Monstärker und der Kristall des Zweifels. Hubert Wiest. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hubert Wiest
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783738074086
Скачать книгу
lag, eilte über den Platz. Ein kichernder Makah-Uhba trug eine Eismaschine um den Hals und verteilte sternförmiges Glitzereis, das nach Apfelstrudel duftete. Ein roter, ein gelber und ein grüner Papagei saßen in einem Ampelhäuschen und stritten darum, wer leuchten durfte. Ein fettes Sofa rollte auf mich zu und brummte: „Kleine Pause gefällig? Du siehst etwas mitgenommen aus, mein Kind.“

      Ich nickte dankbar und ließ mich auf die weichen Polster fallen. Ich versank fast darin und konnte kaum noch auf die Straße sehen. Auf dem Sofa neben mir lag eine Kaugummipackung: Gobos fantastischer Kaugummi. So einen hatte mir Monstärker gegeben. Ich nahm die Packung. Hoffentlich Mangogeschmack. Enttäuscht sah ich, dass die Packung leer war. Wie sollte ich hier jemals Monstärker finden?

      „Magst du einen Kaugummi von mir?“

      Enzianblaue Augen strahlten mich an. Die Haare des Typen waren genauso blau. Sie waren kurz geschnitten, ordentlich gekämmt und gegelt. Er lächelte fröhlich: „Ich bin Roccho. Du kannst gerne einen von meinen haben – mit Karubi-Geschmack. Die mag ich am liebsten.“

      Ich zog einen dunkelroten Kaugummistreifen aus der Verpackung. Unsicher steckte ich ihn in den Mund. Er schmeckte nach Karamell, nein doch eher nach Himbeere mit einem Hauch von Zimt und Maracuja – echt gut.

      „Ich bin Loona“, nuschelte ich. „Schreibt man mit zwei O in der Mitte.“

      „Hab dich noch nie hier gesehen, Loona.“

      „Ich bin zum ersten Mal in Goraschan. Das letzte Mal war ich in diesem Dschungel.“

      Roccho legte mir seine Hand auf die Schulter, als wären wir beste Freunde. „Kann es sein, dass du ein Mensch bist?“

      Ich fühlte mich ertappt. „Jjja, ich bin mit dem lila Nebel gekommen“, stotterte ich.

      Roccho klatschte begeistert in die Hände. „Das ist Wahnsinn, ganz wunderbar. Es war schon immer mein größter Wunsch, einen richtigen Menschen kennenzulernen.“

      „Danke, aber dafür kann ich nichts. In meiner Welt gibt es nur Menschen.“

      Mir fiel auf, dass die anderen Makah-Uhbas einen großen Bogen um uns machten. Und wer doch näher kam, verbeugte sich vor Roccho.

      „Loona, was bin ich nur für ein Glückspilz? Darf ich dich zu einem Eis einladen?“

      Ich zögerte. Roccho deutete auf eine Eisdiele gleich nebenan. Stühle aus geflochtenen Plastikstrohhalmen wackelten vor dem Laden hin und her. Über jedem Tisch war ein geringelter Papierschirm aufgespannt.

      „Die haben das beste Eis in Goraschan, auch wenn es erfunden ist. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis unsere Fabriken ein besseres Eis herstellen können. Es wird nicht mehr lange dauern.“

      Roccho zog mich sanft zur Eisdiele hinüber.

      „Ich bin übrigens ein persönlicher Berater von Präsident Göhrkin.“

      Als müsste er es mir beweisen, zog Roccho seinen Ausweis aus der Innentasche seines Sakkos. Sichtlich stolz zeigte er ihn mir. „Der ist echt! Ihr Menschen habt doch auch Ausweise.“

      Ich nickte.

      „Bei uns sind Ausweise ganz neu. Präsident Göhrkin hat sie erst letzten Monat eingeführt.“

      Wir setzten uns auf die Strohhalmstühle. Roccho bestellte zwei Überraschungseisbecher. Er räusperte sich ein paar Mal. Es kam mir so vor, als würde er seinen ganzen Mut zusammenkratzen. Schließlich sagte er: „Loona, ich habe eine Bitte an dich.“

      Aha, er wollte etwas von mir. Darum war er die ganze Zeit so freundlich, fast schleimig.

      „Schieß los. Aber ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann.“

      „Doch, du bist ein Mensch. Du kannst mir ganz bestimmt helfen.“ Roccho blinzelte mich an.

      Eine Makah-Uhba mit blau-weiß karierten Haaren brachte unsere Eisbecher. Meiner sah wie ein Pokal aus. Rocchos wie eine Waschpulvertrommel.

      Ich konnte nicht warten, musste gleich probieren. Das Eis schmeckte köstlich!

      „Kannst du mir Rechnen beibringen, Loona?“

      Ich verschluckte mich. Ausgerechnet ich sollte Rechennachhilfe geben? Ich war doch nur hier, weil ich mich selbst dauernd verrechnete.

      „Bitte“, sagte Roccho. Er sah ernst dabei aus.

      „Ich bin nicht besonders gut in Mathe ...“

      „Du bist ein Mensch. Wir Makah-Uhbas können Dinge erfinden, aber im Rechnen sind wir totale Flaschen. Ich kann nicht einmal zwei plus Dings rechnen.“

      „Wozu braucht ihr Rechnen, wenn ihr Dinge erfinden könnt?“

      Roccho stützte sein Kinn auf die Hände: „Genau das ist das Problem. Präsident Göhrkin sorgt sich um unsere Zukunft. Irgendwann werden alle Dinge erfunden sein. Irgendwann wird es keine neuen Ideen mehr geben. Wenn wir uns nicht auf die Zeit nach dem Dinge-Erfinden vorbereiten, werden wir alle verhungern. Wir Makah-Uhbas können nichts anderes als Dinge erfinden. Präsident Göhrkin sagt, wir müssen lernen, wie ihr Menschen zu leben. Ihr könnt rechnen und habt Fabriken, in denen die Dinge hergestellt werden. Das ist auch die Zukunft Goraschans.“ Roccho sah mich ernst an.

      Ich war wirklich nicht besonders in Rechnen, aber vielleicht würde es für Roccho reichen. Und dann hatte ich eine hervorragende Idee. „Ich helfe dir beim Rechnen, wenn du mir Dinge-Erfinden beibringst.“

      „Du möchtest was?“

      „Dinge-Erfinden lernen.“

      „Aber das ist doch ganz einfach. Das kann doch jedes Kind.“

      Ich grinste zufrieden. „Gut, dann bringst du mir Dinge-Erfinden bei. Abgemacht?“

      Ich streckte Roccho meine Hand hin. Er zögerte, doch dann schlug er ein. „Von mir aus, aber wir fangen mit dem Rechnen an.“

      Ich nickte. Hauptsache, er würde mir Dinge-Erfinden beibringen.

      Roccho zog ein Blatt Papier und einen Stift aus der Tasche. Ich schrieb ihm ein paar Aufgaben hin, ganz einfache. 1 + 2, 2 + 3, 4 + 2, 5 + 1.

      Rocchos Stirn glänzte augenblicklich schweißnass. Er begann am Stift zu kauen. „Wie heißt gleich wieder die erste Zahl?“, fragte er unsicher.

      „Eins.“

      „Oh Mann, das ist zu schwer für mich: Eins und dieses Dingsda. Du musst mit leichteren Aufgaben anfangen, Loona.“

      Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu lachen. Mit großem Ernst fragte ich: „Wie viel ist eins plus eins?“

      „Ja, mhh, das habe ich schon einmal gehört. Kommt mir bekannt vor.“ Roccho überlegte, strich mit der flachen Hand immer wieder über seinen Kopf. Schließlich gestand er zerknirscht: „Ich habe das Ergebnis vergessen. Können wir nicht mit einer leichteren Aufgabe anfangen?“

      Um nicht laut loszulachen, löffelte ich von meinem Eis. Ich steckte einen ganz großen Klumpen in den Mund. Einfacher als 1 + 1? Da fiel mir wirklich nichts ein. Roccho sah verzweifelt aus. „Ich muss Rechnen lernen.“

      „Tut ihr euch alle so schwer im Rechnen?“ Das hätte ich besser nicht gefragt.

      Roccho brauste auf: „Ich bin einer der besten. Ich habe schon zwei Mal die Rechenmeisterschaft in meiner Altersklasse gewonnen. Aber ich bin ein wenig aus der Übung, ich weiß.“

      Ich seufzte. Ich hatte wirklich keine Ahnung, wie ich ihm Rechnen beibringen könnte. „Ihr braucht Taschenrechner“, schlug ich vor.

      „Taschen was?“

      „Also, das sind so kleine Kästchen. Für jede Zahl gibt es eine Taste. Und wenn du eine Aufgabe eintippst, spuckt dir der Taschenrechner das richtige Ergebnis aus. Taschenrechner können sogar mit Millionen und Milliarden rechnen und noch viel weiter.“

      „Er kennt jedes Ergebnis? Wirklich?“

      Ich