„Wie dir Sari gefallen hat?“
Wunderschön, einfach wunderschön, sie schaut aus wie Audrey Hepburn dachte Caroline und war froh, dass ihr Vater im Dunkel der Nacht nicht sehen konnte, wie rot sie wurde und wie versonnen sie lächelte.
Ziemlich versonnen und verliebt.
Verliebt?
Definitiv verliebt.
„Ja, sehr“, sagte sie ruhig und kletterte ihrem Vater voraus in das Tuk Tuk, das soeben gehalten hatte.
Ihr Vater nannte dem Fahrer seine Adresse und verhandelte in fließendem Khmer den Preis für die Fahrt. Caroline war ganz überrascht, wie fließend er diese fremdartige Sprache beherrschte.
Dann wandte er sich an seine Tochter.
„Das freut mich. Du brauchst Freundinnen. Und Sari hat viele Freunde. Auch sehr nette Europäer, die hier wohnen. Da ist sicher einer für dich dabei. Ich mochte Tobi noch nie“, sagte Dieter lachend und knuffte Caroline in die Seite. „Auf an die Männerfront.“.
Caroline lachte nicht.
Kapitel 3
Langsam zog sich Caroline aus.
Es war ziemlich heiß und sie war mit einem Schlag todmüde.
Erschöpft setzte sie sich auf ihr Bett und ließ das Kleid neben sich fallen.
Ein Klingeln riss sie aus ihren Gedanken. Wer rief sie zu so später Zeit noch an? Garantiert Nadja, denn in Deutschland war es je einige Stunden früher.
Caroline griff nach ihrem Handy, es war eine unbekannte Nummer, nicht Nadjas eingespeicherte.
Sie nahm das Gespräch an.
„Sari“, sagte sie leise, als das Mädchen am anderen Ende des Apparates seinen Namen gesagt hatte und erinnerte sich daran, wie sie ihre Handy Nummer mit zittriger Hand auf eine Serviette geschrieben hatte.
„Ich“, sie hörte Sari etwas undeutlich und hielt sich das Handy näher an das Ohr. „Ich möchte dich gerne morgen treffen, nach deiner Arbeit. Mit dir einen Kaffee trinken. Im FCC Angkor, es ist an der anderen Seite des Flusses in der Nähe des Königspalastes. Jeder Tuk Tuk Fahrer kennt es.“
Carolines Herz jubilierte und sie lächelte.
„Gerne, gerne, so gegen 5“, sagte sie betont gelassen.
Diesmal hatte Caroline vorgesorgt und sie trug schon in der Arbeit ihren heißgeliebten Jeans Jumpsuit, der ihre schmale Taille betonte und ihr ausgezeichnet stand.
„Sehr schick, Caro, du siehst super aus, für wen hast du dich denn so aufgebrezelt“, sagte ihr Vater grinsend und Caroline musste aufgrund seiner immer noch bayerischen Mundart ebenfalls schmunzeln.
„Für deinen alten Dad wohl kaum, aber das macht nichts, ich bin Kummer gewohnt, Spaß beiseite, heute Abend kann ich dich eh nicht brauchen, da treffe ich meine Jungs zum Snooker, aber du musst das dir echt mal live ansehen. Ich bin der King des Snookertisches der Tempel Bar“, witzelte ihr Vater und tätschelte ihre Schulter. „Triffst du dich mit Sari“, fragte er.
Caroline nickte. „Im FCC Angkor, ich nehme mir gleich ein Tuk Tuk.“
„Wird Jay auch dort sein? Ach ne, der ist ja wieder in Phnom Penh.“
„Jay“, fragte Caroline und erinnerte sich mit einem Schlag daran, dass Saris Verlobter Jay hieß.
Sie biss sich auf die Lippen.
„Er ist gleich nach der Verlobungsfeier nach Phnom Penh gefahren, um seine Wohnung aufzulösen und wegen Geschäften. Das habe ich ganz vergessen, aber vielleicht lernst du endlich Chris kennen. Das ist ein netter Kerl, sage ich dir. Genau dein Typ. Sieht auch richtig gut aus, schnapp dir den. Das wäre ein super Schwiegersohn.“
„Ja, Dad, von einem Chris hat mir Sari gestern Nacht noch erzählt. Er wird heute mit uns Kaffee trinken“, sagte Caroline und ärgerte sich über ihre Lüge. Aber ihr Dad verstand anscheinend nicht, dass sie nicht mehr an Männern interessiert war, gar nicht mehr und das stimmte sie gereizt. Es war alleine ihr Leben und nicht das ihres Vaters. Sie war 27 und keine 15 mehr.
Als ihr Tuk Tuk am Straßenrand vor dem FCC Angkor, das sich als prachtvoller, strahlend weißer Kolonialbau mit einem schönen, gepflegten Garten, entpuppte, hielt, schlugen zwei Herzen in Carolines Brust.
Das eine Herz freute sich unbändig darauf, Sari wiederzusehen, sie kennenzulernen, sich in sie zu verlieben, das andere Herz schämte sich für die Lüge ihrem Vater gegenüber.
Er meinte es doch nur gut mit ihr. Wahrscheinlich konnte er nicht aus seiner Haut. Seiner Haut, in der er sich einen Partner für Caroline wünschte und eben keine Partnerin.
„Ich freue mich so sehr, dich zu sehen, komm, Caro, lass uns nach oben in den ersten Stock gehen. Man hat einen schönen Blick auf den Garten und der Kaffee ist vorzüglich. Sie haben auch tolle Fruitshakes und sogar Smoothies. Alles total lecker und mega frisch, super Qualität. Und wenn du Eis magst, gehen wir nachher noch ins Blue Pumpkin, der besten Eisdiele Siem Reaps, nein ganz Kambodschas. Du wirst es lieben“, sagte Sari, die zu ihr getreten war und in ihrem einfachen, eleganten dunkelblauen Leinenkleid einfach umwerfend aussah.
Ihr Arm streifte Carolines Ellenbogen und Carolines Magen verkrampfte sich.
Es waren Schmetterlinge.
Schmetterlinge.
Ihr Herz schlug für eine Frau.
Für den Rückweg nutzte Caroline nicht das Tuk Tuk, sondern ging zu Fuß. So konnte sie besser ihre Gedanken sortieren. Sie fühlte sich einfach großartig und das verunsicherte sie. Sie konnte an nichts anderes mehr denken als an Sari. Immer noch malte sie sich jeden Blick von Sari in den schönsten Farben aus, jede Geste, jedes Wort. Trank in Gedanken ihren Kaffee und den Mangoshake, und sie hatte immer noch, das Gefühl, die süße Mango im Mund zu schmecken.
Genießerisch leckte sie sich über die Lippen.
Sie konnte doch nicht plötzlich lesbisch sein?
Sie hatte doch Tobi gehabt.
Fast drei Jahre lang, auch, wenn es nicht perfekt war, es waren drei Jahre.
Und dennoch, wenn sie ehrlich zu sich selber war und das war sie jetzt im Dunkel der Nacht auf der Terrasse des Hardrock Cafes, in dem sie noch einen Wodka trank, hatten alle Schwärmereien an der Uni, die allesamt unerfüllt geblieben waren, Frauen gegolten. Caroline schloss ihre Augen und dachte wieder einmal an Myriam, die schöne Südafrikanerin, die sie damals beinahe geküsst hatte. Deren Hochzeitspläne ihr einen regelrechten Stich ins Herz verpasst hatten. Mehr als Tobis Fremdgehen und fast so sehr wie Saris Anblick gestern in der Villa. Und auch für so manche Lehrerin an der Schule und an der Uni hatte sie mehr als nur geschwärmt.
Die Schmetterlinge, die sie damals bewegt hatten, Myriam auf einer Party zu küssen.
Die Schmetterlinge, die sie jetzt Saris wegen wieder heimgesucht hatten.
Genau die gleichen Schmetterlinge, nur viel intensiver.
Schon immer war sie anscheinend lesbisch gewesen.
Schon immer.
Und hatte es erfolgreich verdrängt.
Caroline seufzte und nahm einen kleinen