Ich machte mir nicht einmal die Mühe meine Mutter davon zu überzeugen, dass es „keinen“ Krieg geben wird unter Hitler, denn ich war ja auch Parteimitglied, und ich hätte mit Sicherheit als erstes erfahren, in wie weit Hitler Kriegsvorbereitungen planen würde, oder bereits getroffen hätte. Doch meine Mutter wollte sich auf ihr Gespür verlassen, so hatte sie das ja auch immer gemacht, und ich hatte keine Lust mehr auf ein Streitgespräch mit ihr, weil sie ja seit je her immer alles besser wusste, und wenn sie mal Unrecht hatte, schrie sie wie eine Irre herum. Wir beendeten unser Gespräch damit, dass wir einander alles nur erdenklich Gute wünschten, bis zum nächsten Besuch ihrerseits. Einen Tag später kehrte ich mit so einem seltsamen Gefühl zurück ins heimische Nienstedten, aber, irgendwie hatte die Wirkung des Gesprächs mit meiner Mutter, so einen Rest von Nachdenklichkeit und von Unwohlsein bei mir hinterlassen. Mein aufrichtiges, grundsätzliches, eigentlich uneingeschränktes Vertrauen zu all meinen nationalsozialistischen Freunden, vorrangig zu Ludwig Rösser, Dr. Feldermann, Achim - der Verlobte meiner Tochter Birgit, dann zu Friedrich Ballinger - mein unermüdlicher, fleißiger Geschäftsführer, ausnahmslos alle, auch mein Sohn Jochen, oh ja, dieses sonst so uneingeschränkte Vertrauen zu meinen Nächsten war, auf einmal, unterschwellig, in Frage gestellt worden. Denn auch Melanie, ihr Mann Dave, sowie Roger - der Mann meiner Mutter, hatten „mich“ schon einmal sehr vorsichtig gewarnt, dass in meinem Freundeskreis, die Möglichkeit bestünde, dass die Ansichten zum Faschismus, nicht ausschließlich begeistert und demzufolge gradlinig seien. Mir war das zwar, zu dem Zeitpunkt - so, nie aufgefallen, aber ich ließ mich gerne, durch andere, belehren; was „ich“ davon halten würde, das allerdings musste man dann mir überlassen.
Dave hatte beim letzten Besuch, sehr ernsthaft und gar nicht im Plauderstil, zu mir gesagt: „Recht und Ordnung sind eine Sache, das Beseitigen von Gegnern, die eine andere politische Auffassung vertreten, selbst in den eigenen Reihen, ist eine vollkommen andere.“ Und er hatte nach einer gedanklichen Pause, die ziemlich lang war, hinzugefügt: „Der deutsche Nationalismus, nicht der Nationalsozialismus, dieser sei das wirkliche und das richtige System für ein Land, dessen Menschen sich vor Übervölkerung und Zersetzung ihrer Kultur schützen sollten und müssen. Letzten Endes liege „das“, - jenes pflichtgetreue Bewahren verschiedener Werte, aber in der Natur eines so dermaßen bewunderungswürdigen Landes wie Deutschland selbst, wo die Dichtkunst, die Musik, das Vorausdenken, das verbessern der Lebensbedingungen für das Volk immer an höchster Stelle standen, darum sei das Ausland, auch Amerika, irritiert über diese neue aufkommende Machtentfaltung, die unweigerlich in einem Krieg enden werde.“ Britta fand solche „Aussprüche“, noch dazu von einem Amerikaner, übertrieben; übertrieben und unangemessen, denn auch sie glaubte nicht an einen Krieg der von Deutschland ausgehen würde, sie war glücklich im Faschismus, denn sie hatte alles, durch mich, und natürlich durch ihre Parteizugehörigkeit, was ihr Herz begehrte. Britta war in ihren Meinungen, die sie sich durch die Partei „vorwiegend“ bestätigen ließ – unantastbar, für sich und für andere. Ich sah das, grundsätzlich genauso, aber, ich konnte mir trotz all des Sonnenscheins, der uns in jenen Jahren begleitete, auch einen Härtefall für meine Familie in Nienstedten und für Deutschland - mein geliebtes Vaterland, durchaus vorstellen. Darum behielt ich den Schlüssel für das Haus in London, vorsichtshalber, aus Gründen der Vermutungen - anderer, unter Verschluss...
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