Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.. Helmut H. Schulz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helmut H. Schulz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783847668534
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fünfzig Bände lyrischer Gedichte, einige erhabene Heldengedichte in Stanzen oder Hexametern, vierhundert Übersetzungen, achtzig Kriegsbücher rechnen, und die Schul- , Lehr-, Katheder-, Professions-, Konfessionsbücher, die Anweisungen zum frommen Leben, zur Bereitung guten Champagners aus Obst, zur Verlängerung der Gesundheit, die Betrachtungen über die ewige Ewigkeit, und wie man auch ohne Ärzte sterben könne, usw, sind nicht zu zählen; kurz, man kann in meinem Vaterland annehmen, dass unter fünfzig Menschen immer einer Bücher schreibt; hat einer einmal im Meßkatalog gestanden, so gibt er das Handwerk vor dem sechzigsten Jahr nicht auf. Sie können also leicht berechnen, meine Herren, wieviel bei uns gedruckt wird. Welcher Reichtum der Literatur, welches weite Feld für die Kritik. <

      Versuche, ästhetische Tees persiflierend zu bearbeiten, hat Hauff, wie erwähnt, mehrfach unternommen. Die Memoiren des Satans sind indessen auch eine Abrechnung mit den Demagogenverfolgungen an Universitäten. Vielleicht las der König von Preußen lieber Märchen, als Akten der Geheimpolizei, wer weiß. Die Sache ist die, dass Hauff ehe er nach Tübingen an die Universität zog, so um 1820, in Blaubeuren einer Burschenschaft, wo nicht förmlich angehört, so doch mit ihr sympathisiert hat. Der rebellische Verein, dem er beitrat, nannte sich Feuerreuter, und aus Anlass des Gedenktages von Waterloo, wo Napoleon endgültig geschlagen worden war, 1815 nämlich, feierte er mit Teilen der deutschen studentischen Jugend auf dem Wörth, einer Wiese nahe dem Neckar, den großen Tag mit einem nationalen Gottesdienst, zu dem der angehende Theologe Hauff patriotische Predigten beigesteuert hatte

      Was die Entwicklung der Berliner Salons zu literarischen Zweckgesellschaften betrifft, so war sie wegen eines ganz anderen Umstandes möglich und notwendig. Die Zahl der Schreibenden war sozusagen Legion, und alle suchten einen Verleger, der ihren Lebensunterhalt bestreiten sollte. Jean Paul Richter hatte es vorgemacht und den Freien Beruf, den Freischaffenden erfunden. Der kleine Beamte, der junge Seconde-Leutnant, sie alle stießen nicht mehr allein aus gesellschaftlichem Bedürfnis zum Salon, sondern um Kontakte zu knüpfen. Andererseits zog aus diesem unerschöpflichen Born der Verlagsbuchhändler wie der reine Verleger den Debütanten hervor; der Literaturbetrieb wurde in die Welt gesetzt, und in dieser oder jener Gestalt treibt er bis heute sein Unwesen fort. Erstaunlicherweise gibt es aber immer noch Bücher. Und Hauff ist einer der ersten Vertreter dieser jüngeren Generation Autoren, und hätte seinen Vorteil gut wahrzunehmen gewusst, wäre er nicht abberufen worden. So ist er als Märchendichter und uns als ziemlich liebenswürdig im Gedächtnis geblieben. Unterhalb der bürgerlichen Salongesellschaft begannen sich auch schon andere kulturelle Regungen abzuzeichnen; in den Lese- und Literaturgesellschaften mischten sich mittlerweile bereits die Stände. Um den Zwängen des Standesdenkens zu entgehen, erhielt der Konskribent einfach einen neuen Namen, unter dem er innerhalb dieser Gesellschaft als gleich galt, oder es wenigstens sollte. In diesem Berlin, mit seinen scharf gezogenen Standesgrenzen, seinem ewigen Betrieb, dem geschäftigen literarischen Müßiggang sollte die junge Augusta Freunde finden und Gleichgesinnte. Sie war nur bestürzt und verwirrt, ob der form- und gestaltlosen Masse an Gedrucktem, unter welchem sie vergeblich nach der Literatur gesucht haben wird, die sie kannte und schätzte. Vermutlich bot ihr der greise Goethe eine innere Stütze; solange er lebte, konnte die Klassik wohl nicht ganz verloren gehen, beriefen sich doch sogar die literarischen Salonschranzen dieses grauenhaften Berlins auf Goethe. Aber das Unvermeidliche geschah; der große Alte starb im März 1832. Sein Zeitalter war lange vor ihm geschlossen worden.

      Das Treiben ging fort; Wilhelm versuchte, seiner jungen Frau diesen Freiraum des Denkens, der Geselligkeit streitig zu machen. Er schrieb an andere, bat sie, ihren Einfluss auf Augusta geltend zu machen. Diese Themen, wie sie oben bloß angedeutet werden konnten, diese immer währenden Zeitalterdebatten, die herangezogenen Beispiele, die das gesellschaftliche Leben in Preußens anders schilderten als das der Hofgesellschaft, verstimmte ihn. Der Altersunterschied machte sich ebenfalls geltend. Der um 14 Jahre ältere General mit einem vom Kasernenhof begrenztem Weltbild - noch nie war ein Preußenprinz zu einem Studium der Wissenschaften abkommandiert worden, das setzte erst Augusta bei ihrem Sohn durch - konnte dem Gespräch selten so weit folgen, dass er die Tiefe der Argumente verstand. Ihm schien es aber, als verhalte sich seine so junge Frau nicht nur unstandesgemäß, sondern vorlaut. Sie wollte bei solchen Dingen mitreden, die sie nach seiner festen Überzeugung gar nicht verstehen konnte, sie machte sich in seinen Augen bloß lächerlich. Das mag wohl von Fall zu Fall eingetreten sein, allein, Wilhelm räumte doch immer wieder ein, wie weit ihm diese Frau geistig überlegen gewesen ist. Der Streit um ihre Teegesellschaften sollte ein ganzes Eheleben lang andauern, bis Wilhelm, alt und grau, vom Theater kommend, wo er sich für gewöhnlich noch als Kaiser zu erholen pflegte, spät abends bei seiner Frau den Tee nahm und endlich so weit gekommen war, ihrem Gerede nicht mehr zuzuhören.

      DAS SCHWEDTER PALAIS

       Potsdam, im Frühjahr 1831

       Vielleicht sind Jahre nötig, um in Potsdam das zu sehen, was ein Preuße darin erblicken mag, die Wirk- und Weihestätte zweier Könige, die aus einer Sandwüste, aus Heide und Moor ein Land und einen Staat gemacht haben, was alle deutschen Fürsten bewundern. Soweit es mich betrifft, hält sich meine Bewunderung in engen Grenzen, seit ich Potsdam aus der Nähe kenne; dennoch führe ich das traditionelle Dasein einer Prinzessin von Preußen. Meine Wohnung ist das hiesige Kavaliershaus, in welchem wir, Prinz und Prinzessin, gewißermaßen zur Miete wohnen. Der König ist ein Knauser und hat uns dieses Quartier zugewiesen, wir wohnen hier durch allerhöchsten Befehl. Nichts geschieht in meiner Ehe ohne Befehl; ich habe mich darauf eingestellt, alles für verboten zu erachten, was mir nicht ausdrücklich gestattet worden ist. Das Haus ist klein, aber man hat mir auf meine Klagen bedeutet, dass sich preußische Königsfamilien zu beschränken wüßten, was eine ihrer Tugenden gewesen sei. Darin lag eine Kritik, versteht sich. In Potsdam und noch mehr in Berlin, das wir glücklicherweise nicht zum dauernden Wohnsitz befohlen bekamen, leben die Leute in ihren streng abgeschlossenen Kreisen. Ich erregte Aufsehen, als ich mich in der mir gewohnter Art und Weise zu bewegen gedachte. Hier wird, wie gesagt, im allgemeinen alles befohlen. Eine Prinzessin wird nicht eingeladen, gebeten oder bestellt, zu was auch immer, sie erhält einen Befehl, sich dort und dort in diesem und jenem Aufzug einzufinden und abzuwarten, was man ihr weiter befiehlt. Dieses Ritual, dass der König immer alles für einen regelt, hat das ganze Leben hier durchfärbt; in bürgerlichen Zirkeln und Kreisen verkehren die Leute natürlich weit lockerer, locker bis leider vulgär, wie ich höre. Potsdam wimmelt von Offizieren, Kurieren, Equipagen und Kaleschen, aber alles läuft wie auf Bahnen, sie reiten und fahren alle zu einem Zweck, der durch Order vorgegeben ist. Ich habe nicht den Eindruck, dass irgendwer bummelt, oder sich in der Öffentlichkeit eines Nichtstuns hingibt, falls er eine Uniform trägt, Militär ist oder Beamter. Er würde auch auffallen. Was sich hinter den Wohnungstüren und innerhalb der vier Wände abspielt, mag ich nicht wissen. Immerwährend ist von Tugend die Rede, von Pflichterfüllung; indessen sind nur wenige tugendhaft, den Skandalgeschichten nach zu urteilen, die stets wie ein Lauffeuer die Runde machen. Selbst die Pfaffen haben hier einen irrsinnigen Zug, ihre Bigotterie ist sozusagen eine Folge des allerhöchsten Befehls, und ihre Schrullen machen sie nicht immer liebenswürdiger. (Ich gehe, wie befohlen, in die Kirche.) Da die öffentlichen Schulen, verglichen mit den unseren, geradezu elend genannt werden müssen, gibt seine Kinder, wer die Mittel dazu hat, einem Privatlehrer zur Ausbildung. Der ist meist ein Konrektor, untersteht also immer einem Superintendenten, und pflegt irgend einen sanften Wahn. Dabei ist es ungewiß, wen die niedere Geistlichkeit als obersten Herren über sich anerkennt, Gott oder die papierene Order des Konsistoriums, bzw. des Königs. Daraus ergibt sich eine mir widerwärtige Mischung aus Kleinlichkeit und Kriecherei, die der Kompensation durch das Gerede von Tugend und Befehl herausfordert. Da war die Bürgertugend eines Robespierre von anderem Schrot und Korn. Ein wirklich gebildeter Bürgerstand, der den Namen verdient, ist kaum zu entdecken, und wenn es ihn gäbe, wäre er mir auch verschlossen und existierte in den Zirkeln der Akademie, der Universität oder im Haus eines der neuen Reichen, der Bankiers zumal. Also wir, mein Herr Gemahl und ich, werden nach Berlin befohlen, oder ins Marmorpalais oder weiß Gott, wohin. Es läuft immer gleich ab; ein Kurier erscheint im vollen Galopp, als ob es brennt und zieht eine versiegelte Order aus dem Rockärmel. W. liest das Schriftstück mit allem Ernst und trifft seine Vorkehrungen. Eine Abteilung