„Ja da könntest du recht haben“ - antwortete Halim. - „Vielleicht sind es aber auch die Amerikaner mit ihrem Weisbrot“.
„Glaub ich weniger. Ich denke wir sind nicht mehr einzigartig!“- erwiderte Fadi.
„Wie meinst du dass?“
„Nun - bis vor kurzem noch waren wir die einzigen, die in großem Stil Brot gebacken und es, dank Junis, auch an viele Hotels und ausländische Firmen geliefert haben“.
„Tun wir doch auch jetzt noch“ – fiel ihm Halim ins Wort.
„Ja aber, das ist es nicht was ich meine. Alle Brote, auch unsere schmecken gleich. Wir nehmen alle Mehl, Hefe, Salz, Wasser und Öl. Mal mehr, mal weniger“.
„Was willst du mir damit sagen?“
„Nun, - wenn wir Marktführer bleiben wollen, müssen wir uns etwas einfallen lassen. Wir müssen etwas Neues, etwas Besonderes kreieren. Ein Brot was nur wir backen können. Ein Brot nach dem sich alle die Finger lecken“.
Halim nickte zustimmend.
„Eine gute Idee! Aber wie soll dass gehen?“.
Fadi runzelte die Stirn, was er übrigens immer tat, wenn er angestrengt nachdachte. Gleichzeitig musste er sich ein Grinsen verkneifen, denn er fand seine Idee genial. Und wenn er etwas genial fand, dann überkam ihn dieses Gefühl von Glück.
„Nun - ich hätte da eine Idee!“
„Erstens behalten wir für unsere normalen Kunden auf den Märkten, unser Brotrezept bei. Wir unterscheiden uns ersteinmal nicht von unseren Mitbewerbern.“
„Zweitens“ – er machte eine lange Pause.
„Nun- und was“ - bohrte Halim ungeduldig.
Fadi- atmete demonstrativ tief ein.
„Zweitens - wir gründen eine weitere Firma und geben der einen ausländischen Namen. Einen Namen, der gut klingt und den alle schnell verstehen. Vor allem die Ausländer.“
Halim wollte wieder unterbrechen, doch Fadi war jetzt in seinem Element. Kurz hob er die Hand und signalisierte Halim, das er noch etwas entscheidendes anfügen wollte.
„Also- mit einer neuen Firma gibt es auch ein neues Brot. Und das hat auch wieder einen ausländischen Namen. Und“- Fadi machte wieder eine seiner Kunstpausen
„Man machs nicht so spannend, sag endlich was es ist“ - bohrte Halim erneut.
„Geduld mein Freund“ – Fadi konnte sich nun das Grinsen nicht mehr verkneifen.
Er schlug sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel –
„Wir backen PIZZA-Brot!“
Für gefühlte Minuten – herrschte Totenstille
„Was machen wir?“
„Wir backen PIZZA-Brot“.
„Wie kommst du denn auf so etwas“ fragte Halim.
„Ganz einfach“ - erwiederte Fadi. „Vor -einigen Tagen war ich bei Yasin, du weißt das Café in Baschura, um ihm unser Brot anzubieten, da saßen wir draußen bei einem Tee und am Nachbarstisch saßen zwei gut gekleidete Frauen aus – ich weiß nicht woher, jedenfalls hörte ich wie die eine zu der anderen sagte, Beirut ist so eine tolle Stadt. Aber das Brot wird langsam langweilig. Immer der gleiche Geschmack. Die sollten sich mal was anderes einfallen lassen. Und die andere Frau sagte darauf hin. Ja – wie zum Beispiel in Italien. Da haben die ein tolles Pizzabrot. Du kannst es zu allem essen und auch noch super mit Früchten belegen“.
„Ich bin zwischendurch zu einigen ausländischen Restaurantes gegangen und habe mir überall deren einheimisches Brot gekauft“.
„Und jetzt pass auf!“
„Einer der Bediensteten hat gesagt, dass die meisten Ausländer ihr Heimweh nur deshalb haben, weil ihnen das richtige Brot fehlt“.
„Und dann hab ich diesen jungen Mann, der in der halben Welt umher reist, getroffen. - und jetzt halte dich fest“ - Fadi machte es mal wieder richtig spannend. „Der hat mir erzählt, dass viele Italiener in andere Länder gehen um dort zu arbeiten. Ja sogar nach Amerika. Und jetzt pass auf. Überall eröffen sie dann sogenannte „Pizzerien“. Und nicht nur die Italiener gehen dorthin, sondern auch die Einheimischen“.
Halim dachte kurz nach.
„Du meinst PIZZA-Brot kennt man überall und es ist ein quasi Ersatz für das eigene Brot?“
„Genau- du hast es erkannt“ - schoß es aus Fadi heraus.
„Was machen wir jetzt?“ – fragte Halim. Und ergänzend fügte er hinzu- „sicherlich hast du schon eine Idee“.
Er schaute Fadi an und erwartete dieses breite Grinsen in seinem Gesicht. Doch Fadi blieb erstaunlich ruhig und gelas-sen. Fast emotionslos erwiderte er
„PRONTO-PIZZA - heißt unser neues Geschäft“.
Halim runzelte die Stirn
„Wie heißt unser Geschäft?“ – fragte er. „Und was heißt Pronto?“
An Halims Augenzucken merkte Fadi wie nervös Halim war.
„Setzt dich mal hin. Ich erklär es dir“.
„Also“ - Fadi holte tief Luft und sprudelte förmlich ohne Unterbrechung los.
„Vor ein paar Tagen habe ich einen Italiener auf dem Markt getroffen. Er stand bei Halib – dem Ölhändler und wollte unbedingt frisch gepresstes Olivenöl. Halib schien ihn nicht zu verstehen und so wurde der Italiener „Luigi“ heißt er, immer lauter. Wild gestikulierend fuhr er Halib an „Capisci che ho bisogno di olio d'oliva per la mia pizza”, was wohl soviel hieß wie; Ich brauche richtiges Olivenöl - und nicht so einen Saft. -oder so ähnlich. Es sah so aus, als sei Halib mit der Situation völlig überfordert. Deshalb habe ich den Italiener gefragt, ob er englisch spricht. Er hat mir dann erzählt, dass er es leid sei, immer nur das fade Brot zu essen. Er nannte unser Brot fad” - räusperte sich Halim. Und – und er wolle sich nun sein Pizzabrot selbst backen - sagte er. Und dazu bräuchte er auch unbedingt gutes Olivenöl.”
“Und noch etwas hat er gesagt. Dass, wenn er hier nicht so eingebunden wäre, er seine eigene Pizzeria in Beirut eröffnen würde”.
“Und weiter” - bohrte Halim.
“Da gibt es kein Weiter. Ich habe ihm dann gesagt, wo er mich finden könnte und das ich ihm möglicherweise seinen Traum erfüllen könnte”.
“Und - meinst du er kommt?”
“Bestimmt” - erwiderte Fadi und fügte ergänzend hinzu; “Wenn wir ihn einbinden können, ich meine als Pizzabäcker, dann könnte unser Vorhaben funktionieren”.
Ein paar Tage später
Jasin war damit beschäftigt all seine Brote, die er ausliefern musste, auf seinem Handkarren zu verstauen als er von einem Unbekannten angesprochen wurde.
“Hallo - Mi piacerebbe aver parlato con il signor Fadi” – hörte er eine Stimme von schräck hinter ihm. Langsam drehte er sich um. Was war das denn für einer- und was will der, fragte sich Jasin. Langsam ging er auf den kleinen dunkelhaarigen Mann zu.
“Was willst du?” - fragte er ihn.
Der Fremde schien ihn zu verstehen und erwiderte
“Signor Fadi – prego”.
Jasin nickte und deutete dem Fremden an, hier zu warten.
Nachdenklich ging er nach hinten in die Backstube um Fadi zu holen. Was dieser dann mit dem Fremden machte war ihm egal. Schließlich musste er ja noch seine Brote ausliefern.