Schicksalhafter Kompromiss. Christine Feichtinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Feichtinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754178041
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um ihnen sofort zu melden, wenn die Polizei käme. Einer von ihnen hätte noch eine offene Rechnung mit dem Hausbewohner offen. Draufgängerisch und enthemmt durch den Alkohol, stimmten Fredy und Patrik zu. Geld brauchte Patrik immer. Und so standen Patrik und Fredy Schmiere, während diese Saufkumpel mit einem Koffer in der Dunkelheit der Nacht die fremde Tür aufbrachen und ins Haus schlichen. Tatsächlich kam die Polizei und nahm Patrik als Mitbeteiligter an diesem Einbruch fest. Erst später, als Patrik vor Gericht stand, erfuhr er, dass dieser ihm unbekannte Einbrecher, dessen Scheidungsverfahren lief, bei seinen dort wohnenden reichen Schwiegereltern einen Goldbarren und ihre Münzensammlung rauben wollte. Während Patrik gefasst wurde, konnte Fredy entkommen. Fredys Teilnahme am Raubüberfall verriet Patrik nie. Was hätte es ihm genützt, wenn auch Fredy ins Gefängnis hätte gehen müssen. Er war ihm in Freiheit, in seiner Schuld, besser dienlich. Sobald ich von ihm etwas brauche, werde ich ihn daran erinnern, dass er in meiner Schuld steht und mir noch einen Gefallen schuldig ist. Sollte er nicht spuren, werde ich ihn verpfeifen.

      Als sich endlich die Gefängnistore für Patrik öffneten, überlegte er, wohin er gehen sollte. Zuerst war er versucht, seiner Großmutter einen Besuch abzustatten. Er liebte seine Großmutter über alles, genauso wie sie ihn abgöttisch liebte. „Du, mein Liebling, bist die Sonne meines Herzens und der Grund, warum ich morgens gerne aufstehe. Mache uns keine Schande“, hatte sie ihm immer seit Kindheitstagen gepredigt. Diese Predigten hatte er sich in seiner einsamen Zelle oft vergegenwärtigt. Und oft hatte er bereut, sie so enttäuscht zu haben. Auf einer Bank sitzend, überlegte Patrik, wie sehr er sie enttäuscht, verletzt und das von ihr erwünschte Idealbild zerstört hatte mit seinem Gefängnisaufenthalt. Wie sollte er ihr jemals wieder unter die Augen treten? Soll ich zu ihr gehen? Zuerst würde seine Großmutter ihm glücklich um den Hals fallen, froh, ihn wieder zu sehen. Sogleich würde sie ihm Vorwürfe machen, wie viel Sorgen sie sich um ihn gemacht hätte und dass er nie wieder spurlos verschwinden dürfe. Aber dann würde gleich das befürchtete Verhör beginnen. Wo warst du so lange? Ihr von seiner Beteiligung an einem Raubüberfall und seinem Gefängnisaufenthalt zu erzählen und ihr so viel Leid auferlegen, wollte er nicht. Gut, dass seine Tätowierung am Rücken, von einem Gefängnisinsassen angefertigt, unter seinem Hemd nicht sichtbar war. Er sah ihr enttäuschtes Gesicht förmlich vor sich, wenn er auf ihre Fragen, ob er einen Job habe und ein anständiges Mädchen kennen gelernt hätte, verneinen musste. Vielleicht sollte er sie anlügen und sagen, er hätte eine lange Reise gemacht. Aber dann hätte sie ihn gelöchert, wo er gewesen war, und Fotos verlangt. Er kannte ihre Unnachgiebigkeit und ihre Fähigkeit, ihn zu durchschauen. Sie hatte ihn noch bei jeder Lüge erwischt. Trotzdem hättest du mir eine Karte schicken können, hätte sie gesagt. Vielleicht wusste sie inzwischen, dass er im Gefängnis war und er konnte es nicht abstreiten? Wenn sie von seiner Straftat und seinem Gefängnisaufenthalt inzwischen erfahren hätte, hätte sie ihm vorgeweint, dass er ihr damit das Herz brechen würde. Wie schwer es für sie wäre, zuschauen zu müssen, wie sehr er ihre gute Erziehung und ihre Lehren verschmähte und wie undankbar er wäre. So wie sie öfters jammerte: „Du vergeudest dein Leben und wirfst deine Zukunft weg. Hör endlich mit dem Spielen auf und beginne ein neues, anständiges Leben.“ Dann würden unweigerlich Vorwürfe wie „Du machst mir so große Sorgen. Du hast mich so schwer enttäuscht wie deine Mutter, die auch abgehauen ist“, kommen. „Und gerade bei dir wollte ich mich bemühen, dass sich das nicht wiederholt. Und nun machst du mir die gleichen Sorgen.“ Und zum Schluss würde sie wie immer die Schuld bei sich selber suchen und in Selbstvorwürfe verfallen: „Meine Bemühungen, aus dir einen anständigen Jungen zu machen, sind gescheitert, du bist undankbar, du lohnst mir mein Bemühen nicht. Das habe ich nicht verdient. Ich habe versagt, du wirst noch in der Gosse landen“, was ihn am meisten gekränkt hätte.

      Und so hatte er die Wahl gehabt, entweder heim zu Großmutter zu gehen, sich ihren moralischen Vorstellungen und Vorwürfen zu unterwerfen, oder die Laufbahn eines Kriminellen einzuschlagen oder sich andere lukrative Einkünfte zu suchen. Er entschied sich für das Abenteuer und die unbegrenzte Freiheit der Straße.

      Patriks Affären als Lebenselixier

       Einfache Genüsse sind die letzte Zuflucht komplizierter Menschen

       Lord Kitchener

      Diese lehrreiche Zeit, wo er zum Mann reifte und von erfahrenen Damen in die Liebe eingeführt wurde, bezeichnete er später immer als seine glücklichste Zeit, in der er äußerst amüsante Erfahrungen sammelte und das Leben aus einer leichtlebigen, anrüchigen Sicht kennen lernte.

      Er musste insgeheim lächeln, als er an seine wilde Zeit im Jahre 1968 in der Flowerpower-Zeit im Jugendalter zurückdachte.

      Sofort schwelgte er in Nostalgie. Er erinnerte sich gerne zurück an seine „Goldenen Zeiten“, wie er diese Zeit der erwachten Manneskraft und der entdeckten höchsten Lust- und Befriedigungsgefühle immer nannte, so wie man sich an einen schönen Film gerne zurückerinnert.

      Als er nach seiner Entlassung seine erste Nacht im Park verbrachte, stieß er auf eine Gruppe von langhaarigen, selbstlosen Straßenmusikanten mit Handtrommeln und Flöten, Malern, selbsternannten Künstlern, Schauspielern, die von Luft, Liebe, Musik und Marihuana vorgaben zu leben. Alles mittellose Ausreißer, Extremisten, Phantasten, Weltverbesserer wie er. Jedem, auch ihm, überreichten die langhaarigen, feenhaften Mädchen eine Blume mit den Worten „Friede und Liebe, Bruder“. Er war fasziniert von diesen engelsgleichen Geschöpfen, welche ihm ein Leben ohne Schranken vorführten. Sofort himmelte er diese selbstlosen, hinreißenden Märchengestalten, angesiedelt zwischen Himmel und Paradies, an, deren Magie ihn verzauberte.

      Halbnackte, elfenhafte Mädchen mit katzenhaften, geschmeidigen Bewegungen tanzten in Sandalen freizügig im Hippie-Look Hand in Hand nach der Musik der Bee Gees, Beatles, Rolling Stones, mit Blumenkränzen, in bodenlangen Röcken, Schals, Halsbändern und Spitzenblusen im indischen Look oder in Jeans, Glockenhosen und Hemden mit Blumenmustern und in flatternden Blumenkleidern, welche Sanftheit und Naturverbundenheit darstellen sollten. Eingehüllt in ihr Marihuanaparadies, sandten sie jedem Betrachter verführerische, liebeshungrige Signale.

      Als Patrik diese anzüglichen Blicke auf seiner Haut spürte, war er sofort ihr Bewunderer. Er war begeistert von diesen anbetungswürdigen Gottheiten, welche so wie er die Tradition, die Lebensweisheiten, die Lehren, den gesicherten Wohlstand und die Bevormundung der Eltern ablehnten und gegen Autorität, materielle, konsumorientierte, ausbeuterische Verhaltens-muster rebellierten. Und bald tanzte er im Kreis mit.

      So wie er hatten sie sich angewidert von zuhause abgewendet und waren in eine Welt des Verderbens und der Nutzlosigkeit abgetaucht, nur um frei zu sein und Spaß zu haben, wie es seine Großmutter nennen würde. Ein Leben, wovon Patrik immer träumte. Patrik gefiel ihr unbekümmertes Eintreten für das Leben und Lieben in zusammengewürfelten Gemeinschaften ohne Zukunftsängste. Er schloss sich dieser Clique an und lebte mit ihnen in einer Kommune in einem abbruchreifen Haus ohne Türen. Sie besuchten stundenlang Versammlungen, in denen für antiautoritäre Erziehung, gegen den Konsumrausch, gegen den Vietnamkrieg nach dem Motto Make love not war und für die Selbstbestimmung des Bauches, für freies Leben und freie Liebe, für Gruppensex, für Schwangerschaftsunterbrechungen innerhalb eines gewissen Zeitraumes und für Familienrechtsreformen plädiert wurde. Patrik lernte schnell, sich ihren Liebesspielen anzupassen und ihnen ebenbürtig zu sein. Sie verbanden sich gegenseitig ihre Augen, banden sich ein Barterl (Latz) um und fütterten sich gegenseitig mit verbundenen Augen. In ihrem Liebestaumel strichen sie sich Schlagobers auf ihre erogenen Zonen und schleckten sich gegenseitig ab. Bei Kerzenscheinpartys schmückten sie ihre Bleibe, malten mit Lippenstift Herzen an Spiegel und das Los entschied, wer mit wem schlief. Meist trugen sich die hingebungsvollen Mädchen vorher in den Terminkalender der Männer, selbstlos wie flatternde Schmetterlinge von einer duftenden, aphrodisierenden Blüte zur nächsten Blüte schwebend, für eine Liebesnacht ein.

      Wenn sich keine Dame in die aufgelegte Herrenliste zum Sex mit Patrik eingetragen hatte, badete er gemeinsam mit den zarten, willigen Mädchen, von welchen er nur die Kosenamen kannte. Liebevoll seiften sie sich gegenseitig ein, während sie untereinander ihre erogenen Zonen abtasteten. Alle Hände waren unter dem