Sonne satt. Roma Hansen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roma Hansen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738039245
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      „Ich liebe Sturm, bin nun ausgekühlt.“ Eine Pranke reckend, wispert er: „Die reiche ich Ihnen nicht, die wühlte in Erde. Bin übrigens Carel, ein Naturforscher. Guten Tag!“

      Usas Mundwinkel zucken, während sie das runde Gesicht unter der landestypischen Ohrenklappenmütze mustert. Welcher Spezies gehört Carel fürwahr an? Das will sie mit mutwillig ernsthafter Tonlage nicht wissen.

      „Ist es in Ordnung, Sie nach Ponta do Sol mitzunehmen?“

      „Fantastisch! Habe heute genug erledigt.“

      Carels zufriedenes Gesicht weicht ihrem forschenden Blick aus. Antons dagegen zieht, mitsamt einer glühenden Frage darin in ein Blinzeln, und klimpert mit den Wimpern.

      „Nur zu, Usa. Der Herr will, wohin wir fahren.“

      Er reibt über sein linkes Ohr, schweigt aber. Usa kennt die Geste, und dirigiert den Jeep über von Schlaglöchern gesegnete Kurven talwärts, rutschig von nassen Eukalyptusblättern. Rasant schleudern die Reifenprofile hindurch, und im Heck klappert der Einkauf, wo er nicht mit Nudelpaketen verkeilt wurde. Ab und an linst Usa im Rückspiegel zu dem Erbleichten. Meldet ihm bald:

      „Ab jetzt geht es nur geradeaus, danach halten wir.“

      „Trifft sich gut“, grunzt Carel aus schmalen Lippen. „Diese Abkürzung kannte ich noch nicht. In der Ortsmitte, da unten am Kreisverkehr, steige ich aus. Mein Hotel liegt auf der Klippe.“

      Nach dem Durchfahren des Kreises mit seinen vier Abzweigen, steigt Carel in der Haltebucht des Regionalbusses kommentarlos aus, und schlurft fort durch einen erneut einsetzenden Schauer.

      Anton beklopft mit einem Finger seine Nase.

      „Klippenhotel! Vera kennt persönlich die Gäste und sie wird wissen, was für einen Charakter dieser Carel hat.“

      „Carel scheint dir ein absonderlicher Spinner zu sein? Das aus deinem Mund?“, japst Usa wenig heiter. tragikomisch im Ton.

      Anton schmunzelt, erklärt dann zögerlich sein Grübeln.

      „Ups! Du meinst, Gleich und Gleich erkennt sich leicht? Nur buddle ich nicht bei strömendem Regen im Naturschutzgebiet.“

      „Anpacken wirst du gleich müssen.“ Usa schaltet die Wischer ab, und startet mit dem Ausruf: „Zum Heimathügel in der Region Madalena do Mar! Noch einmal Serpentinen, dann erreichen wir unseren schmalen Asphaltweg mit all seinen gepflegten Häusern.“

      Wenig später fährt Usa auf ein holpriges Stück am Ende, und in die Parkzone der Quinta. An deren Fassade rankten Maracuja an einer Palisade in Höhe und Breite. Jeder Meter der sauberen Bruchsteine bezeugt mit seinen hellen Fugen die Umbauarbeiten.

      „Die schweren Kisten trage zur großen Küche. Unsere Tüten nehme ich mit zur Teeküche. Auf besser Wetter warte nicht.“

      Usa klappt ihre Kapuze über, öffnet dann rasch die Hecktür.

      Anton tritt neben sie und hebt eine Flechtkiste heraus.

      „Lian ist mit dem Kombi fort. Reißaus vorm Wetterkoller.“

      „Kaum, sie inspirieren wohl eher die Regentropfen für ihr Töpfern. Du bedauere Margarita, sie hört den ganzen Tag lang das Glas am Gewächshaus knattern. Sie wird abends taub sein.“

      Das Ausladen zieht sich hin. Unter dem vagen Windsäuseln in den Fingerblättern der Ranken an der Mauer. Nach wiederholtem Hin und Her stehen Anton und Usa am Jeep vor den letzten Tüten. Aber davon hält sie ein Sacken rechts hinten ab. Usa hockt sich irritiert vor den platten Hinterreifen. Sie sieht zu Anton hoch und fasst es nicht, wie viel Glück sie im Nachhinein erkennt.

      „Der Katastrophe Funchals sind wir entkommen und hier nicht sicher vor Schaden. Fahnden wir nach der Ursache?“

      Anton beugt seinen Rücken hinab an das seltsame Malheur.

      „Mürbe war der Reifen nicht! Manchmal schadet die Sonne dem Mantel über die Jahre. Der Plattfuß hat andere Gründe.“

      Antons Kommentar hört Usa schon hinter sich leiser werden. Sie geht gebückt, quert die Einfahrt, mustert den Wegschotter.

      Noch blinken die regennassen Nägel nicht im Sonnenschein, aber fallen Usas suchenden Augen in der Wucherung von Unkraut auf.

      „Schau dir das an, wie ausgesät! Extra ausgestreute Nägel! Kann das sein? Attackiert uns der Fremdenhass?“

      Herangehumpelt an die krummen Ungeheuer, bedeckt Anton im Schock mit einer Hand seinen Mund.

      Kindliches Kichern tönt an einer weit höher gelegenen Mauer aus den rankenden Polstern, die prachtvoll violett blühen. Das struppige Kraut versteckt weder die zwei Jungengesichter, noch das sich zur Mauerkrone nähernde, geblümte und zurückgebundene Kopftuch an einer alten Frau.

      „Jacko, vai aki!“, krächzt sie und zerrt den Einen am Ärmel mit sich. Der kleinere, also jüngere Bruder will fort sprinten, sie erwischt ihn am gelockten Haar. Er heult auf und zieht die Schultern zum Hals, obgleich kein bisschen eingeschüchtert. Am Grundstück nun kreischt und quiekt es, die Frauenstimme zetert bruchstückhaft. „Policia“, tönt darin, und Schlagen auf Haut.

      „Sie straft sie“, murmelt Usa hart. „Mir sagen meine Sinne, nicht zum ersten Mal. Die Alte ahnt nicht, wie sehr sie das natürliche Vertrauen der kleinen Frechdachse erschüttert.“

      „Sie handelt nach ihrem Unrechtsbewusstsein, bläut es ein“, bestätigt Anton heftig nickend. „Ja, Prügel werden für immer ins Gedächtnis gebrannt. Ich fege für die uns Nachkommenden.“

      Anton greift zu den Tüten und folgt Usa, humpelnd an seinem unfallbedingt kurzen Bein. Hernach kehrt er die unseligen Nägel in den Schmutz am Weg. Danach betrachtet er oberhalb das einer verfallenen Hütte gleichende Häuschen, von dem moderne Menschen nie annehmen würden, darin wohne jemand mit Kindern.

      Es pladdert erneut. Anton flüchtet in Richtung Balustrade, unter den Balkon vor den Räumen von Margarita, Vera und Maik, und weiter in seine und Usas Teeküche. Eintretend, begegnet ihm Usa im grau gefliesten Flur, den sie quert in fünf Schritten an Bad und Büro vorbei. Sie lehnt sich zu ihm an die Herdzeile mit dem Regal der Kräuterdosen darüber.

      „Seit wir losfuhren, filterten die Lufttrockner literweise Wasser, den feuchten Wänden entgegengewirkt. Den Brummer im Büro stellte ich ab, mag das Geräusch nicht.“

      Ihr Blick auf Anton verkündet das Ende des Nägeldramas. Mit einem weichen Klang, der selbst ihm angenehm gefällt an seiner sonst so tiefen Stimme, erwidert er:

      „Klar! Genehmigen wir uns aus der Espressomaschine Bickas? Maik scheint lange fort zu sein, er ließ den Küchenkamin drüben kalt. Ich montiere ohne ihn das Ersatzrad nach dem Schauer.“

      Bald stehen am schmiedeeisernen Küchentischchen dampfende Tässchen, am dazu passenden eisernen Stuhl sitzt Usa eingehüllt in eine Jacke. Sie zupft am mittleren Knopf, worunter ihr Busen wogt, und schaut in die fingerdicken Rinnsale vor dem Fenster.

      „Der graue Tag hält sich nicht an Madeiras Regel von drei Tagen. Seit drei Wochen kreist am Atlantik der Orkan.“ Usa sagt es erschöpft, doch spürt die Zeit einer anderen Erklärung wäre gekommen. „Den ertrage ich, seit ich gemobbt werde.“

      „Ups! Das belastet dich! Letzthin gingst du auffällig krumm umher. So sitzt du auch jetzt hier.“

      „Zu Gunsten einer jüngeren Frau werde ich abgedrängt. Sex sell’s ist die aktuelle Devise. Der Chef wird sich noch wundern und sein Haar raufen! Wenige Gäste begeben sich in fremdartige Hände, stehen auf billige Menschlichkeit! Deren Vertrauen muss locker sitzen, sonst stecken ihre Euros in der Börse fest.“

      Eine Armlänge entfernt, sieht Anton das bildhaft. In seine Augen tritt ein feiner Humor und etwas tröstliche Sympathie.

      Usa gewahrt es, es erleichtert ihr, neu anzusetzen.

      „Das kam nicht unerwartet. Längst merkte ich, dem Chef galt meine Fachkompetenz nichts