Tanz der Aranaea. Roman Ludwig Lukitsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roman Ludwig Lukitsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847666783
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ich fürchte, dass man den Herrn Tonton nicht alleine auf die Südfranzosen loslassen darf. Mein Herr, sie sehen ja aus, wie frisch aus der Gruft geklettert«, meinte grinsend Zouzou.

      »Ohne eueren Senf, wäre das Leben nicht zu ertragen, dass sage ich euch, darf ich noch ein heißes Bad nehmen und für eine Stunde in die Gruft steigen, oh ihr Grausligen Geschwistern? Ich weiß seit Wochen nicht mehr, wie das Wort Bett buchstabiert wird.«

      »Nein, Francello, wir müssen nach Toulon zum Hafen. Zouzou will in die Schiff«, sagte Sabi Loulou.

      »Ich will auf das Schiff, Sabi«, protestierte Zouzou, »es heißt nicht „in die Schiff!“«

      »Wir fahren doch erst übermorgen nach Algerien«, antwortete ich schlaff.

      »Egal, Tonton, ich will in die Schiff. Ich muss sehen wie die Schiff ist. Das Schiff heißt "Angel of Paradise" und hat bestimmt viele schöne und lustige Rostflecke in die Schiffbauch und obendrauf auf die Dampfrohr. Und überall.«

      »Hauptsache, der Käpten hat keine Rostflecken im Seier«, sagte die unwiderstehliche Sabi Loulou.

      »Also fahren wir in die Hafen und gehen in die Schiff. Ich mache nur noch schnell die Bart ab!«

      Die Satzstellung zu verdrehen, wie es von Zouzou mangels deutscher Grammatikkenntnisse praktiziert wurde, und die Sabi Loulou gelegentlich aus Spaß übernahm, machte auch mir zunehmend Spaß.

      Der wandelnde Kleiderschrank bestellte für uns telefonisch einen Mietwagen, damit wir nach Toulon fahren konnten, um das Schiff zu inspizieren, das uns nach Algerien bringen sollte. Wir saßen noch am Frühstückstisch, und ich wollte mich nach oben begeben, als Mimi auftauchte. Mir fuhr ein Schrecken durch die Glieder, und ich konnte mich noch in letzter Sekunde in die Herrentoilette retten. Sie registrierten meine Gedanken zu einer Flucht. Eigentlich gab es keinen Grund die Flucht zu ergreifen. Wir haben zusammen nur fürchterlich gebechert. Mimi, ich, und die restliche Blase. Ich habe Mimi meine Adresse gegeben und verabschiedete mich bereits um drei Uhr früh. Die restlichen fünf Stunden, bis zu meinem Eintreffen im Hotel "Maison le Joyneuse" um acht Uhr morgens, benötigte ich zur Orientierung und zur Wegfindung. Mimi ging zur Rezeption und fragte nach einen gewissen "Jean Marie Schreiver“. Das war ich, letzte Nacht! Der Kleiderschrank verdrehte die Augen und verneinte das Anliegen der schönen gewaltigen einsachtzig großen Mimi. Ein stolzes Gestell. Zouzou hörte ich sagen: »Jean Marie Schreiver? Kenne ich nicht!«

      »Wie sieht den ihr Jean Marie aus?«, fragte Sabi Loulou.

      »Er ist etwa einsfünfundsiebzig groß und dunkelblond mit einem Schnauzbart und sehr gepflegten Manieren. Ein schöner Mann und so kultiviert!«

      Mimi beschrieb mich treffend und sehr geschmackvoll. Eine leichte Röte überzog ihren Alabaster-Teint. In Gedanken sagte ich mir: „Mimi, wenn alles vorbei ist, dann komme ich wieder nach Marseille und wir beide machen einen gewaltig drauf, versprochen!“

      »Jesus und alle Päpschte«, sagte die grausame Sabi Loulou, »wo gibt es denn noch solche Männer? Was heute so herumstreunt, ist keinen sündigen Gedanken mehr Wert.«

      »Nur noch komische Tonton-Toutous streunen herum. Die guten Toutous müssen am Genfer See bei Janine eklige fette Schweinswürste essen und die schlechten Toutous streunen herum und kommen spät nach Hause.«

      Zouzou setzte den Reigen unbarmherzig fort. Ich wusste es. Die Sache mit Willy würde sie mir nie verzeihen. Dabei meinte ich es nur gut mit Willy.

      »Ja, und die schlechten Franciscnollo-Toutous streunen auch im Park der Tante Janine herum und nuckeln an ihren Zehen. Diese Fußnuckler!« Typisch Sabi Loulou, dachte ich, und weiter, na warte, dass hast du nicht umsonst gesagt. Und dann doch auch noch laut und betont, dass ich nie an den Füßen von Janine genuckelt habe!

      »Wir haben vielleicht einen Lolli dabei, sage ich ihnen. Der heißt aber Francello oder so ähnlich. Zouzou, wie ist noch sein richtiger Name?«

      »Francesco Vancelli!«

      »Genau, ich habe recht. Er heißt Francello und ist kein Herr und hat keine Manieren und schön ist er auch nicht. Er ist nur halb so groß wie ihr Jean Marie und hat Ohren wie Blumenkohlblätter!«

      »Ach ja, liebes Fräulein«, sagte Zouzou, »und besoffen ist die alte Sack immer, wenn wir nicht richtig auf ihn aufpassen und ihn nicht gut spionieren.«

      Ich stand immer noch in meinem stillen Örtchen und hörte meine wenig schmeichelhafte Personen-Beschreibung. Die Tür ließ ich nur angelehnt. Das Frauen auch immer so übertreiben müssen. Der wandelnde Schrank bat Mimi zu einem Aperitif, den Mimi jedoch dankend ablehnte. Gott sei es getrommelt und geblitzt, dachte ich, sonst müsste ich noch Stunden an diesem Ort verbringen. Mimi gab diesem Körper mit der Statur einer Schrankwand eine Telefonnummer und fuhr mit der Taxe mit der sie auch gekommen war, wieder fort. Mit glühenden Ohren ging ich wieder zu den grausigen Schwestern, und dachte an die Folgen und dass sie mich bestimmt auseinander nehmen würden. So auch geschehen.

      »Hallo Francello - Mimi war hier! Du sollst pünktlich um zwölf Uhr zum Mittagessen bei ihr sein.«

      »Natürlich, die Sabi Loulou. Und du Zouzou, wirst auch gleich ihren Senf dazu geben, nehme ich an.«

      »Ja,Tonton. Zum Senf gibt es noch Pommes de Terre mit Leberkäse und Seegras Salat!«

      »Noch was Francello. Du sollst Windeln mitbringen. Mimis Opa hat den Dünnpfiff in der Hose!«

      »Tonton! Die Pfiff ist so dünn, dass Opa ohne Zielen, in die Flasche seine A-A machen kann!«

      »Francello! Mimi hat gesagt, dass sie dich gegen einen schönen kultivierten Mann eintauschen wird. Gegen einen, der du nicht bist, weil du immer nach dem zehnten Escorial besoffen bist! Manchmal spinnen sie ganz schön die Männer!«

      »Tonton ist kein richtiger Mann. Der Tonton ist ein Tonton und die sind keine Männer!«

      Wir fuhren nach Toulon. Einige Kilometer außerhalb Marseille ging die Fahrt in die hohe Felslandschaft. Nur Steine und Abgrund. Eine grandiose Fahrt, wenn man keine gewaltige Alkoholvergiftung im Hirn hat. Oben angelangt, bat ich Loulou, die den Wagen lenkte, um eine Pause, da ich beten wollte. Sabi Loulou, die Großartige, hielt auch sogleich an und ich stieg aus dem Wagen, kniete mich nieder und betete meinen Mageninhalt den Steilhang hinab. Als sich mein Inneres beruhigte, warf ich einen Blick auf die Stadt Marseille. Von hier aus konnte man sie fast vollkommen überblicken. Die knochenweißen Inseln vor Marseille. Die Madonna auf Notre-Dame de la Garde, auf ihrem Kalkriff. Den alten Hafen! Die Altstadt welche auf Befehl Himmlers in die Luft gesprengt wurde, und nun nur noch wenig schöne Architekturkonfektion steht.

      Marseille ist keine ansehnliche Stadt, dachte ich mir beim hinab sehen. Und dennoch, die Atmosphäre der südlichen Küste, das Mittelmeer. Ihre Tradition und ihre Mythen. Pinien, Seefichten, Palmen, Eukalypten und Lavendelbüsche. Gegenüber Afrika. Keine Abbildung, keine Erklärung kann das wiedergeben, was diese zärtlichen Majestäten Landschaft und Menschen in den Gefühlszonen sichtbar machte. Ach diese wunderbaren charmanten Franzosen. Ich gab mich völlig in meine poetische Veranlagung, die ich glaube zu besitzen. Die Poesie jedoch war nur von kurzer Dauer.

      »Verdammt noch mal, Tonton - es regnet und uns gefriert es! Du musst doch endlich fertig sein mit die Beten!« Zouzou, die charmante algerische Französin schrie es laut durch das Wagenfenster.

      »Ich komme ja schon«, maulte ich. Vorbei war es mit Poesie und Pinien. Es folgte nun Bucht auf Bucht, ins Gebirge hinauf, zum Meer hinunter. Die Bai von Cassis und ihrem vorspringendem Kap. Ein tolles gewaltiges mit drei Höckern in die Flut vorspringendes Kap.

      La Ciotat. Bandol. Etwa zwanzig Kilometer vor Toulon, der Ort Sanary begleitet von Hügel, die man mit der Hand nachziehen möchte. Ich sog alle Eindrücke in mich auf. In den Wüsten Afrikas dachte ich oft an die Schönheiten Europas. Ein Felsblock mit Leuchtturm. Segelboote. Rote Felsen. Villen auf der Anhöhe mit Parken. Verrückte Namen besaßen diese Häuser. Das eine oder andere, an dem wir vorbei kamen, hieß "Zingarella" oder "Bao-Bab". Oder "Gai logis".