Die heilende Zeit. Nadja Solenka. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nadja Solenka
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738002515
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kamen halt unterschwellig immer mal wieder hoch in Tanitas Bewusstsein. Nun waren aufgrund ihrer Urlaubsbekanntschaft auf einmal heimatliche Gefühle in ihr wach geworden. Alles kam ihr näher, vertrauter vor, so dass nicht nur sie selber im Fokus stand. Tanita empfand, dass sich früher alles wie auf einem Karussell um ihr eigenes Selbst gedreht hatte. Trotzdem war sie Stephanos eine gute Mutter dabei geblieben, wie ihre Familie so oft gestehen musste. Nun war mit einem Mal diese Verliebtheit da, der sie nachgehen wollte. Georgios strich ihr über das Handgelenk und Schauder gingen Tanita den Rücken herunter; er drehte ihre Hand um und schaute auf ihre Uhr, wollte wissen wie spät es war. Sie meinte, nur um etwas zu sagen: „Bereits spät genug, um sich ein wenig auszuruhen vom Tag.“ Georgios schmunzelte und sagte: „Da kann man nichts gegen einzuwenden haben.“ Dann sprach Tanita: „Wir haben die Wohnung erreicht, hier geht es gleich hoch zum zweiten Stock.“ Nachdem sie die Türe hinter ihnen geschlossen hatte, wurde ihr doch etwas mulmig. Georgios war ziemlich ehrlich sich selbst gegenüber. Er bemerkte für sich, dass er sie falsch eingeschätzt hatte, was er nicht laut zu sagen wagte. Hier gab es nämlich zahlreiche Photos von ihr als Freundin und Mutter mit ihrem Sohn an den Wänden. Und er sah, dass sie zudem wirklich diese Soziologin und was war da noch, ach ja, Germanistin war. Mit Sprachwissenschaftlicherinnen konnte er mehr anfangen. Soziologinnen wirkten auf ihn zumeist verstaubt. Leise fragte Georgios, nicht ohne Humor: „Hat dir deine Freundin den Auftrag gegeben hier zu putzen?“ „Nein, Maria wollte nur, dass ich ihre Pflanzen versorge“, sagte Tanita lächelnd. Er lächelte, auch wenn er den Stil der Wohnung irgendwie zu kalt fand, ohne wirkliches Leben. Georgios freute sich dennoch, denn die Photos spiegelten das pure Sein, das im Gegensatz zu dem Purismus stand, der hier vorzufinden war. Aber Schlichtes war ja heutzutage angesagt und modern.

      Georgios stellte sich in die Küche und betrachtete die grauen Kacheln und die bunten, gehäkelten Topf-Lappen, die als einziges ein warmes Gefühl Gott gegenüber zum Ausdruck brachten. Er sagte: „Diese Hand-Arbeit ist aber hübsch.“ „Die ist von mir“, ich schenkte sie ihr Maria zum dreißigsten Geburtstag. Georgios dachte, Tanita wäre bestimmt eine gute, häusliche Frau im Gegensatz zu dieser sterilen Freundin. Zudem überlegte er, seine Ferienbekanntschaft hatte ihrer Freundin ein liebevolles Geschenk machen wollen. Dann war Georgios überrascht, als sie zum Fenster ging und es öffnete, die grau-weißen Über-Gardinen spielten mit dem Luftzug. Er stellte sich hinter sie und streichelte ihren Haaransatz. Als Tanita sich umdrehte fiel er aus allen Wolken, als sie den nackten Arm hob und ihre Gänsehaut zeigte. Georgios meinte mit rauer Stimme: „Dann gefalle ich dir also.“ Sie schlang die Arme um ihn und er begann seine Wangen zu schmusen, dann legte er den Mund auf ihren und sein erster Kuss ließ sie erschauern. Schließlich zog er sie auf die Designercouch und sie ließen ihren Gefühlen freien Lauf. Danach strich er zärtlich über ihre Kaiserschnittnarbe. Einfühlsam und sensitiv brachte er Tanita später wieder auf den Boden. Als sie deswegen eher zu sich kam und ihn liebevoll umfasste, koste Georgios ihren Rücken, er hatte sich noch nie so aufgehoben und aufgeregt zugleich empfunden. Nach einer zweiten leidenschaftlichen Umarmung fiel er zu seinem Erstaunen nicht in ein schales Seelendesaster.

      Beide zogen sich peinlich berührt an, als plötzlich die Türglocke klingelte. Tanita öffnete erhitzt die Haustüre und vor ihr stand ein Nachbar von Maria, ihrer Freundin. Nervös strich sie sich die Haare aus dem Gesicht, denn er schaute sie hoch errötet ziemlich aggressiv an und fragte: „Was haben sie in der Wohnung von Maria zu suchen?“ Tanita antwortete: „Nichts besonderes, ich gieße nur ihre Blumen, sie ist längere Zeit in Athen.“ Der Nachbar hob die Schultern und meinte: „Na, dann will ich wieder gehen.“ Wütend zog Tanita die Türe wieder zu, sie hatte sich nur angegangen gefühlt. Georgios zog sie wieder in seine Arme und sie schmiegte sich an ihn. Dann drückte Tanita Georgios von sich, umschlang seine Hüften und erklärte: „Komm lasse uns das Feld räumen, sonst kommt noch die gesammelte Nachbarschaft auf uns zu.“ Zu ihrem Erstaunen sagte Georgios gar nichts, nahm seine Jacke von der Couch und dann waren sie schon nach ein paar Minuten aus der Wohnung. Draußen schlug ihnen die schwüle Nachtluft entgegen.

      „Und was machst du jetzt?“, fragte Georgios. „Ich werde wieder zu meinen Eltern gehen, aber wir können uns ja morgen wiedersehen. „Und wo?“, fragte er amüsiert. „Wir treffen uns vielleicht morgen nochmal in Marias Wohnung, wenn du magst. Ich bringe Frühstückszutaten, Milch und Brot mit, was sagst du dazu? Dann können wir es uns gemütlich machen.“ Georgios errötete bis unter die Haarwurzeln, irgendwie schien ihm das zu schnell zu gehen, aber er freute sich auch offensichtlich. So meinte er fragend: “Eventuell so um zehn Uhr herum, bei deinen Eltern soll ich nicht vorbeikommen?“ Tanita erwiderte: „Um Himmels willen, sie würden den Schreck ihres Lebens bekommen.“ „Warum?“, fragte Georgios leise. „Sie sind eher konservativ eingestellt und ein Mann vom ersten Tag wird ihnen sicher suspekt sein“, antwortete sie. Er fragte, auf der Hut nicht nur vor seiner eigenen Verliebtheit, „aber Dir nicht?“ „Natürlich nicht“, antwortete Tanita ernsthaft. Dann musste sie doch in sich hineinlächeln, hielt er sich selber für so fragwürdig?, das überlegte sie für sich.

      Georgios und seine Ferienliebe, wie er sie im Inneren schon bei sich benannte, verabschiedeten sich voneinander. Dann zogen sie jeweils von dannen. Regen kam auf und kühlte die aufgestaute Wärme ab. Beide gingen durch die Nacht zu ihren Domizilen. Tanita war so aufgeregt wie sie es noch nie zuvor gewesen war und fragte sich, was der nächste Tag bringen würde. Georgios überlegte sich, was er sich so eingehandelt hatte. Er beschloss jedoch seiner Verliebtheit nachzugehen. Letztendlich sah er nichts falsches daran.

      4. Kapitel

       Rendez-Vous und Fahrt nach Trikala

      Am nächsten Morgen machte Tanita sich früh auf den Weg und ging zum Bäcker. Sie freute sich, es gab warmes Brot. Tanita kaufte zwei runde, große Laibe. Man sprach so dies und das und sie war sehr gerne zu einem Gespräch bereit. Aber wie so oft, bedauerte sie, die griechische Sprache nur bruchstückhaft zu beherrschen. Ein wenig musste Tanita sich mal wieder wundern. Wie die meisten Griechen waren auch jene mit ihr auf du und du und sie fühlte, dass dies direkt in Gottes Herzen ankam. Sie dachte, ihre Mutter hatte sie halt so erzogen.

      Nach einer Weile kam Tanita zu einem Laden, wo man auch Wurst und Käse kaufen konnte. Dann dachte sie, dass es gut war, dass es in Marias Wohnung und Filter gab, sie kaufte noch Milch, Joghurt, Honig und Butter.

      Von weitem sah sie Georgios schon vor dem Mietshaus, wo Maria wohnte, stehen, die Hände in die Hosentaschen geschoben.

      Tanita freute sich unbändig und war schon noch belustigt. Jetzt kannten sie sich gerade zwei Tage und es fühlte sich schon an wie Ewigkeiten. Als sie bei Georgios ankam, umarmte er sie stürmisch, dann gingen sie hinauf in die Wohnung ihrer Freundin.

      Er bereitete den und sie stellte die Tüten auf eine Anrichte. Bedächtig holte sie die Lebensmittel heraus und deckte damit den Tisch. Entnahm das Designergeschirr aus einer Glasvitrine und dann arrangierte Tanita Servietten, die Maria von ihrer Mutter zu Weihnachten bekommen hatte. Georgios meinte: „Oh, da haben wir uns ja mit der Jahreszeit vertan.“ Tanita lächelte bloß.

      Beide saßen dann eine Stunde bei Tisch. Sie redeten über Gott und die Welt.

      Nach dem Essen verführte er sie nach Strich und Faden. Georgios überraschte sie mit Zärtlichkeiten, die soviel aus ihr herausnahmen, was sie in der letzten Zeit an Gefühls-Stress durchgemacht hatte, dass Tanita ihm Liebe zurückschenken wollte. Was Georgios ihr dann gab, war Leidenschaft, sie fand das nicht falsch, schließlich wollte sie auch, dass es ihm ging.

      Als sie nachher zusammen duschten, kribbelte es auf ihrer Haut. Und als sie sich anzogen, beschlossen sie, weil sie sich immer zugehöriger fühlten, einen Ausflug zu unternehmen. Es sollte nach Trikala gehen. Das war eine Idee von Georgios.

      Während der gemütlichen Autofahrt brachte Tanita das Gespräch in Gang. So fragte sie nach seinem Lieblingshobby und wie es ihm erginge im Beruf. Georgios meinte, dass Malen sein Steckenpferd wäre, es wäre immer mal der Traum seines Lebens gewesen, Künstler zu werden. Aber er hätte sich sich als Mensch eher durch sein Physik - und Mathematikstudium vervollkommnen können. Auch meinte er: „In Deutschland zählt ein Kopfberuf mehr.“ Dann erklärte Georgios noch