19.11.2004: Schön langsam wurde es ungemütlich in der Union. Zwar hatten sich die Parteispitzen auf einen "Gesundheitskompromiß" geeinigt gehabt, doch weil den der für die CSU zuständige Sozialpolitiker und Gesundheitspolitikfachmann Torsten Feehoffer als "ungerecht" brandmarkte und demzufolge ablehnte, hatte man ihn über die Klinge springen lassen und ihm die Zuständigkeit für die Gesundheitspolitik kurzerhand entzogen. Auf dem CSU-Parteitag war die Stimmung deswegen leicht gedrückt, denn in der Partei sympathisierten viele mit Feehoffer und seiner Kritik. Nichtsdestotrotz setzte sich die Parteispitze bei der Abstimmung, so wie eigentlich immer, selbstverständlich durch und da Feehoffer auf dem Parteitag nicht aufgetreten war, weil er erst gar nicht antanzen hatte wollen, gab es zwar ein deutlich vernehmbares Grummeln bei der Basis, aber einen Aufstand wagte natürlich mal wieder niemand. Sträuber war zufrieden, er hatte für Ruhe in der Union gesorgt und konnte sich seiner Sache wieder recht sicher fühlen.
Ende November 2004: Wenn da eben nicht noch eine andere Baustelle gewesen wäre, die ständig Probleme sowie Ärger verursachte. Bei jener handelte es sich um die bayerische Kultusministerin Marina Kohlfeier, die es mittlerweile geschafft hatte, sich bei allen irgendwie an der Schulpolitik Beteiligten unbeliebt zu machen, was ja an und für sich auch schon eine durchaus beachtliche Leistung darstellt. Außerdem hing ihr immer noch der Stimmenkaufskandal der Münchner CSU wie ein Klotz am Bein und den wurde sie so schnell nicht los. Einer Braus-Tochter wurde schließlich alles Mögliche und Unmögliche zugetraut, deshalb hieß es nun plötzlich auch, zwei der Mitwisser, die sie belasten hätten können, wären mit Jobversprechen ruhig gestellt worden. Was wirklich dahintersteckte wird man wie so oft wohl nie erfahren, fest stand jedenfalls, daß es für die Mari immer enger wurde, denn die Unzufriedenheit mit ihr sowie ihrer Arbeit wuchs und aus der ehemaligen Retterin der Münchner CSU war inzwischen eine selbst schwer gebeutelte, angeschlagene Ministerin geworden, die immer mehr zu einer Belastung für das Kabinett und die ganze CSU mutierte. Was hätte Hans Werner Braus wohl dazu gesagt? Vermutlich alle Journalisten und Kritiker übelst beschimpft und so getan, als wäre seine Tochter das Opfer der Medien, mit der Wahrheit nahm man es im Hause Braus ja nie so genau, von daher war es wohl besser, daß der Alte das nicht mehr erleben mußte.
07.12.2004: Das Jahr ging dem Ende entgegen und in der Union herrschten auf einmal Friede, Freude und Eierkuchen. Man war stolz auf sich und Deutschland, nur nicht auf die Bundesregierung, aber alle Unklarheiten und Differenzen waren ausgeräumt worden, man verstand sich wieder prächtig miteinander, die Störenfriede Nerz und Feehoffer waren abgetreten, beziehungsweise zurechtgestutzt worden und so etwas wie vorweihnachtlicher Friede legte sich über die Gemüter. Man bejubelte sich selbst, lobte die eigene Arbeit sowie die tollen Wahlerfolge und beschwor die Geschlossenheit der Union, was im Grunde nichts Anderes bedeutete, als daß die Kritiker endlich die Klappe halten sollten, um den angestrebten Wahlsieg 2006 nicht zu gefährden.
Nur ein Mann fühlte sich nicht sonderlich wohl und war auch nicht gerade glücklich. Herwig-Joachim Karenz hieß der Gute, war Sozialpolitiker der CDU in Nordrhein-Westfalen und wäre gerne wieder ins Präsidium der Partei gewählt worden. Aber er bekam nur 33,8 % der abgegebenen Stimmen, 50,1 Prozent hätten es allerdings schon sein müssen, damit er sein Ziel erreicht hätte. Warum wurde der nette Mann denn so abgestraft? Ganz einfach: Es war wenige Tage vorher bekannt geworden, daß der Schlaukopf 60000 Euro im Jahr und kostenlosen Strom von einer RWE-Tochter bekam und das ohne dafür eine sichtbare Leistung zu erbringen. Das roch schon ein bißchen stark nach Vetternwirtschaft sowie Korruption und war der CDU, insbesondere der nordrhein-westfälischen, welche sich immer lautstark gegen den Filz gewandt hatte, ziemlich peinlich. Na ja, der Mann wird seine Enttäuschung schon überwinden, schließlich bekommt er ja vom Stromriesen Schmerzensgeld und die ständigen Strompreiserhöhungen können ihm auch nichts anhaben.
Ende 2004: Zeit für einen Rückblick, mit Korn, aber ohne Zorn? Nun ja, Schräder und die SPD hatten sich gefangen, in der Wirtschaft würde es heißen, es war ihnen gelungen, sich zu konsolidieren und das war durchaus überraschend, denn die Massenproteste gegen die Agenda 2010 waren noch gar nicht so lange her gewesen. Mittlerweile hatte die Standfestigkeit des Bundeskanzlers für Respekt gesorgt und da sich zeitgleich CDU und CSU wegen der Kopfpauschale monatelang gestritten hatten, strahlte Schräders Schein noch heller als ohnehin. Plötzlich war Rot-Grün in den Umfragen vor Schwarz-Gelb, was nun wirklich fast niemand für möglich gehalten hatte. Aber über dem Berg war die SPD deswegen noch lange nicht, man betrachte da nur die Wahlergebnisse des Jahres 2004:
In Hamburg konnte Uli von Zeust nun mit seiner CDU allein regieren, denn außer seiner Partei hatten es nur die SPD und die Grünen in den Senat geschafft gehabt. In Thüringen freute sich die CDU mit ihrem Ministerpräsidenten Peter Kalthaus über fünf weitere Jahre Alleinherrschaft, denn dort waren neben ihr nur die PDS und die SPD im Landtag gelandet. Die Europawahl hatten wir schon besprochen, im Saarland blieb Dieter Füller mit seiner CDU weiterhin allein an der Macht, auch wenn neben der SPD sowohl die Grünen als auch die FDP (mit sensationellen 5,2 %!) den Einzug ins Parlament geschafft hatten. Sachsen und Brandenburg hatten wir ebenfalls bereits erwähnt, die Kommunalwahlen in NRW gewann die CDU, auch wenn sie deutlich an Stimmen verloren hatte. Was also blieb zusammenfassend zu konstatieren? Es schien wieder aufwärts zu gehen mit den Sozis, das Schlimmste schienen sie hinter sich zu haben, aber so richtig daran glauben, konnten und wollten sie wohl selbst noch nicht. Kein Wunder, denn wenn man jahrelang beschimpft worden ist, dann bleibt man erst mal vorsichtig und nur weil es mal zu regnen aufgehört hat, heißt das noch lange nicht, daß gleich die Sonne scheint.
Zwei Nachträge galt es noch anzubringen. Mit den Stimmen von CDU, CSU und FDP wurde Thorsten Nöler im Mai 2004 zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Außerdem sorgte im Laufe des Jahres, also irgendwann im Sommer, Egmont Sträuber für Schlagzeilen. Eigentlich hatte er nur gesagt gehabt, man dürfe Schräder und Mischer mit ihrer langjährigen Regierungserfahrung nicht unterschätzen, das seien "keine Leichtmatrosen". Daraus machten die Medien natürlich sofort, Sträuber hätte Gerkel und Festerbelle als "Leichtmatrosen" bezeichnet. Möge sich dazu jede/r selbst ein Urteil bilden, damit endet die Betrachtung jenes Jahres endlich.
20.02.2005: Ein neues Jahr begann, aber wie! Ende 2004 hatte es eine große Katastrophe in Südostasien gegeben, ein Tsunami hatte dort für viele Tote und eine unglaubliche Zerstörung gesorgt. Die Deutschen spendeten fleißig, um etwas zum Wiederaufbau dort beizutragen und so wie immer bei Krisen, profitierte zunächst die Bundesregierung in den Meinungsumfragen von jenem Ereignis, denn sie konnte handeln, indem sie Gelder für die Opfer und Geschädigten bereitstellte. Sogar das Lied "Perfekte Welle" von "Juli" wurde aus den Musikprogrammen der Radiosender genommen, weil es in dem Zusammenhang irgendwie zynisch erschien. Na ja, jedenfalls wartete das politische Deutschland ganz gespannt auf die Landtagswahl in Schleswig-Holstein, denn jene würde zeigen, ob Rot-Grün noch eine Chance hatte, oder ob schon alle Zeichen auf Schwarz-Gelb standen. Das Wahlergebnis vom 20.Februar 2005 zeigte Folgendes: Weder noch. Zwar lag die CDU eineinhalb Prozentpunkte vor der SPD und die FDP hatte einen Vorsprung von knapp einem halben Prozent auf die Grünen, aber da der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), der als Vertretung der dänischen und friesischen Minderheit im Land von der Fünf-Prozent-Hürde befreit war, mit 3,6 % der Wählerstimmen ebenfalls in den Landtag eingezogen war, reichte es für Schwarz-Gelb um Haaresbreite nicht. Heike Bisonis war nach 12 Jahren an der Spitze der Landesregierung zwar enttäuscht darüber, daß ihre SPD mit den Grünen keine Mehrheit erreicht hatte, dennoch wollte sie die Gunst der Stunde nutzen, den SSW mit ins Regierungsboot holen und so an der Macht bleiben. Das fand Peer Larry Garstensen, ein Bär von einem Mann und der Spitzenkandidat der