Kreuzfahrt kann sehr tödlich sein. Jan Gillsborg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jan Gillsborg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752913637
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hat? Kein bisschen?“

      „Nichts“, sagte ich. „Es ging schnell und der Kerl konnte sehr effektiv mit dem Ding umgehen, mit dem er mich niedergeschlagen hat. Wahrscheinlich hatte er einen Totschläger bei sich. So ein Ding, das wie ein Teleskop auseinander zu ziehen ist. Klein, handlich – durchaus unauffällig, wenn es jemand im Koffer mit an Bord bringen will.“

      „Ein Dieb? Ich kann es nicht fassen. Und Sie hatten also die Balkontür nicht verriegelt?“

      „Nein, das war dumm von mir“, gab ich zu. „Wenn alle in den Nachbarkabinen weggegangen sind, kann sich so ein Täter problemlos durch alle auf- und zumachbaren Balkonwände durchschleusen.“

      „Aber irgendwo muss er doch in eine Kabine eingedrungen sein, um dort überhaupt erst auf die Balkone zu gelangen.“

      „Die Sicherheitsoffiziere nehmen momentan alle Gäste unter die Lupe, die rechts und links von mir untergebracht sind. Die ganze Reihe bis zu Geht-nicht-mehr.“

      „Hoffentlich haben sie Glück und entdecken den Strolch!“ Sie gabelte genussvoll an ihrem Strudel herum und ließ ein Stück davon im hübschen Mund verschwinden.

      „Ich möchte mich übrigens für das Malheur von gestern entschuldigen.“ Sie lächelte unschuldig. „So etwas passiert mir nicht oft.“

      „Ach, schon vergessen“, sagte ich. „Die Hose ist schon gewaschen und getrocknet. Und ich hatte ja noch eine zweite mit.“

      „Kann ich das wieder gut machen?“

      „Vielleicht!“, überlegte ich. „Wie wäre es, wenn Sie heute Abend mit mir ins „Ambassador“ essen gehen?“

      „In das Bedienrestaurant?“

      „Ist doch mal etwas anderes als das ewige Buffet, dass wir morgens, mittags und abends jeden Tag haben werden. Im Hauptrestaurant geht alles es ein bisschen edler zu – auch was die Speisen betrifft.“

      Sie dachte für meine Begriffe zu lange nach. Wirkte es so, als wolle ich mich an sie heranschmeißen? Sicherlich waren die Männer hinter einer so attraktiven Frau wie sie überall und immer hinterher. Vielleicht hatte sie das satt. „Es ist ja nur eine Idee“, setzte ich deshalb hinzu.

      Ihr Lächeln kam von Herzen. „Nein“, sagte sie. „Das heißt „ja“. Ich habe nichts dagegen. Ehrlich, ich finde das gut. Da wollte ich schon gestern hin, aber ich hatte es mir zu spät überlegt.“ Sie lachte laut. „Wenn ich dort gewesen wäre, hätte ich Sie nicht bekleckert.“

      „Aber wir hätten uns nie kennengelernt“, meine Freude konnte sie nicht überhören.

      „Ja, ich glaube auch, es wäre schade gewesen.“ Ihre graugrünen Augen trafen sich mit den meinigen.

      Dann erzählte sie, dass sie in einem PR-Büro tätig sei und eigentlich mit einer Kollegin hätte auf diese Kreuzfahrt gehen wollen. Aber die Kollegin war unerwartet krank geworden, deshalb hatte sie ihre Zweier-Kabine nun ganz für sich allein. „Auch nicht schlecht“, sagte sie, „aber ich fühle mich ein bisschen einsam.“

      Bei dieser Bemerkung läuteten bei mir alle Glocken. Wenn Gott jetzt die richtigen Würfel warf, hatte ich meinen Urlaubsflirt in der Tasche. Das klingt nach Macho, aber ich bin nun mal ein Mann. Der in Jahrmillionen erworbene Jagdtrieb des Neandertalers steckt nun mal in unseren Genen und treibt manche Feministin hoch hinauf auf die Palme.

      Ich erzählte Danielle auch von mir. Dass ich Reisejournalist sei und nicht nur für Zeitschriften schreibe, sondern auch einige Bücher herausgebracht hätte. Ich übertrieb nicht, vergaß aber auch nicht, meine guten Seiten werbewirksam herauszustreichen.

      „Klingt gut!“, sagte sie irgendwann. „Sie haben einen interessanten Beruf und viel erlebt. Sie sind – wie man so sagt – ein interessanter Mann“. Ich grinste zufrieden.

      „Aber bilden Sie sich nicht ein, dass ich deshalb in Ihr Bett hupfe.“ Sie lehnte sich zurück und jetzt sah sie sehr zufrieden aus.

      „Aber das Essen heute Abend…“ Ich hätte beinahe gestottert.

      „Ist gebongt – wir treffen uns um Sechs am Eingang vom „Ambassador“, o.k.?“

      Sie erhob sich und griff nach ihrem kleinen Rucksäckchen, das sie neben sich gestellt hatte. „Und jetzt bummle ich weiter – allein! Nein, Sie müssen nicht aufstehen. Bleiben Sie sitzen.“

      Ich hatte gedacht, wir könnten Southampton noch ein bisschen gemeinsam erkunden. Aber das hatte ich wohl völlig falsch eingeschätzt.

      „Bis heute Abend“, Danielle Sedlacek winkte mir mit der Linken zum Abschied zu. Marschierte dann schnurstracks an den anderen Tischen und Gästen vorbei auf die Tür zu, durch die es wieder nach draußen ging.

      Ich blieb nachdenklich sitzen.

      Danielle – was für ein schöner Name…

      8. Washington, D.C.

      Das Urgestein saß auf einer Bank am Ufer des Potomac und las in der “Washington Post“. Das Blatt hat schon so viele politische Skandals enthüllt, aber die jetzige Bedrohung würde alles übersteigen, dachte der Alte. Seufzend legte er die umfangreiche Zeitung zur Seite und starrte auf das satte Grün ringsum. Bride musste gleich kommen – Bride, der rasante Aufsteiger in Langley, inzwischen Deputy Director, der beim Treffen mit Rosseliani und Turner mit ihnen zusammen gesessen hatte. Er schaute auf die Rolex an seinem Handgelenk. Noch vier Minuten. Der andere würde pünktlich sein. Dessen war er sicher.

      Tatsächlich tauchte Bride wie aus dem Nichts am Ende des Parkweges auf und näherte sich.

      „Schönes Wetter heute“, sagte er, als er da war und sich neben dem silberhaarigen Alten niederließ. Die letzte Woche hatte es wie verrückt geregnet. In zwei Bundesstaaten hatten Tornados Häuser und Leute vom Erdboden gefegt. Jetzt schien sich die Wetterlage in den Staaten beruhigt zu haben.

      „Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum“, forderte das Urgestein. „Gibt’s was Neues? Wie ist die Lage?“

      „Die Russen scheinen Wind von der Sache bekommen zu haben“, sagte Bride und verzog sein markantes braungebranntes Gesicht.

      „Gar nicht gut!“, sagte der Alte. „Wo war das Leck?“

      „Es gab kein Leck“, widersprach der Jüngere. „Wilkins hat doppeltes Spiel getrieben. Er hat das Material sowohl uns als auch den Russen angeboten. Er wollte es dem Höchstbietenden verkaufen.“

      „Und?“

      „Die Russen haben nicht gekauft. Sie wollten nicht die Katze im Sack. Er hat ihnen nicht gesagt, worum es geht, sondern nur, dass es sich um die brisanteste Ware seit den Atomspionen handelt. Das war ihnen zu verwaschen.“

      „Wissen wir das genau?“

      „Unsere Quelle in Moskau hat es bestätigt.“

      „Dann ist das gut so. Sie werden nicht herauskriegen, was es ist, solange die Sache unter uns beiden Waisenknaben bleibt.“

      Bride schüttelte bedenklich den Kopf. „Die Russen sind nun aber munter geworden, weil Wilkins das Zeitliche gesegnet hat. Jetzt machen sie wahrscheinlich dasselbe wie wir – auf Wilkins Spuren reisen und die Augen offenhalten, ob es etwas zu entdecken gibt.“

      „Und unsere Leute? Haben sie schon einen Ansatz?“ Fragend blickte der Alte seinen Gesprächspartner an.

      „Wir haben uns gleich in der Kabine dieses Journalisten umgeschaut, als er beim Essen war. Hinein zu kommen war ein Kinderspiel. Zwei Hundert-Euro-Scheine und der Philippino vom Housekeeping hat seine Keycard ausgeliehen. Wir haben aber nichts gefunden. Und dann muss uns noch jemand in die Suppe gespuckt haben. Jemand anderes hat sich nach uns ebenfalls in der Kabine herumgetrieben und diesen Webb niedergeschlagen. Möglicherweise die Russen. Auf dem Schiff munkeln sie, ein Einbrecher sei über die Balkone eingedrungen.“

      „Ach?“