Auf getrennten Wegen. Christian Linberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Linberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131602
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knurrte.

      Das war ein reizvoller Leckerbissen. Wenn sie nur entfernt so schmeckte, wie sie stets roch, wäre sie eine echte Delikatesse. Lautlos schlich er ihrer Duftspur hinterher. Sie war nicht weit weg, kaum eine halbe Meile.

      Bei all dem Gestank stach dieser Geruch so deutlich aus der Umgebung hervor, wie ein Leuchtfeuer in der Nacht. Zweimal musste er unterwegs anhalten, um sich vor einer Gruppe Blutbäume zu verbergen. Solange er sich nicht bewegte, war er praktisch unsichtbar, eine Gabe, die er bislang sorgsam vor seinem Rudel verborgen hatte. Sie hielten ihn immer noch für ein intelligentes Raubtier. Arkane Kräfte wären da nur schwer zu erklären gewesen. Doch Anaya hatte ihre Ansicht geändert, weil er den Fehler gemacht hatte, das Königsrudel zu erwähnen, was eine soziale Rangordnung unter allen Kargat verriet. Jetzt wussten die Alian Bescheid und bald die ganze Welt. Dann würden die Dämonen davon erfahren und sich fragen, was die Kargat noch alles verborgen hielten.

      Alles Sorgen für einen anderen Tag. Jetzt galt es zuerst, seinen Hunger zu stillen. Obwohl sein Gewicht dafür sorgen sollte, dass er tief im Morast versank, hinterließ er kaum mehr als flache Mulden, die sich rasch mit schlammigem Wasser füllten. Ein geübter Fährtenleser hätte keine Mühe, ihnen zu folgen, für die meisten Kreaturen, die er hier im Sumpf vermutete, waren sie jedoch praktisch unsichtbar.

      Auf dem Weg, den er eingeschlagen hatte, schwenkte er den Kopf gleichmäßig hin und her, weil er sicher gehen wollte, dass es wirklich nur Jiang war, die er witterte.

      Besser wenn ihn niemand beobachtete.

      Trotz seiner Sorgfalt wurde der Abstand zwischen ihnen rasch geringer. Hinter dem nächsten Hügel musste sie irgendwo sein.

      Geduckt schlich er zwischen niedrigem Gestrüpp und den Stümpfen abgestorbener Bäume um den Fuß des Hügels herum.

      So dauerte es zwar länger, bis zu seiner Beute, aber oben auf dem Hügel bot seine massige Gestalt ein zu gut sichtbares Ziel.

      Immerhin war Jiang mit arkanen Kräften ausgestattet, deren vollen Umfang er noch nicht gänzlich ergründet hatte. Möglich, dass sie ihm schaden oder ihm zumindest entkommen konnte.

      Lautlos folgte er einem dünnen Rinnsal, das zwischen verkrüppeltem Buschwerk hindurch ans Ufer eines träge vorbei strömenden Flusses führte. Fauliges Schilf säumte das Ufer an dieser Stelle. Flechten und Algen hatten sich darin verfangen. Zusammen mit abgebrochenen Zweigen zeigten sie an, dass vor Kurzem erst eine Flutwelle hier vorbei gerauscht war und den Unrat hier zurückgelassen hatte.

      Es dauerte einen Augenblick, bis er trotz seiner scharfen Augen die zierliche Gestalt von Jiang darunter ausmachen konnte.

      Sie lag regungslos halb im Schilf unter einem großen Ast eingeklemmt im Wasser.

      Zur Sicherheit witterte Shadarr sorgfältig in alle Richtungen. Außer dem schwachen Geruch von Seife, der von ihr ausging, konnte er keine anderen Lebewesen identifizieren, die in der Nähe verborgen lauerten.

      Äußerst vorsichtig schlich er näher heran. Keinen Augenblick ließ er die Umgebung aus den Augen.

      Gierig sog er den Geruch von Jiang auf. Das Wasser lief ihm im Maul zusammen, beinahe wie von selbst entblößte er seine gewaltigen Reißzähne. Die zierliche Frau bedeutete nicht mehr als zwei Bissen, allerdings zwei sehr wohlschmeckende.

      Gerade als er sie verschlingen wollte, nahm er ihre Witterung neu auf. Ihre Temperatur war erhöht, sie war krank. Das bedeutete, sie würde weniger gut schmecken, als erhofft. Er zögerte.

      Missmutig knurrte er einmal, dann schlossen sich seine mächtigen Kiefer um ihren zierlichen Körper.

      1 - 4 Leonide am Spieß -

      Kaum zu ertragende Agonie zerriss die Träume. Ein stechender Schmerz beendete die Bewusstlosigkeit auf einen Schlag. So musste es sich anfühlen, bei lebendigem Leib aufgefressen zu werden. Wenn sich die Zähne in den Körper bohrten.

      Doch wieso nur an einer Stelle?

      Knapp unterhalb der Rippen pulsierten Wellen der Pein durch Bauch und Brust. Eine Bewegung war unmöglich, Gegenwehr auch. Hoffentlich war es bald vorbei.

      Leider hatte er kein Glück. Kmarrs Gebete blieben ungehört. Er schämte sich für den fehlenden Mut nachzusehen, was passiert war, doch die Schmerzen waren zu groß. Er schmeckte Blut – sein eigenes – im Maul. Das Atmen fiel ihm schwer, außerdem hatte er Probleme damit, sein rechtes Bein zu bewegen. Sogar laut fluchen, knurren oder eine einzelne Kralle zu krümmen, sandte ein Stechen durch seine rechte Seite in alle Gliedmaßen.

      Mühsam besann er sich auf Jiangs Meditationstechniken. Eine gefühlte Ewigkeit konzentrierte er sich ausschließlich auf seine Atmung. Keine anderen Gedanken ließ er zu.

      Zunächst gelang es ihm nicht, doch er gab nicht auf und ganz allmählich lockerten sich seine verkrampften Muskeln.

      Das Luftholen fiel ihm leichter und die Schmerzen verringerten sich von unerträglich zu kaum auszuhalten. Er behielt seine Atemübungen bei, bemüht alle Muskeln zu entspannen so gut es ging.

      Schließlich erinnerte er sich an seine Umgebung. Ohne die Augen zu öffnen, rief er sich die Ereignisse der letzten Tage ins Gedächtnis. Die Flucht aus Kalteon, die abenteuerliche Wildwasserfahrt über die Brücke der Titanen, die kurze Reise durch die tödlichen Sümpfe Narfahels bis zur verfluchten Stadt ohne Namen in deren Mitte das erste der Siegel von Lahar gelegen hatte, und schließlich die gewaltige Flutwelle, mit der jemand versucht hatte, sie alle zu töten. – Möglicherweise mit Erfolg.

      Erst jetzt blinzelte er vorsichtig, um sich ein Bild von der Verletzung zu machen, die er erlitten hatte. Geschockt musste er feststellen, dass ein zwei Schritt langer Ast aus seiner rechten Seite ragte, knapp unterhalb seiner Rippen.

      Das andere Ende hatte sich tief in den Schlamm gebohrt und hielt ihn aufrecht.

      Zum Glück lehnte er mit der linken Seite von der Hüfte bis zu den Schultern an dem Baumstumpf, zu dem der Ast gehört hatte.

      Der Aufprall hatte ihn abgerissen und Kmarrs Gewicht hatte ihn tief in den Morast gedrückt.

      Viel mehr als dort zu verharren, war dadurch unmöglich.

      Immerhin bot sich ihm eine gute Aussicht.

      Er war nur eine halbe Meile von der Stadt entfernt gelandet, nahe dem Ufer eines breiten Flusses. Ihre Mauern wurden von der untergehenden Sonne beleuchtet. Bald würde die Nacht hereinbrechen.

      Er konnte sogar Shadarr spüren, allerdings war dieser mehrere Meilen weit weg und entfernte sich stetig weiter. Es schien ihm gut zu gehen, doch mehr vermittelte ihm das geistige Band nicht.

      Zumindest einer hatte die Ereignisse also unbeschadet überstanden. Nicht das Kmarr sich darüber gewundert hätte. Das Kargat war unverwüstlich.

      Noch nie hatte er Shadarr ernstlich verwundet gesehen. Nur ganz zu Beginn, als Drakkan ihn das erste Mal mitgebracht hatte, hatten beide so gewirkt, als würden sie jeden Augenblick tot umfallen, so schwer waren ihre Verletzungen gewesen.

      Ähnlich wie die die er selbst gerade erlitten hatte.

      Ohne Hilfe würde er hier sterben, das war ihm sofort klar geworden, als er den Ast entdeckt hatte.

      Möglicherweise konnte er sich davon befreien, aber dann würde er verbluten. Doch solange er ihn nicht entfernte, würde die Wunde nicht heilen, sondern sich entzünden und ihn auf diese Weise schwächen, bis er schließlich starb.

      - Wenn nicht zuvor ein Schwarm Libellenegel oder eine Gruppe Blutbäume über ihn stolperte.

      Die Situation war ziemlich aussichtslos. Überrascht stellte er fest, dass er nicht bedauerte, nicht im Kampf gefallen zu sein, wie es bei seinem Volk als höchstes Ziel galt, sondern nicht mehr in der Lage zu sein, all die wunderbaren Erfindungen aus Biraanogks Buch nachzubauen, die nur darauf warteten von ihm wiederentdeckt zu werden.

      Außerdem würde er wohl nicht mehr erleben, wie Drakk zwischen Jiang und Anaya gefangen allmählich gezähmt würde. Auch wenn er als Leonide zu einer wilden