Augusta - Ihre Ehe mit Wilhelm I.. Helmut H. Schulz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helmut H. Schulz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783847668534
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auffallend beschränkte Leute, die diesem Kreis vorstehen, der zwar kein Salon, wohl aber ein Vorläufer des Salons ist. Neuartig ist dieser Querschnitt, die vergangenen Usancen des literarischen Adelssalons schildert der Preuße Fontane treffend anhand des Rheinsberger Hofes und den Empfängen der Tante Lewins. Hier ist einzig der Dorfpastor zugelassen, so etwas wie ein seelischer Apotheker, aber der protestantische Pfaffe hat diese Rolle immer gern gespielt und er spielt sie auch heute noch mit Leidenschaft.

      Neben diesem Salontyp entwickelten sich bald auch andere, freiere Formen, alles das wäre in der Friderizianischen Zeit gar nicht denkbar gewesen, weil das Personal für solch edlen Wettstreit gefehlt hätte. Ein ganz anderes Produkt der Salons, freilich nicht nur der Salons, ist der neuartige Antisemitismus. Es konnte wohl nicht anders sein, dass dem bürgerlichen Aufstieg nach dem Fall der Judengesetze die Assimilation und dieser die Abgrenzung der Christenheit folgte. Wilhelm Hauff verfasste beispielsweise gegen Ende der 20ger Jahre des Jahrhunderts schon einen Jud Süß, und Hauff war kein Antisemit. Gemeint ist natürlich jener Jud Süß-Oppenheimer; der Fall wäre zu bekannt, als dass hier näher auf ihn eingegangen werden müsste, wenn Hauffs Sicht auf Personen und Vorgänge nicht kommendes ahnen ließe. Süß wurde 1738 hingerichtet; Hauff aber beschreibt den Sturz des Geheimen Finanzrates Oppenheimer 1827, also neunzig Jahre später. Der Ewige Jude tritt zusammen mit Satan in einem Teil der Memoiren des Satan auf. In: Das gebildete Judenfräulein porträtiert Hauff nun einen neuen Typus des Salonfräuleins. Wie war sie graziös, das heißt geziert, wie war sie artig, nämlich kokett, wie war sie naiv, andere hätten es lüstern genannt. >Ich liebe die Tiplomattiker<, sagte sie unter anderem mit feinem Lächeln und vielsagendem Blick. >Es ist so etwas Feines, Jewandtes in ihren Manieren. Man sieht ihnen den jungen Mann von jutem Geschmack schon von die Ferne an, und wie angenehm riechen sie nach Eau de Portugal!< >O gewiß, auch nach Fleur d’Orange und dergleichen. Wie nehmen sich denn die hiesigen Diplomaten? Kommen sie viel unter die Leute?< >Nun, sehen Sie, wie das nun jeht, die älteren Herren haben sechs bis sieben Monate Ferien und reisen umher. Die jüngeren aber, die indessen hier bleiben und die Geschäfte treiben, sie müssen Pässe visitieren, sie müssen Zeitung lesen, ob nichts Verfängliches drein ist, sie müssen das Papier ordentlich zusammen legen für Sitzungen. Nun, was nun solche jungen Herren Tiblomen sind, das sein janz scharmante Leute, wohnen in die Chambres ganiers, essen an die Tables d’hote, jehen auf die Promenade schön ausstaffiert comme il faut, haben zwar jewöhnlich kein Jeld nich, aber desto mehr Ansehen.< Und an anderer Stelle: Der Reiis-Effendi und der Teufel in der Börsenhalle. >....Ä Korrier aus Wien? Gott’s Wunder! Wer hat’n gekriecht? Ä Fremder, der Zwerner von Dessau. Wie, kaaner von unsre Lait? Nicht der Rothschildt, der grauße Baron, nicht der Bethmann? Auch nicht der Metzler? Waas? Was hat er gebracht, der Korrier? Abraham, wie stehen se? Wie werden se stehen! Wer kann’s wissen, solange der Zwerner aus Dessau nicht ist auf der Börsenhalle. Levi! hat er’s Oltematum angenommen, der Reiis-Effendi? Hat er oder hat er nicht. Wie werden se stehen?< Oder Satan befragt das schöne Judenfräulein über ihre Leseneigungen: >Ach, was haben Sie für eine schöne, gebildete Sprache, mein Fräulein! Wurden Sie etwa in Berlin erzogen?< > Finden Sie das ooch? erwidert sie anmutig lächelnd. Ja, man hat mir schon oft das Kompliment vorjemacht. Nee, in Berlin drein war ich nie, ich bin hier erzogen worden; aber es macht, ich lese viel und bilde auf die Art meinen Jeist und mein Orkan aus.< > Was lesen Sie, wenn ich fragen darf?< > Nu, Belletres, Bücher von die schöne Jeister. Ich bin abonniert bei Herrn Döring in der Sandjasse, nächst der Weißen Schlange, und der verproviantiert mich mit Almanachs und Romancher.< > Lesen Sie Goethe, Schiller, Tieck und dergleichen?< > Nee, das tu ich nich. Diese Herren machen schlechte Jeschäfte in Frankfort. Es will sie keen Mensch, sie sind zu studiert, nicht natürlich jenug. Nee, den Joethe lese ich nie wieder! das is was Langweiliges. Und seine Wahlverwandschaften! Ich werde rot, wenn ich nur daran denke. Wissen Sie, die Szene in der Nacht, wo der Baron zu die Baronin,- ach, man kann’s ja nicht sagen, und jedes stellt sich vor -. <

      In der Sommerzeit war Pause, die bürgerlichen Notabeln, auch die jüdischen, übersiedelten in ihre Landhäuser an der Spree und enthoben sich des Zwanges ihrer Besuchs- oder Empfangstage. Mit Einzug des Herbstes siedelte man zurück, das Gesellschaftskarussel wurde wieder in Bewegung versetzt. Nach dem traditionell still begangenen Totensonntag lief allmählich die Saison an, die Ballzeit begann, Theater boten neue Aufführungen. Ein besonderes Element der Salons bildeten die Offiziere, deren Regimenter in Berlin und Potsdam in Garnison lagen, in Berlin vornehmlich die Gendarmen, dem teuersten und elegantestem Reiterregiment Preußens, in dessen Korps überhaupt nur Hochadel oder zumindest Uradel eintrat. Besonders anstrengenden Dienst hatten die jungen Herren nicht, daher bevölkerten sie die Berliner Salons; diese unbekümmert bis aufgeregte Jugend lieferte der Gesellschaft die Liebesaffären, sie waren das Salz in der sonst recht schalen Suppe. Neben Themen, die alle gleichermaßen interessierten, obenan die Liebe, und es gibt ja auch nichts anregenderes, beherrschte der Klatsch den Salon. Gipfelpunkt war allemal der Ehrenhandel, Pistolen- oder Degenduell, das immer tragisch endete, auch wenn keiner ernsthaft verletzt worden war. Um einem Kameraden Unannehmlichkeiten zu ersparen, schlichteten ältere Offiziere lieber die Streitigkeiten, was auch nicht ganz leicht war, denn sie hatten nicht nur die Streithähne zu zügeln, sondern auch gegen die öffentliche Meinung anzukämpfen. Fontanes Romane spielen alle in der Zeit nach 1800, also der großen Zeit der Salons, und nicht wenige leben von einem tragischen gesellschaftlichen Konflikt.

      Was bei Fontane höchst ernsthaft behandelt wird, dem hat Hauff, vielleicht passender schon als moderner Schriftsteller bezeichnet, eine andere Note abgewonnen. Auffallend oft befassen sich seine kleineren literarischen Arbeiten mit dem Salon, bei ihm dem ästhetischen Tee. Da er Süddeutscher und später geboren ist, fehlte ihm die Anschauung des tragischen Gesellschaftsmomentes. Satan besucht mit dem ewigen Juden einen ästhetischen Tee. >Du darfst, sagte ich ihm, in einem ästhetischen Tee eher zerstreut und tiefdenkend als vorlaut erscheinen. Du darfst nichts ganz unbedingt loben, sondern sieh immer so aus, als habest du sonst noch etwas in petto, das viel zu weise für ein sterbliches Ohr wäre. Das Beifallslächeln hochweiser Befriedigung ist schwer und kann erst nach langer Übung vor dem Spiegel völlig erlernt werden. Man hat aber Surrogate dafür. < Etwas später entwirft Hauff die Personage eines solchen Salons: >Die milde und sinnige Frömmigkeit, die in dem zarten Charakter der gnädigen Frau vorwalten sollte. Der feierliche Ernst, die stille Größe des älteren Fräuleins, die, wenngleich Protestantin, doch ganz das Air jener wehmütig heiliger Klosterfrauen habe, die, nachdem sie mit gebrochenem Herzen der Welt Ade gesagt, jetzt ihr ganzes Leben hindurch an einem großartig interessanten Schmerz zehrt. Das jüngere Fräulein, frisch, rund, blühend heiter, naiv, sei verliebt in einen Gardeleutnant, der aber, weil er den Eltern sinnig (soll wohl heißen prosaisch) genug sei, nicht zu den ästhetischen Tee komme. Sie habe die schönsten Stellen in Goethe, Schiller, Tieck usw., welcher ihr die Mutter zuvor angestrichen, auswendig gelernt und gäbe sie hie und da mit allerliebster Präzision preis. Sie singt, was nicht anders zu erwarten ist, auf Verlangen italienische Arietten mit künstlichen Rouladen. Ihre Hauptforce besteht aber im Walzerspielen. Die übrige Gesellschaft, einige schöne Geister, einige Kritiker, sentimentale und naive, junge und ältere Damen, freie und andere Fräuleins werden wir selbst näher kennen lernen. <

      Hauff ist 1802 geboren und starb bereits 1827; er hat also die Periode der Befreiungskriege nur als Kind miterlebt. Dass aber um die Mitte der 20ger Jahre des 19. Jahrhunderts der Berliner Salon in Süddeutschland bereits zur Persiflage herausforderte, ist schlechterdings erstaunlich und lässt nur den Schluss zu, dass der Berliner Salon innerhalb kurzer Zeit alle Stadien des Ruhmes wie des Niederganges durchlaufen hatte, Gegenstand triefend ironischer Satire geworden war. Harren wir noch ein wenig bei Hauff aus, als einer Quelle an der selten geschöpft wird. In einer Szene zwischen drei Vertretern europäischer Nationen, sagt der Engländer, als man auf die Masse der Rezensionen zu sprechen kommt, die seinerzeit noch wie ein kriminelles Vergehen betrachtet wurde: >God dam! Habe ich in meinem Leben dergleichen gehört? rief der Lord mit wahrem Grauen. Aber wenn Sie alle Tage nur ein Buch rezensierten, das macht im Jahre 365! Gibt es denn in Ihrem Vaterlande jährlich selbst nur ein Drittel dieser Summe?< > Ha! da kennen Sie unsere gesegnete Literatur schlecht, wenn Sie dies fragen. So viel gibt es in einer Messe, und wir haben jährlich zwei. Alle Jahre kann man achtzig Romane, zwanzig gute und vierzig