Die fleischliche Lust
Die Adern, die in der Leber und im Bauch des Mannes sind, treffen sich in seinen Genitalien. Und wenn die Erregung der Lust vom Marke des Mannes ausgeht, gelangt sie in die Geschlechtsteile und erregt im Blute den Vorgeschmack der Lust. Und weil diese Teile eng und fest eingeschlossen sind, kann jene Erregung sich nicht genügend verbreiten und erglüht dort stark in Lust, so dass sie in dieser Glut selbstvergessen sich nicht enthalten kann, den Samenschleim zu entsenden; denn wegen der Eingeschlossenheit der Schamteile entbrennt das Feuer der Lust heftiger, wenn auch seltener, in ihm als in der Frau.
Denn wie auf grossen Wellen, die sich von starken Stürmen auf Flüssen her heben, ein Schiff heftig kämpft und kaum sich halten und widerstehen kann: so kann auch im Sturm der Wollust die Natur des Mannes sich schwer zähmen. Aber auf Wellen, die von sanftem Winde sich erheben, und in Stürmen, die von sanfter Windbewegung herrühren, kann sich der Nachen, wenn auch mit Mühe, halten: so ist des Weibes Natur in der Wollust, da sie sich leichter bezwingen kann, als die Art der Wollust des Mannes.
Diese gleicht dem Feuer, das erlischt und wieder angefacht wird; denn wenn es fortwährend glühte, würde es Vieles verzehren: so erhebt sich die Lust ab und zu im Manne und sinkt dann wieder; denn wenn sie immer in ihm wütete, könnte er sie nicht ertragen.
Von der Empfängnis
Wenn das Blut eines Mannes in der Glut der Wollust aufschäumt, gibt es Schaum von sich, den wir Samen nennen; so gibt ein Topf am Herdfeuer in Folge der Feuerhitze Schaum von sich. Wenn nun einer vom Samen eines Kranken empfangen wird oder von schwächlichem, ungekochtem Samen, der mit eitrigem Saft gemischt ist, der ist in seinem Leben meistens krank und voll Fäulnis, wie Holz, das, von Würmern durchbohrt, vermodert. So einer wird denn oft voll von Geschwüren und Eiterbeulen und zieht den eitrigen Krankheitsstoff aus den Speisen leichter an sich zu dem Eiter, den er schon hat. Wer davon frei ist, ist gesunder. Wenn der Same aber geil ist, wird der aus ihm empfangene Mensch unmässig und geil.
Wenn ein Mann unter Erguss kräftigen Samens und in treuer Liebe zur Frau zu ihr kommt und sie dann auch die rechte Liebe zum Manne hat, dann wird ein männliches Kind empfangen; denn so hat es Gott eingerichtet.
Wenn der Mann seine Frau treu liebt, die Frau aber den Mann nicht, oder auch die Frau den Mann liebt, aber der Mann nicht die Frau, und der Mann dermalen nur dürftigen Samen hat, so entsteht ein weibliches Kind.
Die Wärme der Frauen von dicker Konstitution ist stärker als der Samen des Mannes, so dass das Kind häufig ihnen ähnlich wird; die Frauen von magerer Konstitution bekommen oft ein Kind, das dem Vater ähnelt.
Von der Empfängnis (II)
Folgendermaßen aber entsteht jeder Mensch durch Zusammengerinnen. Der Mensch hat Willen, Überlegung, Macht und Einverständnis. Zuerst kommt der Wille, denn jeder Mensch hat einen Willen Dies oder Jenes zu tun. Dann folgt die Überlegung, ob etwas passend oder unpassend, lauter oder unlauter sei. Die Macht ist das Dritte, sie setzt eine Handlung durch; das Einverständnis schliesst sich an, da ohne dieses ein Werk nicht vollendet werden kann. Diese vier Kräfte sind bei der Entstehung des Menschen tätig. Die vier Elemente rufen viererlei Säfte im Menschen hervor, wenn sie in stürmischer Fülle nahen: das Feuer, das Trockne, entflammt den Willen, die Luft, das Feuchte, erregt die Überlegung, das Wasser, das Schäumige, lässt die Macht aufwogen, die Erde, das Milde, lässt das Einverständnis hervorsprudeln.
All dies fliesst über und ruft Sturm hervor und leitet aus dem Blut giftigen Schleim, den Samen, hervor, welcher an seinem richtigen Ort geleitet sich mit dem Blut des Weibes vermischt und davon blutig wird. Aus der Lust, welche die Schlange beim Apfelgenuss dem ersten Menschen eingeblasen hat, entsteht die Empfängnis, weil dann das Blut des Mannes durch die Lust erregt wird. Dies Blut gibt dem Weibe kalten Schleim, und dieser erstarrt von der Wärme des mütterlichen Fleisches und dehnt sich zu einer blutigen Form aus und verharrt in dieser Wärme so, bis er von der Ausschwitzung des Trocknen in den Speisen der Mutter zu einer kleinen menschlichen Gestalt anwachsend sich verdichtet und das Zeichen des Schöpfers, das den Menschen geschaffen hat, diese dichte Gestalt durchdringt, wie ein Goldschmied ein Gefäss mit erhabener Arbeit anfertigt.
Und dann formt sich aus ihm wie ein Bild die Menschengestalt, Mark und Adern fügen sich wie Fäden in sie ein, verteilen sich und bilden überall feste Bänder, und gleichsam eine Eihaut umgibt das Mark, die später zu Knochen wird (…) Doch noch ist diese Gestalt von solcher Stumpfheit, dass sie sich nicht bewegen kann, und sie liegt da, als ob sie schlafe und wenig atme. Und der Lebenshauch durchdringt und füllt und stärkt sie in Mark und Adern, so dass sie mehr wächst als bisher, bis sich Knochen über dem Mark ausdehnen und die Adern stark genug werden, um das Blut festzuhalten.
Dann bewegt sich das Kind so, dass die Mutter es fühlt, als ob es plötzlich erwache, und von da an bleibt es immer lebhaft. Denn der lebendige Odem, die Seele, zieht nach dem Willen der Allmacht in die Gestalt ein und macht sie lebendig und hält in ihr überallhin seinen Umzug, wie der Wurm, der Seide spinnt, in der er sich wie in seinem Haus einschließt.
Nachdem der Same des Mannes an seine richtige Stelle gelangt ist, so dass er Menschengestalt annehmen muss, dann wächst um diese Gestalt vom Monatsblut der Mutter gefässartig eine Haut, die sie völlig umgibt, damit sie sich nicht bewegt und falle; denn das geronnene Blut sammelt sich dort so, dass die Gestalt in seiner Mitte ruht, wie der Mensch in seinem Hause. Und in ihm hat sie Wärme, und eine Hilfe wird ihm von dem schwarzen mütterlichen Leberblute bis zu seiner Geburt aufgezogen. Und das Kind bleibt solange in dem Gefäß eingeschlossen, bis seine Vernunft verlangt, dass seine Menschenfülle hervortrete. Da kann und darf es nicht mehr eingeschlossen bleiben und schweigen, denn im Mutterleibe kann das Kind nicht schreien.
Wenn aber die Geburt beginnt, zerreisst das Gefäss, in dem das Kind eingeschlossen ist, und die macht des ewigen Gottes, die Eva aus der Seite Adams bereitet hat, naht und kehrt alle Winkel der Behausung des mütterlichen Körpers von ihren Plätzen. Und die Fugen der Mutter bieten sich dieser Kraft dar und nehmen sie auf und öffnen sich. Und so halten sie fest, bis das Kind herauskommt, und dann schliessen sie sich zusammen, wie sie vorher gewesen sind. Auch die Seele des Kindes merkt, während es hinaustritt, die Macht der Ewigkeit, die sie geschickt hat, und ist fröhlich; wenn es aber heraus ist, bricht es in Weinen aus, weil es die Finsternis der Welt spürt.
Von der Milch
Wenn ein Weib vom Manne empfangen hat und der Same in ihr zu wachsen beginnt, dann zieht sich von derselben natürlichen Kraft das Blut der Mutter aufwärts zu den Brüsten, und was von Speisen und Getränken Blut werden müsste, verwandelt sich zu Milch, damit von ihr das Kind, das in ihrem Leibe wächst, ernährt werden kann. Wie das Kind im Mutterleibe zunimmt, so mehrt sich auch die Milch in den Brüsten, damit das Kind davon ernährt werde.
Vom Monatsfluss
Bei zunehmendem Mond mehrt sich das Blut im Weibe wie im Manne, bei abnehmendem mindert es sich, bis zum 50. Lebensjahr. Während sich aber das Blut des Mannes nur bei abnehmendem Monde mindert, wird es bei der Frau auch während der Menstruation geringer. Wenn diese also die Frau bei zunehmendem Monde trifft, dann hat sie mehr Schmerzen, als wenn es ihr bei abnehmendem passiert; denn dann müsste es sich mehren, während es sich mindert.
Nach dem 50. Jahr richtet sich Zunahme und Abnahme des Blutes nicht mehr nach dem Mondlauf in solcher behänden Stärke wie vorher, sondern das Blut lässt das Fleisch bis zum 80. Jahr etwas dicker werden, als vorher, weil Abnahme und Zunahme des Blutes aufhört. Nach dem 80. Jahr schwindet Fleisch und Blut des Mannes, die Haut zieht sich zusammen, es entstehen Runzeln, während in der Blütezeit seine Haut glatt und gespannt war, weil Fleisch und Blut voll waren. Weil nun nach dem 80. Jahr beim Manne Fleisch und Blut dahinwelken, wird er schwach und bedarf wie ein Kind fortwährend der Speise und des Getränkes, um erfrischt zu werden, damit durch die Nahrung ersetzt werde, was er an Fleisch und