Sonne satt. Roma Hansen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roma Hansen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738039245
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sie ihm, sagt eher müde:

      „Meine Kraft reicht nur für den Gedankenanstoß. Leo meldete sich aus Berlin zu Besuch an, dafür erhoffe ich von Herzen das Ende des Orkans.“

      Sie plumpst auf einen Stuhl, indes Anton herum hantiert mit seinen Kräuterteedosen. Margaritas abgearbeitete Miene umfängt er dann mit einem Blick, der ihr seine Freude zeigt.

      „Leo zu Besuch, wie schön!“

      Er neigt vor den Dosen den Kopf, dreht dann Margarita seine kleinen engen Augen zu, in denen ein Scherz blinkt.

      „Mir ist die Kräuterkunde gut genug vertraut, damit dir ein ein Geistesblitz für meinen Gartenwust kommt. Und Leo soll mich auch nicht aufzuheitern haben. Also trinken wir einen Glückstee nach dem uralten Rezept, gegen ein Jegliches wuchs ein Kraut.“

      4

      In den Flieger aus Berlin dringt über Funchal ein Azurblau, wie selten im deutschen März. Hohl klingt das Applaudieren dennoch aus den Reihen der dreihundert und mehr Sitze, wo tief geatmet wird nach windiger Landung. Auf der Rollbahn holpern die Räder, und ebenso die Blicke der Fluggäste auf die vor den Berghöhen glitzernden Atlantikwellen, fast ohne jedes Lächeln.

      Flink nesteln Hände an den Sitzgurten, obgleich der Flieger noch nicht steht und die Lautsprecher schnorren: „... bis die endgültige Position erreicht ist.“ Wie gehörlos recken sich die Ersten nach den Handgepäckkästen. Doch einige Luftraumerfahrene träumen Madeira entgegen, bleiben sitzen, passiv wie Leo.

      Leo beobachtet diese wenigen Wissenden, die keine Sekunden kennen. Erstkommende strukturieren den perfekten Urlaub voraus in der Idee, das Beste aus allem mitzunehmen. Leo läuft nichts weg. Auf sie wartet ein vorbestelltes Motorrad.

      Nach einer halben Stunde stemmt Leo ihre roten Stiefeletten auf einen Jeepanhänger, und rollt das Geländerad von der Rampe. Ihre sehnigen Hände greifen zu, prüfen die Technik rundum. Auch den Tank, vor den besorgten Blicken einer sie musternden jungen Einheimischen. Von ihr nimmt sie die Kontrollpapiere an, stopft die in ein Innenfach der rot paspelierten Lederjacke, zurrt den Reißverschluss hoch. Leo schwingt ein Lederhosenbein über den Sitz, und schon trippeln die hohen Absätze der Jeepfahrerin auf einer Stelle. Zu ihr weitet Leo ihre reisemüden braunen Augen.

      „Ich weiß, wo die Insel des ewigen Frühlings grün ist. Und Senhora Maria hat ein Auge auf diese hutzelige Touristin, die Maschine bleibt heile! Meine Überreste entsorgt niemand.“ Eine Hand klatscht die junge Frau an den Mund, Leo legt den ihren in ironische Falten, und ergänzt: „Ich kenne das Gerede über den Lebensmüden, abgesprungenen vom Cabo Girao, fünfhundert Meter tiefer an den Klippen zerschellt. Ihre Kandidaten erreichen mit Pestiziden im Wein kein so endgültiges Resultat.“

      Leo zieht den Auspuff knatternd durch, und setzt ihren Helm an die weißgrauen Strähnen, die alsbald hinter ihr flattern.

      Die junge Frau bekreuzigt sich, klappt rasch die Rampe ein, und die Jeeptür hinter sich zu. Sie sieht dem kleiner werdenden Punkt nach, er verschwindet im ersten Tunnel.

      Vor der Gärtnerei schaltet Leo neben Margaritas erdverkrustetem Moped den Motor ab. Ein rostiges Ausstellungsregal sehend, mit Blumentöpfen bestückt, bemerkt Leo dahinter im Glas die Sprünge und Rahmen mit Pappen ausgefüllt. Den Boss vermutet sie in der Mittagssonne und lauen Luft dösen, lieber, als sein Gewächshaus zu reparieren. Kein Vergleich mit den an allen hektischen Tagen einen Schlips tragenden Berliner Bankern.

      Margarita eilt in wiegendem Gang heran, ihre grüne Schürze in den Jeansbund krumpelnd. An den Wangen ziehen feine Falten ihre Frühjahrsbräune in ein frohes Grinsen.

      „Ola, Berliner Weiße!“, ruft sie schon, ihre Hände strecken erdige Haut vor, sodass Leo kommentiert: „Hallo, Landei!“ Sie zieht den Helm ab, reckt dann beide Arme zur Begrüßung, und ulkt fröhlich: „Dein Stutenfohlen funktioniert noch?“

      Margarita nickt über der prächtigen Leihmaschine, Leo hält es nicht mit ihrer Denkart.

      „Bergaufwärts könnte ich zwar Blumen pflücken, aber für die WG sind drei Schadstoffschleudern genug. Sei willkommen, liebe Freundin, nur leider ist meine Mittagspause um und mir stehen, im Vergleich zu dir, vor Eile die Haare zu Berge.“

      „Wie das? Gehen Madeiras Uhren doch wie im Rest der Welt?“

      „Nur sonst nicht, uns piekt der Auftrag zum Blumenfest, und der Chef lässt auch die grundlegenden Schäden bearbeiten. Kurz ist er fort, bin knapp erlöst.“ Durch ihr kinnlang braunes Haar streichend, fragt Margarita dann: „Magst du sehen, wie weit wir sind? Drei zusätzliche Arbeiter ernten an den Terrassen unten Paradiesvogelblumen, die Anfang März im Temperatursturz eines zweistündigen Hagelsturms brachen. Der Boss beaufsichtigte die quasselnden Kerle, ihn respektieren sie, so lange er ihnen den Rücken nicht zudreht. Mir ein Gräuel, aber nun muss ich hin.“

      „Dein Meister liegt nicht im Streicheln seines Egos hinter dem ramponierten Gewächshaus?“ Leo schlägt eine Parallele, und sprudelt hervor: „Freilich wirkt es nicht so zerstört wie Chile vom verheerenden Erdbeben und dem Tsunami am 27. Februar. Diese Warnung ging an Australien, Hawaii und Japan, und flatterte in unsere Bank. Zu aller Aufatmen kam die befürchtete Höhe nicht an. Die Saison der Tornados ab April in USA lässt mit Weiterem rechnen. Hier schiebe ich dergleichen weg, ebenso alle in rote Zahlen gehende Immobilienfonds.“

      Ins Azurblau, in den Strahlenkranz des Feuerballs blinzelt Leo. Ihre weißen Vorderzähne blitzen im Mund über ihrem spitzen Kinn, an das sich im Senken weißgrau ihr Haar wellt.

      „Ihr steht alle am Schlauch - ich bin weg vom Krötenkrampf! Die Sonne scheint satt, komm schon, seil dich mit mir ab!“

      Grinsend zuppelt Margarita an Leos Jackenverschluss, wobei sie die dunklen Ränder kurzer Fingernägel präsentiert.

      „Ich wage es nicht. Heute streichelt der Meister keinen und am wenigsten sich selber. Aber zwinkert er, dann vibriert auch etwas Erotik für mich.“

      „Ah? Entsichert er seine Managermaske? Und regt sich was?“

      „Noch ist der Gärtnermeister eine fette Raupe, schlüpft er zahm, rank und schlank, dann vielleicht. Bis dahin fälteln sich meine Hände wohl noch mehr auf.“

      Leo stampft mit den Stiefeletten an den Boden.

      „Ach, dein altersgenügsames Gefüge bioelektrischer Schläge! Aber gut, ein Hund verhunzt nur deinen Teppich, nicht das ganze Leben, erinnere die Filme aus den Sechzigern!“

      Leo sieht Margaritas Blick von sich ab, in sich kehren, und ihre Hände betasten, von denen sie Erdstaub abreibt.

      „Vorrang hat, etwas zum Leben zu haben. Hast du die großen Plastikblüten hoch oben an den Straßen im Vorbeifahren gesehen, den Festschmuck? Die Gebilde, die meinen Namen ehren?“

      „Die verbraten die knappen EU-Gelder, die Portugals Kassen fehlen. Der Armutsstand wird Madeira immer zugeordnet, aber der gibt euch einen bezahlbaren Standort, verglichen mit dem teuren Deutschland. Na, Schwamm drüber.“

      „Oh, das ist dein handfestes Pokerwissen. Gelder fehlen den Blumenbauern, für die Überseeimporte, zum Schmuck der Wagen im Blumentorso. Madeira erhielt EU-Zuschüsse für die dem Tourismus nutzenden Tunnel. So kommen Gelder ins Land.“

      „Die locken die Leute nach Funchal in die Hast, was für ein Urlaub! Ich freue mich auf euren prächtigen Quintagarten. Jedes Mal, insbesondere nach den Monaten, in denen hier Spinnen ihre Gewebe ausbreiten, fühle ich mich mit wahrer Naturverbundenheit beschenkt. Ich spüre schon die duftreiche Abendfeuchte ins Hemd dringen. Eine so köstliche Erfahrung, wie die Himmelsfarben auf die Sinne. Sogar die Nebel morgens, steigen sie ins Nirgendwo, derweil ich ganz gelassen meine Aktivitä plane. Ach, schön!“

      Margarita tritt vor Augen der Wetterschaden im Februar, von Anton nicht beseitigt, der motiviert ihn beileibe nicht.

      „Ja, genieße nur das Schöne“, haucht sie, zurückhaltend