Und dann, mit lauter, fester, sowie kraftvoller Stimme fügte er hinzu: „Es wird überhaupt keine Kriege mehr geben, wenn sie nicht notwendig sind – Heil Hitler.“ Tja, und wie er das so daher sagte, nun, das klang schon fast nach dem Führer selbst, welchen Ludwig Rösser nur allzu gerne einmal, zum Tee, zu sich nach Hause eingeladen hätte, um „ihn“ dann in „seinen“ radikalen Ansichten zu bestärken, schließlich hatten beide im ersten Weltkrieg für „ein und dieselbe“ Sache gekämpft. Doktor Feldermann, seine liebreizende, spröde Gattin Ivonne, Frau Rösser, dann der etwas irre Frank Zaböhl, welcher immer noch in Diensten von Rösser sowie Doktor Feldermann stand, alle glaubten, ich übrigens auch, dass von deutschem Boden aus, nie wieder Krieg entstehen würde. Hitler, und seine Politik waren die Garanten für einen dauerhaften Frieden in Europa und der Welt, da waren wir uns alle einig. Warum meine Mutter so verdüsterte Gedanken mit sich herumtrug? Konnte ich mir nicht erklären, aber sie war anscheinend der amerikanischen und der britischen Propaganda gegen die Deutschen aufgesessen; irgendwie tat sie mir leid, es war wohl das Alter welches sie zu allerlei Befürchtungen veranlasste, so- und nicht anders, sah ich das damals.
Und nachdem Lukas, von unserem Besuch aus Übersee, zwei Wochen lang verwöhnt und abgeschleckt worden war, sowie einen weiteren Teddybären erhielt, ja, da kam wieder die Zeit des Aufbruchs. Wie schon so oft verließen uns unsere lieben Verwandten - Richtung Venedig, um dort dann, wie immer, eine Ansichtskarte mit freundlichen Grüßen zu versehen, sowie mit einer Marke zu bekleben, damit die Post sie weiter befördern konnte, um dann nach einer Woche endlich im Briefkasten unserer Villa zu landen. Britta fand das ganz zauberhaft und hinreißend und irgendwie auch süß, sie schwärmte von ihrer Schwiegermutter in den höchsten Tönen, besonders seit der Schlüsselübergabe; und auch Melanie war für sie eine Freundin „wie man sie sich nur wünschen kann,“ verkündete sie mir eines Morgens, als die Karte aus Italien uns erreichte, und sie mir die Grüße mehrfach vorgelesen hatte, bis ich sie darum bat, jetzt, bitte, „endlich“ aufzuhören und Britta gehorchte. Britta war dennoch hellauf begeistert, sie wollte auch nach Venedig, sie wollte Italien einmal so erleben wie es auch in Filmen gezeigt wurde - nämlich als die Stadt der Liebenden und der Verzauberten, Britta drängelte und liebkoste mich immer wieder mit der dringenden und immer wiederkehrenden Bitte: Den nächsten Urlaub in Bella Italia zu verbringen, weil des Führers Geliebte – Eva Braun, dort auch die schönsten Wochen des Jahres, unter blauem Himmel genoss, und nicht nur sie allein... In der Tat hatten unsere nationalsozialistischen Führer, von Goebbels bis Hitler, sowie deren Anhang, an Italien einen Narren gefressen, und solche Dinge stärkten die Freundschaft sowie die Bündnistreue zwischen dem germanischen Norden und dem südlichen Italien. Ja, als ich es mir so recht überlegte ob ich denn dem Gedränge meiner Frau nachgeben sollte, da erlag auch ich plötzlich der Vorstellung: an der Adria im blauen Meer zu baden, Spaghetti zu essen, Rotwein zu trinken und die sommerliche Exotik auf mich wirken zu lassen. Es war wohl darüber hinaus auch meine persönliche Sehnsucht nach Abwechslung des teilweise zu grauen Alltags in Hamburg, der manchmal, einem, wie dem anderen glich, und auf das Gemüt drückte. Aus dieser gedanklichen Poetik heraus entschloss ich mich, aufgrund meiner hanseatischen Verwurzelung, mit der ich auch Weltoffenheit und Korrektheit verknüpfte, dem sonnigen und faszinierenden Italien meine Aufwartung zu machen. Und als ich meine Absichten in einem langen Brief meiner Familie in Amerika mitteilte, wurde dieser „Schritt“ – so wie man sich ausdrückte, kurze Zeit später im Antwortbrief, begrüßend und als „richtig“ formuliert, denn gerade Venedig war, durch die regelmäßigen Besuche meiner Mutter und deren Ja-Sagern, fast schon zu einem Fixpunkt geworden.
Meine Mutter liebte das italienische Europa mehr als das übrige, und wahrscheinlich rührte die Liebe zu dem Land von meinem Vater her, der meine Mutter dort einst, vor ewigen Zeiten, geheiratet hatte. Meine Kindheitserinnerungen waren sehr dünn an Italien, deshalb hielt ich es auch für besser, jetzt, als gestandener Mann, mit einer goldenen Nadel der Partei an der Anzugjacke, auch dort hinzufahren, wo die Zitronen blühen. Und es war, familiär gesehen, somit beschlossene Sache, dass wir den nächsten Sommerurlaub in Italien verbringen würden. Als ich Rösser, an einem bewölkten Samstag, auf der Elbbank sitzen sah und mich zu ihm gesellte, um ihm von meiner Italienreise zu erzählen da sagte er mir nur: „Italien? Na, ja. Ich würde an deiner Stelle auf jeden Fall genügend Medikamente mitnehmen, lass dir von Feldermann so eine Art von Apothekenkoffer zusammen stellen, denn da unten, bei den Makkaroni, ich meine, man weiß ja nie.“ Hier stellte ich mal wieder fest, dass Rösser ein pedantischer Volksdeutscher, durch und durch, war. Andere Völker oder Kulturen waren für ihn einfach nur überflüssige, dreckige Krankheitsherde, auf denen sich bereits die verschiedensten Bakterien tummelten; dass es woanders auch ganz schön sein könnte, nein, diesen Fakt ließ