Der Fall - Amos Cappelmeyer. John Marten Tailor. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: John Marten Tailor
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754943250
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herrschte reges Treiben vor dem Portal des Luxus-Hotels. Jens hatte einen Schlachtplan ausgetüftelt, wonach vier Ermittler abwechselnd beim Uniklinikum postiert sein würden, vier weitere sollten Amos Haus sowie Grundstück gründlich unter die Lupe nehmen und begaben sich unverzüglich nach Thüringen. Doch Jens war nicht zufrieden.

      »Wir haben etwas übersehen. Dreht jeden Heuhaufen zweimal um. Ich will wissen, was da gespielt wird.«

      »Ja, Boss. - Schade um das nette Zimmer! Hab` mich so auf den Champagner gefreut!«

      »Sehr witzig. Und jetzt Abmarsch! Ich erwarte euren Bericht.« Die Übriggebliebenen durchforsteten das Internet. Schlagworte: Kniebrecht, Floh-Selignthal, Cappelmeyer, SED, Stasi, Partei.

      Der neue Schwerpunkt lag auf einer möglichen Stasi-Vergangenheit der Familie Cappelmeyer. Bei ihrer Recherche war Audrette die erschreckende Zahl von inoffiziellen Stasi-Mitarbeitern bewusst geworden, die sich auf 189.000 belaufen sollte. Zudem hieß es, dass es 111 Kilometer Stasi-Akten aufzuarbeiten galt. Das war eine unvorstellbare Menge Papier. Die Hoffnung lag nun darin, in diesen Unterlagen etwas über die Familie herauszubekommen. Wenn nicht über Amos selbst, was unwahrscheinlich war, denn er schien ein unbeschriebenes Blatt zu sein, dann über seine Eltern oder die Großeltern, von denen er gesprochen hatte. In Dresden gab es praktischerweise eine der BStu-Stellen, die sich mit dem Aktenwust beschäftigte.

      »Los an die Arbeit, Männer.« Audrette klatschte in die Hände. Allerdings mit vorgetäuschtem Elan. Sie fühlte sich nach der langen Fahrt unwohl in den verschwitzten Klamotten und entschuldigte sich. »Bin gleich wieder da.« Sie eilte in das ausladende Gebäude - und war prompt überfordert. Welche Zimmernummer hatte Annemarie ihr noch gleich ins Ohr geflüstert? Es wollte ihr nicht einfallen. Sie stürmte mit der Schlüsselkarte zur Rezeption und notierte dort die Nummer 412. Richtig, jetzt kam die Erinnerung zurück.

      Der Fahrstuhl ließ auf sich warten. Audrette zappelte von einem Fuß auf den anderen, zählte ungeduldig. Endlich, der Lift. Jetzt könnten die verdammten Türen aufgehen!

      Drei Kerle drängelten sich an ihr vorbei, quetschten sich in die Kabine.

      Na toll. Was für Hohlbirnen. Die Luft in der kleinen Kabine war geschwängert von einem aufdringlichen Aftershave, das in der Nase kribbelte. Widerstrebend gesellte sie sich dazu, stellte sich aber vermeintlich so, dass sie nicht, oder am wenigsten, angegafft werden konnte, und verdrehte genervt die Augen. Die Sicherheit, in der sie sich wog, war trügerisch. Einer der Herren nahm sich die Freiheit, die Festigkeit ihrer Kehrseite zu prüfen, der Andere wollte seinem Kumpel nicht nachstehen, doch bevor er auch nur zu blinzeln vermochte, hatte der Grapscher einen Damenschuh in der Fresse, der Erste wiederum den Ellbogen auf dem Kehlkopf und der Dritte nässte sich vor Angst ein.

      Gelockert von der kleinen Trainingseinheit stolzierte Frau Miller hüftschwingend zu Zimmer 412 am Ende des Korriors. Sie öffnete ahnungslos die Tür, fand sich in der Admiralssuite, einer sogenannten Triplex-Suite wieder, opulent eingerichtet, mit allem, was schnöder Mammon nur kaufen konnte.

      »Hey, na endlich! Das hat ja gedauert.« Um die Gefährtin vom Alltagsstress runter zu holen, verpasste Annemarie ihr einen Kuss und offerierte ein Glas kühles Prickelwasser. »Entspann dich, Süße.«

      »Leichter gesagt als getan.« Audrette stürzte den Champagner runter. »Lecker. - Da hast du es ja ordentlich krachen lassen«, und meinte das feudale Ambiente.

      »Nur das Beste für mein Herzblatt.« Annemarie entkleidete die protestierende Audrette und führte sie unter die Luxus-Dusche.

      »Ich sollte eigentlich bei meinen Jungs sein. Ich wollte mich nur rasch umziehen.«

      »Ja, ja. Ich weiß was du brauchst. Entspann dich.« Audrette verlor zunehmend die Kontrolle, als der Seifenschaum mit einer goldenen Handbrause abgespült wurde. Annemarie hatte ihre Flasche Spezial-Öl dabei und salbte sie ein.

      Helles Sonnenlicht drang durch die Gardine, deren Maschen die Strahlen um ein Vielfaches spalteten. Audrette rekelte sich, fragte sich irritiert, wo sie sich befand.

      Ach, richtig ... Amos hatte ihr versprochen, beim nächsten Sex alles zu geben. Sie sehnte diesen Augenblick herbei, als sie unter der Dusche die geschickten Hände ihres Abenteuers auf der Haut spürte.

      Das Mobiltelefon klingelte unermüdlich, verlangte Auskunft, wo sie steckt. Nicht der erste Anruf. Leider auch nicht der Zweite. Auf der Liste der entgangenen Gespräche stand eine zweistellige Zahl, vom Abend bis heute früh. So ein Mist. Antworten in diesem Zustand, während Annemarie ihren Körper von allem befreite, was nur aussah wie Wassertropfen? Undenkbar. Das Handy plärrte unentwegt, fast genervt.

      »Sorry, ich muss da ran gehen. Das sind meine Leute. – Hallo?«

      »Na endlich! Meine Finger sind schon wund vom Wählen. Dachte, du bist im Jacuzzi ertrunken!« So amüsant, wie Jens es darstellte, fand er die Situation gar nicht. Doch was half es, mit der Amerikanerin zu streiten?

      Er behauptete von sich, ein guter, feinfühliger Beobachter zu sein, deshalb war er ziemlich sicher, dass Audrette etwas mit einer Zielperson am Laufen hatte. Ein No-Go. Erwartet hätte er diesen Regelverstoß ausgerechnet von ihr nicht. Er kannte die Texanerin relativ lange, sie war stets integer. Unbestreitbar war sie eine scharfsinnige und vorausschauende Frau, ausgestattet mit einer exzellenten Kombinationsgabe. Erkenntnisse über den Fall Cappelmeyer teilte sie jedoch mit niemanden, vermutete einen bedeutsamen Skandal hinter den Angelegenheiten ihres Zukünftigen. In den übrigen Fällen lieferte sie konsequent tadellose Resultate.

      Zu guter Letzt meinte Jens:

      »Dann in einer Stunde vor dem Hotel.« Er legte verstimmt auf, weil er glaubte, dass sie eh nicht bei der Sache war.

      »Wir haben 60 Minuten«, flüsterte Annemarie, setzte Audrette auf den kleinen Tisch und erinnerte sich schmerzvoll, dass die Ermittlerin vergeben war. Sie ertappte sich dabei, innige Gefühle für die Texanerin zu hegen. So streichelte sie nur durch die verbotene Zone und genoss das Ablutschen des Saftes an ihrem Finger umso mehr. Lippen berührten sich sinnlich, Zungen fochten den Akt der Hingabe aus.

      »Ich hau mich wieder aufs Ohr.« Annemarie tapste zurück ins Bett. Audrette konnte sich diesen Luxus nicht leisten, sie machte sich fertig für die Ermittlungsarbeit. Zum Abschied bedachte sie den Knackarsch ihrer Freundin mit einem Kuss.

      »Mach`s gut, Honey. Ich fühl mich total ausgelaugt. Schlaf `ne Runde für mich mit! Wir sehen uns.« Sie eilte nach unten, ohne gefrühstückt zu haben. In der Lobby tigerte Jens voller Ungeduld im Kreis. »Guten Morgen, Jens.«

      Nach einem gebrummten Gruß hatte er Neuigkeiten.

      »Amos ist aus frühzeitig aus dem Koma geholt worden.«

      »Was? Das ist wunderbar! Ich bin so glücklich.« Die Halsschlagader der ansonsten coolen Agentin hämmerte einerseits aus Freude, andererseits aus einer gehörigen Portion Scham. Selbst bei geöffnetem Seitenfenster hatte sie den Eindruck, es würde immer heißer werden. Jens zog besorgt die Stirn in Falten.

      Kapitel Sieben

      Wieder da

      »Hey Darling«, krächzte ich. Einen langen Schönheitsschlaf habe ich gehalten, hatte die nette Krankenschwester mir heute verkündet, aber gutgetan hatte der mir nicht, stattdessen fühlte ich mich am kompletten Leib wund. Meine Zukünftige hingegen mutete wie das strahlende Leben an, - geplagt von Gewissensbissen, schätze ich, so wie sie mit gesenktem Blick das Krankenzimmer betrat.

      »Hallo Amos. Schön, dich zu sehen.« Audrettes Blicke blieben weiter auf den Boden geheftet. Beinahe hatte ich ihre Anmut vergessen. Wie sie die Haare offen trug, stand ihr viel besser, ließ sie noch femininer wirken.

      »Komm zu mir.« Ich streckte die Hand aus, zog sie nah an mich heran, damit ich in ihr Ohr flüstern konnte: »Du weißt, was dir blüht, wenn ich wieder bei Kräften bin?« Statt zu lächeln, schluchzte Audrette los. »Weine nicht, mein Engel. Alles wird gut. Sobald ich hier raus bin, vögel ich dich ins Nirwana, meine schöne Ehefrau.«