten) wiedergegeben hat. Von Deutschen am sympathischsten ist mir Leibl, mit dem ich in München zu verkehren das Glück hatte.
Wilhelm Leibl, 18jährig
Dessen Technik scheint mir stupend. Ebenso schwärme ich für Herkomer, der wohl der am glücklichsten veranlagte unter den lebenden Meistern ist.
In Holland machte ich die Bekanntschaft von Josef Israëls, der mir äußerst sympathisch ist.
* * *
„Allgemeine Zeitung des Judentums“, 1910
„Allgemeine Zeitung des Judentums“, 1910
Paul de Lagarde
De Lagarde, der eigentlich Böttcher hieß, der später berühmt gewordene Verfasser der „Deutschen Schriften“, und der mein griechischer Lehrer in der Sekunda war, behauptete, dass ich nach dem Schnitt meiner Augenbraunen von den assyrischen Königen abstamme: Ich weiß nur, dass mein Großvater und Vater Kattunfabrikanten in Berlin waren.
In einem Aufsatz über die Familie Liebermann, der Mitte der sechziger Jahre in der „Gartenlaube“ erschien, war auch das stadtkundig gewordene Wort, das mein Großvater in einer Audienz bei Friedrich Wilhelm III. gesagt hatte, zitiert; „Majestät, ich bin derjenige, welcher die Engländer vom Kontinent vertrieben hat (nämlich in der Kattunbranche).“
Mein Großvater mütterlicherseits, Haller, war Juwelier und Inhaber der Firma Haller & Rathenau. Der Bruder meines Großvaters siedelte sich in Hamburg an und trat zum Christentum über, und dessen Sohn war der berühmte Bürgermeister Haller, dem Hamburg 1866 seine Unabhängigkeit zu verdanken hatte.
Da ich 1847 geboren wurde, ist es nicht zu verwundern, dass meine politischen und sozialen Anschauungen die eines Achtundvierzigers waren und geblieben sind. Obgleich ich oft genug leider vom Gegenteil überzeugt wurde, bilde ich mir ein, dass – wie es in der Verfassung heißt – jeder Staatsbürger vor dem Gesetze gleich ist.
Ich bin in meinen Lebensgewohnheiten der vollkommenste Bourgeois: Ich esse, trinke, schlafe, gehe spazieren und arbeite mit der Regelmäßigkeit einer Turmuhr.
Max Liebermanns Eltern
Ich wohne in dem Hause meiner Eltern, wo ich meine Kindheit verlebt habe, und es würde mir schwer werden, wenn ich wo anders wohnen sollte. Auch ziehe ich Berlin jeder anderen Stadt als bleibenden Wohnsitz vor.
Ich absolvierte das Friedrich-Werdersche Gymnasium: das Maturitätsexamen bestand ich freilich nur mit Ach und Krach, da ich in der Mathematik „ungenügend“ bekam. Die realen Wissenschaften waren und sind mir ein Buch mit sieben Siegeln geblieben, und ich konnte mich nur mit der größten Mühe an die Vorstellung gewöhnen, dass die Erde sich drehe. Auch wurde ich nicht wenig geneckt, weil ich als Junge gesagt hatte, dass der Mond in der Leipziger Straße am größten sei. Ich hatte ihn nämlich mal beim Spazierengehen in der Leipziger Straße als riesige Scheibe am Himmel gesehen. In wissenschaftlichen Dingen verstehe ich nur die demonstratio ad oculos.
Überhaupt beschäftigte ich mich viel lieber als mit spekulativen Dingen mit manuellen. Auf den Fabriken meines Vaters, wo wir die großen Sommerferien alljährlich verlebten, hatte es mir die Modelltischlerei besonders angetan, so dass mir in einer Bodenkammer unseres Berliner Hauses eine vollständige Tischlerwerkstatt eingerichtet wurde. Auch jetzt noch habe ich Handwerkzeug im Atelier.
Natürlich habe ich von Jugend an gezeichnet, und zwar, was ich sah. Fünfzehnjährig, mit dem Reifezeugnis zum einjährigen Militärdienst wollte ich Maler werden, ich glaube besonders, um der Schule zu entwischen. Die war mir ein Gräuel, und noch heute ist's mein schwerster Traum, ich sei noch auf dem Gymnasium. Mein Vater aber bestand bei uns drei Brüdern darauf, dass wir das Abiturientenexamen machen müssten, bevor wir uns für einen Beruf entschieden; bei mir wohl mit dem ganz natürlichen Nebengedanken, dass ich, erst einmal auf der Universität, von selbst meine Absicht, Maler werden zu wollen, aufgeben würde.
Inzwischen sollte ich bei Steffeck, der damals in Berlin noch als Lehrer sehr renommiert war, und der meine Zeichnungen gesehen und anerkannt hatte, am Mittwoch und Sonnabend nachmittags zeichnen. Ich ging also in sein Atelier; aber es ist wohl selbstverständlich, dass ein Fünfzehn- oder Sechzehnjähriger lieber mit den weiblichen Modellen herumschäkert, als sie abzeichnet. Und als Primaner verging mir vor lauter Schularbeiten die Lust zum Zeichnen, wenigstens bei Steffeck, der noch dazu weit weg von uns in der Hollmannstraße neben dem Kammergericht wohnte.
Endlich hatte ich glücklich das Examen bestanden, und ich wurde auf der Berliner Universität immatrikuliert. Aber ich belegte nicht einmal ein Kolleg, sondern genoss die Freiheit von der Schule, indem ich im Tiergarten spazieren ritt. Und bei einem jener morgendlichen Ritte traf ich Steffeck, der jeden Tag vor der Arbeit ein paar Stunden seinen Gaul stil- und sportsmäßig tummelte.
Er forderte mich auf, in sein Atelier zu kommen und ein Pferd, das er zu porträtieren hatte, mit zu malen. Zum ersten Mal hatte ich Pinsel und Palette in der Hand. Der Versuch fiel nach Steffecks Meinung überaus günstig aus, und – ich war Maler geworden.
* * *
Über Kunst
Über Kunst
Motto: Mit dem Genius steht die Natur in ewigem Bunde;
was der eine verspricht, leistet die andere gewiss.
Es ist ein unbestrittenes und unbestreitbares Axiom der Ästhetik, dass jeder Form, jeder Linie, jedem Strich die Idee vorausgehen muss, sonst kann die Form korrekt, kalligraphisch schön sein, aber sie ist nicht als künstlerisch anzusprechen, denn künstlerisch ist nur die lebendige Form, die vom schöpferischen Geist gezeugt ist.
Daher ist jede künstlerische Form per se idealistische Form, und von einer naturalistischen Form zu sprechen, kann nur insoweit einen Sinn haben, als damit der die Form ausdrückende Stoff bezeichnet wird. Statt idealistisch-naturalistisch sollten wir nach Schillers Vorgang naiv und sentimental setzen. Denn wenn es nur eine idealistische Form gibt, d. h. eine Form, der die Idee