Vielleicht hatten Ben und Karl durch das späte Erscheinungsdatum das Weihnachts- und Ostergeschäft verpasst, und nun stand schon der Sommer vor der Tür, und die Leute hatten andere Sachen im Kopf, als sich Verschwörungs-Romane zu kaufen.
So flog Karl in sein Ferienhaus nach Portugal, und Ben ignorierte jeden Anruf, der auf dem Telefon seines Freundes landete, da er alleine mit seiner Firma genug zu tun hatte, bis ein Brief des Verlages im Postkasten landete, den Ben natürlich öffnete, in dem Glauben, dass Reiner Groth Karl mitteilen wollte, dass er an seinem, und dem Untergang des Verlages, Schuld war.
Der Inhalt war auf einen Satz beschränkt, der da lautete:
„Guten Tag Herr Blanke, konnte Sie telefonisch nicht erreichen, bitte rufen Sie mich umgehend im Verlag an“.
Natürlich wollte er Karl die schlechte Nachricht lieber persönlich mitteilen, wie Ben meinte. So schrieb er eine E-Mail an Karl, damit er sich mit dem Verlag in Verbindung setzen konnte, um das unvermeintliche nicht weiter hinauszuzögern.
Knapp zwei Stunden später rief Karl an, entgegen seiner Gewohnheit im Urlaub nicht über geschäftliches zu sprechen, um Ben mitzuteilen, dass der Verlag Vorbestellungen von über 20.000 Stück zu verzeichnen hätte.
Der Verlag hatte mit einer Auflage von 3.000 Stück begonnen, um eventuelle Verluste klein zu halten, und wurde jetzt förmlich von der Nachfrage überrannt, jedenfalls für Neuautoren Verhältnisse. Es gab auch schon die ersten Interviewwünsche, und eine Einladung zu einem Buchabend bei einem Hörfunksender.
Alles in Allem, war Karl auf dem besten Wege Prominent zu werden.
In den nächsten Wochen stiegen die Bestellungen für das Buch in schwindelnde Höhen, von weit mehr als 250.000 Stück. Die Mitteilungen des Verlages, das der Autor anonym bleiben wolle, heizten die Nachfrage nur noch mehr an, da das natürlich allen Theorien in dem Buch neue Nahrung gab, was in diesem Fall keine Absicht war, im Gegenteil, jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem die beiden fast täglich vom Verlag Anrufe bekamen, in denen Karl dazu genötigt werden sollte, bei Talkshows aufzutreten, zur Buchmesse zu kommen, Signierstunden in Großstädten zu geben, und vielerlei Dinge mehr.
Sie waren die Nummer 1 der Bestsellerliste, und der Verlag hatte bereits Kontakt mit Filmproduzenten, die sich die Filmrechte an dem Buch sichern wollten.
Eindeutig wuchs ihnen die Sache über den Kopf. Um den Verlag nicht zu verärgern, genehmigte Karl die Übersetzung in andere Sprachen, oder was sonst nötig war, damit es in weitere Länder verkauft werden konnte, da der Roman zunächst nur in Deutsch erschienen war. Damit konnte Karl den Verlag ruhig stellen, zumindest vorübergehend.
Zwar füllte sich jetzt langsam das Konto ihres Rechtsanwaltes mit ganz ansehnlichen Summen, die nun regelmäßig überwiesen wurden, aber das größere Problem war die unerwünschte Zuneigung der Öffentlichkeit.
Ersten Nachrichten zufolge, hatte der Autor bereits geheime Interviews gegeben, und auch bestätigt, dass sich alle Informationen von hohen Regierungs- und Wirtschaftskreisen bestätigen ließen, aber diese Quellen nicht genannt werden wollten.
Diese Nachrichten waren eine Sensation, und es interessierte keinen mehr, ob es sich lediglich um einen Roman handelte, worauf der Verlag bestand, oder eine Zeitungsente.
Durch die Verbreitung über das Internet, und das weltberühmte „Sommerloch“ war die Lawine nicht mehr aufzuhalten.
Alle Bemühungen des Verlages dem Treiben Einhalt zu gebieten, wurden als Versuch gewertet, die Tatsachen zu vertuschen, oder gar als Trick der Konzerne und Regierungen, dass Buch ins Lächerliche zu ziehen, wie die angebliche Landung von Ufos bei Roswell in den 40er Jahren in den USA.
4. Kapitel
Karl kaute nachdenklich an seinem Brötchen herum, ohne rechte Lust etwas zu essen.
Ben nippte an einem Kaffee, und sah dabei aus dem Fenster, auf die baumgesäumte Straße mit dem typischen Kopfsteinpflaster des Südviertels, und versuchte dabei zu erkennen, ob sich die Aussicht geändert hatte, oder es nur an seiner geänderten Wahrnehmung lag.
Schließlich entschied er sich dafür, dass er unter Paranoia litt, und die Aussicht genau so war wie früher.
„Unser Anwalt hat angerufen“, sagte Karl, und fing wieder an zu kauen.
Nach einer Ewigkeit sprach er weiter, ohne das an seiner Stimme abzulesen gewesen wäre, um was für ein Thema es sich handelte. Genauso gut hätte er die Zeiten von Ebbe und Flut an der Nordsee verlesen können.
„Das Finanzamt hat sich bei ihm gemeldet, und wollte wissen, wohin die Gelder aus den Buchverkäufen transferiert werden“.
Ben sah von seinem Kaffee auf:
„Und was sagt unser Consiliere?“
Er versucht, aufgrund seines gelungenen Mafia-Scherzes, ein Lächeln hervor zu bringen, dass aber leider missglückte, da ihm eigentlich auch nicht zum Lachen zumute war.
Karl schnaufte verächtlich, und Ben merkte, dass der Witz eher nach hinten losgegangen war, und antwortete.
„Er hat den Armleuchter von der Steuerbehörde gefragt, ob er schon was vom Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt gehört hätte, und hat aufgelegt, nachdem er versichert hatte, dass alle zu zahlenden Steuern ordentlich an das Finanzamt abgeführt werden würden.
Ich glaube, dass Dirk es schon bereut, bei unserem Spielchen mit der Anonymität mitgemacht zu haben, aber rein rechtlich ist alles in Ordnung, und wir sollten uns keine Sorgen machen“.
Natürlich hatte er nichts gegen das Geld verdienen, aber die Angelegenheit nahm doch viel mehr Zeit in Anspruch als vorgesehen, was andere Mandanten verärgerte. Vor allem, weil er ja nichts über seine beiden Spezialfälle erzählen durfte.
„Was machen wir mit dem Geld?“, fragte Ben.
„Dirk meint, dass wir es in die Schweiz transferieren könnten, natürlich offiziell. Dem Finanzamt ist es doch egal, von wo die Steuern gezahlt werden, aber die Spur zum Autor ist damit etwas schwerer zu finden. Das sollte doch in deinem Interesse liegen. Ich glaube das würde auch den Druck von Dirk nehmen“.
Ben war einverstanden, aber sein Freund schien durch ihn hindurch zu sehen, als ob er aus Glas wäre.
„Gut, dann soll er es machen, aber wir sollten dabei nicht in Erscheinung treten, OK?“
Karl nickte knapp, und damit war das Thema fast schon beendet.
Es fiel Ben und Karl schwer, mit dem normalen Tagesgeschäft fortzufahren, da sie jetzt fast jeden Tag mit der Sache konfrontiert wurden. Natürlich wusste aus ihrem Umfeld niemand von dem Buch, und sie versuchten zumindest Desinteresse vorzutäuschen, aber das war bei der Flut von wilden Spekulationen fast unmöglich.
Die Boulevard Blätter hatten bereits eine Prämie ausgesetzt, für denjenigen, der zuerst rausbekommt, wer der Autor des Buches sei. Immerhin 10.000 Euro.
Die Überlegung, die Summe selber zu kassieren, und allen ein Schnippchen zu schlagen, stimmte die Freunde nicht wirklich fröhlich, und würde ihr Leben sicher noch weiter ins Chaos stürzen, abgesehen davon, dass sie auch vorher schon gut gelebt hatten, und das Buch nur einen zusätzlichen Geldsegen beschert hatte.
So verwarfen sie den Gedanken, bevor er richtig gereift war, und versuchten einen Weg zu finden, die Hysterie zu beenden, damit ihr Leben wieder normal weiter gehen konnte.
Da Reiner Groth jetzt regelmäßig von Journalisten angerufen wurde, und sich Prämienjäger vor seinem Verlagshaus auf die Lauer gelegt hatten, die sich davon versprachen die 10.000 Euro zu bekommen, und mindestens noch mal soviel, wenn sie ein paar Bilder vom Buchautor bekamen, war ein Treffen schwierig geworden.
In den nächsten Tagen sollte Karl versuchen, sich mit Groth zu treffen, um darüber