Sie. Henry Rider Haggard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Henry Rider Haggard
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754183830
Скачать книгу
In diesem Augenblick trat Job zu uns. Er sah in seinem Jagdanzug aus braunem Flanell sehr mannhaft und englisch aus, doch sein biederes rundes Gesicht hatte, seit wir uns in diesen fremden Gewässern befanden, einen verdutzten Ausdruck.

       »Verzeihung, Mr. Holly«, sagte er und tippte an seinen Hut, der ihm im Genick saß, »ich hätte eine Frage. Wir haben doch unsere Gewehre und all unsere Sachen und den Proviant hinten im Walboot – wäre es nicht gut, wenn ich dort schliefe? Die Blicke dieser schwarzen Burschen« – er senkte seine Stimme zu einem besorgten Flüstern – »gefallen mir gar nicht; sie scheinen alle Halunken zu sein. Was, wenn einige nachts ins Boot schlüpften und das Tau durchschnitten und damit verschwänden? Das wäre eine schöne Bescherung!«

       Das Walboot hatten wir uns, wie ich erwähnen muß, eigens auf einer Werft in Dundee in Schottland bauen lassen. Wir hatten es mitgenommen, weil wir wußten, daß diese Küste von vielen kleinen Flußarmen durchzogen war, und damit rechneten, sie befahren zu müssen. Es war ein schönes Boot, dreißig Fuß lang, mit einer Vorrichtung zum Anbringen des Segels in der Mitte, einem kupferbeschlagenen Boden, um die Würmer fernzuhalten, und wasserdichten Abteilungen. Der Kapitän der Dhau hatte uns gesagt, daß er an dem ihm bekannten Felsen, welcher der auf der Scherbe und von Leos Vater beschriebene zu sein schien, wahrscheinlich infolge der Untiefen und der starken Brandung nicht würde landen können. Wir hatten deshalb an diesem Morgen eine Windstille dazu benutzt, die meisten unserer Sachen auf das Walboot zu bringen und Gewehre, Munition und Proviant in den dafür bestimmten wasserdichten Verschlagen zu verstauen, so daß wir, wenn der legendäre Felsen auftauchte, nur in das Boot zu steigen und damit an Land überzusetzen brauchten. Ein weiterer Grund für diese Vorsichtsmaßnahme war, daß arabische Kapitäne aus Nachlässigkeit oder infolge falscher Berechnungen häufig das angesteuerte Ziel verfehlen, und jeder Seemann weiß, daß eine Dhau mit ihrer besonderen Takelung nur vor dem Monsun herlaufen, doch nicht gegen ihn ankämpfen kann. Deshalb hatten wir uns darauf vorbereitet, jederzeit in das Boot steigen und zu dem Felsen hinüberrudern zu können.

       »Ja, Job«, sagte ich, »das wäre vielleicht nicht schlecht, Decken sind genug da. Leg dich aber nicht so hin, daß dich der Mond bescheint und dir den Kopf verdreht oder dich blendet.«

       »Ach Sir, ich glaube nicht, daß das viel ausmachen würde; vom Anblick dieser schwarzen Halunken ist er schon verdreht genug. Die sind nur für den Misthaufen gut. Stinken tun sie jedenfalls genug dafür.«

       Job war, wie man sieht, kein Bewunderer der Sitten und Gebräuche unserer schwarzen Brüder.

       Wir zogen also das Boot am Tau dicht heran, bis es direkt unter dem Heck der Dhau lag, und Job sprang mit der Grazie eines plumpsenden Kartoffelsacks hinein. Wir gingen zurück, setzten uns wieder aufs Deck und rauchten und plauderten dies und das. Die Nacht war so herrlich, und uns erfüllte eine solche Spannung, daß wir nicht die geringste Lust verspürten, uns schlafen zu legen. So saßen wir fast eine Stunde, und dann müssen wir wohl eingenickt sein. Ich erinnere mich nur noch schwach, daß Leo mir schlaftrunken erklärte, am besten erlege man einen Büffel, indem man ihn in den Kopf schieße, zwischen die Hörner oder so, daß ihm die Kugel mitten durch die Kehle fahre, und dergleichen Unsinn ...

       Dann weiß ich nichts mehr – und plötzlich ein furchtbarer Windstoß, ein Schreckensschrei der auffahrenden Mannschaft und eine Woge, die auf unsere Köpfe niederpeitschte. Einige Männer eilten an die Halyards, um das Segel einzuholen, doch es gelang ihnen nicht. Ich sprang auf und klammerte mich an ein Tau. Der Himmel hinter uns war kohlschwarz, doch vor uns strahlte der Mond und erhellte die Finsternis. In seinem Schein raste eine riesige Sturzwelle auf uns zu, über zwanzig Fuß hoch, die schäumende Gischt weiß im Mondlicht schimmernd. Plötzlich sah ich, wie die schwarze Silhouette des Walbootes auf dem Kamm der zusammenbrechenden Woge hoch emporschwebte. Dann ein Wasserschwall, das wilde Rauschen der kochenden Gischt, und ich klammerte mich mit aller Kraft an das Tau, hing daran wie eine vom Sturm gepeitschte Fahne.

       Dann verlief sich die Woge, die über uns hinweggegangen war. Mir schien es, als sei ich Minuten unter Wasser gewesen – dabei waren es nur Sekunden. Ich blickte nach vorn. Das Großsegel hatte sich losgerissen und flatterte hoch in der Luft wie ein riesiger verwundeter Vogel. Einen Augenblick herrschte Stille, und ich hörte, wie Job verzweifelt schrie: »Kommt hierher ins Boot!«

       Obwohl halb betäubt, hatte ich doch genug Besinnung, zum Heck zu stürzen. Ich spürte, wie die Dhau unter mir sank – sie war voll Wasser. Unter ihr schwankte das Walboot wild hin und her, und ich sah, wie Mahomed, der arabische Steuermann, hineinsprang. Verzweifelt zerrte ich an dem Tau, um das Boot näher heranzubringen; dann sprang auch ich und rollte, von Job an einem Arm aufgefangen, über den Boden des Bootes. Die Dhau versank rasch in der Tiefe. Mahomed zog im letzten Moment sein krummes Messer, kappte das Tau, das uns mit ihr verband, und wir sausten, vom Sturm getrieben, über die Stelle, wo eben die Dhau noch gewesen war.

       »Großer Gott«, schrie ich, »wo ist Leo? Leo! Leo!«

       »Er ist ertrunken, Sir, Gott sei ihm gnädig!« brüllte mir Job ins Ohr, doch in der rasenden Bö klang es wie ein leises Flüstern.

       In tiefster Pein rang ich die Hände. Leo ertrunken, und ich am Leben, ihn zu betrauern!

       »Achtung«, schrie Job, »da kommt noch eine!«

       Ich drehte mich um; eine zweite riesige Woge brach über uns herein. Fast hoffte ich, in ihr umzukommen. Wie gebannt blickte ich ihr entgegen. Der Mond war jetzt von Wolkenfetzen fast verdeckt, doch sein Licht reichte aus, auf ihrem Kamm etwas Dunkles zu erkennen – einen Teil des Wracks, wie mir schien. Jetzt schlug sie über uns zusammen und füllte das Boot fast bis zum Rand mit Wasser. Doch dank der wasserdichten Abteile – der Himmel segne ihren Erfinder! – richtete es sich wieder auf wie ein Schwan. Durch die Gischt sah ich das schwarze Etwas auf der Woge auf mich zustürzen. Ich hob den rechten Arm, um es abzuwehren, und da schloß sich meine Hand um einen anderen Arm, um ein Handgelenk, das ich mit aller Kraft umklammerte. Obwohl ich sehr kräftig bin, drohten das Gewicht und der Druck des treibenden Körpers mir fast den Arm auszurenken, und hätte die Sturzsee sich noch zwei Sekunden länger über uns ergossen, so hätte ich loslassen müssen oder wäre mitgerissen worden. Doch sie ging schnell vorbei, und wir standen bis zu den Knien im Wasser.

       »Ausschöpfen! Ausschöpfen!« schrie Job und machte sich unverzüglich ans Werk.

       Ich konnte mich jedoch nicht sogleich ans Ausschöpfen machen, denn in diesem Augenblick fiel ein letzter Strahl des hinter Wolken verschwindenden Mondes auf das Gesicht des Mannes, den ich gepackt hatte und der jetzt, halb schwimmend, auf dem Boden des Bootes lag.

       Es war Leo! Die Woge hatte Leo zurückgebracht – tot oder lebendig, zurück aus den Klauen des Todes.

       »Ausschöpfen!« schrie Job immer noch. »Sonst kentern wir!«

       Ich ergriff ein großes Zinngefäß, das unter einem der Sitze angebracht war, und wir schöpften zu dritt aus Leibeskräften. Der Sturm fegte über uns hinweg und schleuderte das Boot hin und her, und der Wind und die salzige Gischt blendeten und verwirrten uns, doch wir arbeiteten mit der wilden Lust der Verzweiflung. Eine Minute! Drei Minuten! Sechs Minuten! Langsam hob das Boot sich aus dem Wasser, und zum Glück brach keine weitere Woge über uns herein. Nach weiteren fünf Minuten war das Boot wieder einigermaßen klar. Plötzlich aber übertönte das schreckliche Geheul des Orkans ein dumpfes, tieferes Brausen. Großer Gott! Es war die Stimme der Brandung!

       In diesem Augenblick trat hinter der Bö der Mond wieder aus den Wolken hervor. Weit vor uns, jenseits des aufgewühlten Ozeans, fielen seine Strahlen auf einen dünnen Schaumstreifen, und dahinter sahen wir ein kurzes Stück gähnenden Dunkels, dem ein zweiter weißer Streifen folgte. Es war die Brandung, und ihr Tosen wurde immer lauter und klarer, während wir wie eine Schwalbe auf sie zuschossen. Kochend und schäumend lag sie vor uns wie ein Höllenrachen.

       »Ans Steuer, Mahomed!« schrie ich auf arabisch. »Wir müssen durch!« Zugleich ergriff ich ein Ruder und bedeutete Job, es mir gleichzutun.

       Mahomed kletterte nach hinten und packte das Steuer, und Job, der manchmal auf einem Fluß in der Heimat mit einem Boot gefahren war, steckte sein Ruder ins Wasser. In der nächsten Minute richtete sich der Bug des Bootes auf die Schaummassen, denen wir uns mit der Schnelligkeit eines