Mein Freund Jimmy. Dana Kroesche. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dana Kroesche
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750214477
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herbeigeführt hatte. Die Wirkung nahm zu.

      „Der Sex war unglaublich. Sam hat auch da Bereiche berührt und wortwörtlich ausgefüllt, die ich nie vorher gekannt habe. Dafür gibt es keine Beschreibung. Intensiv und traumgleich. Einfach wundervoll.“

      „Hm“, kam nur von ihm, als er die Innenseite meines Oberschenkels streichelte. Ich nahm seine Hand und legte sie in seinen eigenen Schoß zurück.

      Armer Jimmy. Ich hatte diesen perfekten Sam gehabt und er spürte, dass er solche Gefühle vielleicht nie in mir auslösen würde.

      Aber er war für mich da.

      Ich hatte ihn damals eiskalt abserviert und trotz allem war er nun bei mir und bereit, auch weiterhin an meiner Seite zu sein. Ich musste ihm wenigstens etwas entgegenkommen.

      Ich nahm seine Hand, die ich kurz zuvor abgelehnt hatte. Ich hielt sie, wie Sam so oft meine gehalten hatte.

      Ich sah ihm in die Augen. „Ich bin dir unendlich dankbar.“ Und dann schmiegte ich mich fest an ihn, während ich empfindungslos zu weinen begann.

      Ich schlug die Augen auf. Die Sonne schien wie am Tag zuvor.

      Dieser Augenblick nach dem Aufwachen, in dem alles gut scheint, bis die Wirklichkeit einen einholt.

      So war es nun auch bei mir. Alle vergessenen Gedanken wurden gegenwärtig.

      Jimmy lag hinter mir. Das erste Mal, dass wir zusammen in einem Bett geschlafen hatten, nachdem es passiert war.

      Das schmerzvolle Ziehen in meinem Herzen begann von vorne.

      Ich konnte nichts dagegen tun. Die Tränen des Schmerzes waren auch wieder da.

      Er wachte von meinem Schluchzen auf und legte den Arm um mich. Ich wehrte ihn nicht ab. Ich drehte mich zu ihm.

      „Jimmy… Gestern Abend war alles so weit weg und jetzt ist es, als wäre es nie weg gewesen.“

      Er blieb wie immer stumm.

      „Gestern dachte ich, ja es wird besser. Aber alles nur Illusion.“

      „Komm her.“, er zog die Decke über uns und hielt mich.

      Die Uhr an seiner Wand tickte.

      In der Zeit der Trauer vergeht alles langsamer. Wie ein dunkler Ozean, durch den man taucht und die Oberfläche ist einfach nicht da. Man sucht verzweifelt, aber man sieht das Licht nicht. Oder man sieht es, aber man erreicht es einfach nicht. Und da ist nichts, außer dir selbst und diese trostlose Weite, die dich umgibt.

      Kein Anhaltspunkt, kein Ziel.

      Man taucht weiter, in der Hoffnung, man erlangt seinen Boden unter den Füßen zurück, aber er bleibt einfach aus. Und die Luft wird langsam knapp.

      Für was soll man dann noch weitermachen?

      Sam kommt nicht zurück. Egal wie sehr ich es mir wünsche, egal wie sehr ich mich hinter dem Tränenvorhang verkrieche und warte.

      Die Tage vergehen ohne ihn.

      Die Welt dreht sich trotzdem weiter. Und die anderen Personen existieren weiterhin.

      Aber mach das mal deinem Kopf klar, mach das mal deinem Herzen klar.

      Es erscheint leicht, wenn man noch nie jemanden hat sterben sehen.

      Genauso einfach wie die Sache mit dem Entzug und dem clean werden oder mit dem gar nicht erst abhängig werden.

      Alles ist leicht für alle, die noch nie selbst in einer von diesen Situation waren.

      Und ich stellte mir nur die Frage, wann es besser werden würde.

      Ich wollte leben, auch wenn die aktuelle Lage eher leblos erschien.

      Ich wollte es, nur ich wusste nicht wie.

      „Möchtest du vielleicht heute mal mit mir spazieren gehen?“, holte Jimmy mich geistig wieder zurück und gab mir damit eine Antwort auf meine Gedanken. Auf einmal war es wie bei Sam.

      Doch es erschien mir grenzenlos überfordernd, mich wieder in die Welt zu begeben.

      Ich schüttelte den Kopf. „Bett.“, murmelte ich und presste mein Gesicht ins Kissen.

      „Ok. Ich schaue, ob ich wieder etwas zu Rauchen bekomme.“ Er strich mit der Hand über meinen Rücken und stand auf.

      Ich schlief wieder ein.

      Die Vögel zwitscherten und durch das geöffnete Fenster, kam eine kühle Sommerbrise in den Raum. Sam lag neben mir und mich überkam ein unbändiges Glücksgefühl. Ich streichelte seine nackte Schulter. Ich beugte mich über ihn, um ihn zu küssen. Dabei fielen ihm die Haare aus dem Gesicht und er starrte mich aus kalten, toten Augen an.

      Schreiend wachte ich auf.

      Lilly hatte auf dem Sofa gelegen und rannte vor Schreck aus dem Zimmer.

      Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Gerade hatte ich diese Szene aus meinem Kopf verdrängt und nun war sie wieder da. Ich war schockiert. Diese Bilder waren nicht traurig, sie waren schrecklich. Ein innerliches Zerreißen.

      Das war der Unterschied zwischen Sams Leben und Sterben. Der Schmerz um seine Person und sein Leben, ließ mich Tränen vergießen, aber der Schmerz um sein Ableben, war ein tiefer Schrei des Entsetzens, welcher in meiner Lunge und Kehle brannte.

      Drittes Kapitel

      Ich stand auf, ich musste etwas machen. Ich beschloss ausgiebig duschen zu gehen. So einen eigenartigen Körpergeruch wie vorher, wollte ich nicht mehr entwickeln.

      Unter dem sanften Wasserstrahl verbesserte sich mein Befinden leicht. Als ich mich abtrocknete, fiel mein Blick auf Jimmys Rasierer. Ich kam zwar gerade aus der Dusche, aber spontan beschloss ich, meinen ganzen Körper einmal von Grund auf zu reinigen. Also kramte ich in meiner bereitgestellten Kosmetiktasche, wurde fündig, hockte ich mich auf den Rand der Badewanne und fing an, die Haare zu entfernen.

      Ich war gerade bei der Hälfte angekommen, als unten im Haus eine Tür laut zuschlug. Ich erschrak und schnitt mir eine tiefe Wunde ins Bein. Sofort quollen dicke Blutstropfen heraus und liefen gen Boden. Ich griff nach dem Klopapier, um das Schlimmste zu beseitigen, dann humpelte ich zur Tür, noch immer Papier dagegen pressend.

      „Jimmy!“, rief ich so laut es meine Stimme erlaubte.

      Es dauerte eine Ewigkeit, bis er die Treppe hoch gerannt kam. Er sah das ganze Blut auf dem Boden und wurde bleich. Er dachte vermutlich, ich hatte versucht Suizid zu begehen. Kaum zu glauben, dass diese kleinen Klingen ein ganzes Menschenleben auslöschen können.

      Als Jimmy mir den Verband behutsam umband, kam mir eine Erinnerung in den Kopf.

      Sam, wie er in meinem Zimmer vor mir gestanden hatte. Der Verband um seinen Arm. Darunter die zahlreichen Einstiche.

      Wir hatten uns über alles offen unterhalten, bis auf den Verlauf seiner Abhängigkeit. Ein weiterer Schwall von Schmerz überkam mich und durch den Schock, kippte ich weg und es wurde schwarz.

      Noch schwärzer als die Tiefen des Ozeans.

      Die Sonne war mittlerweile untergegangen, als ich im Bett wieder zu mir kam.

      Jimmy spielte leise Gitarre. Ich richtete mich auf. „Mit mir machst du was mit, hm?“

      Er schaute hoch und lächelte leicht. Ich erblickte die Tüte Gras auf dem Tisch: „Wow, da war aber jemand großzügig.“

      „Ja allerdings. Ich habe mir überlegt, wir können vorher Pizza bestellen, weil du heute mal wieder nichts gegessen hast.“ In dem Satz steckte ein Vorwurf, aber was sollte ich machen, wenn mein Körper sich sträubte Nahrung aufzunehmen. Doch der Gedanke an eine frische Pizza lockte mich tatsächlich. „Gerne, ich möchte Pizza Spaghetti.“ Ich setzte mich neben