Perlen vor die Säue…. Inge Elsing-Fitzinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Inge Elsing-Fitzinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847666431
Скачать книгу
Tage kürzer, die Nächte länger werden und dunkel. Plötzlich fröstelt sie. Sie fühlt sich unendlich einsam, während Mutter in übermütigem Tonfall weiterplaudert. „Ich feiere gerade meinen Geburtstag. Wir sind in ausgelassener Champagner-Laune. Ohne diesen blöden Torten- und Gedichte- Schmarren, mit einem richtigen Mann im Bett.“

      Das hab ich gerade mitbekommen, denkt sie frustriert. Claudia kann nicht fassen, was Mutter da von sich gibt. Ist diese Mittfünfzigerin in einer Krise? Hat ihr ein Burnout – Syndrom das Gehirn tatsächlich verbrannt. Und sie klingt gar nicht verrückt. Sie klingt entspannt, richtig glücklich.

      „Mein Auserwählter ist ein Universitätsprofessor, der ganz auf meiner Wellenlänge schwimmt. Er ist leidenschaftlich, unersättlich. Wir verstehen uns prächtig.“

      „Mama, nichts für ungut, aber ich werde in zwei Minuten auf einer Konferenz erwartet. Ich rufe dich bald zurück.“ Sie beißt sich auf die Lippen. Kurz darauf lächelt sie. Ein Lächeln voll verhaltener Wut, keineswegs bewältigtem Schmerz, den Mutter ihr antat.

      Als Claudia einige Wochen später tatsächlich versucht, sie unter der gespeicherten Nummer zu erreichen, erfährt sie, die Dame sei mit unbekanntem Ziel abgereist.

      Das neueste Objekt von Mutters Begierde hieß Eduardo Fernandez. Er hatte sie auf die Kanaren entführt, wo sie gemeinsam auf seiner Hazienda dem „Dulce Vida“ frönten, wie Claudia bei einem späteren Gespräch erfuhr. Es war Mutters letzter Anruf. Die beiden stürzten kurz darauf mit einem Privatjet über dem Atlantik ab.

      Wie lange ist das schon her.

      Mutters Geruch, ihre gepflegten Hände, ihre eleganten Bewegungen. Sie hört ihr Lachen, ihr Weinen, fühlt ihren Spott und ihre Liebkosung überwältigend stark, vertraut, als wäre sie persönlich im Raum. „Warum überkommt mich gerade heute diese Erinnerungen mit solcher Intensität?“ War es das kurze Gespräch mit Alexa, der einstige Schulkameradin und ewige Konkurrentin? Seit Ewigkeiten nervt sie mit ihren hirnrissigen Tiraden.

      Alexa, die Rivalin

      Alexa von Breest ist die Tochter eines bekannten Juweliers und Branchenkollegen ihres Papas, Dr. Gert Wiesinger. Empört über die jüngsten enormen Preisanstiege auf der Diamantenbörse in Amsterdam, hat sie ihr eben aufgebracht die Ohren vollgeträllert. Ihr gutgläubiger Mann, Jürgen Sandmann, hätte sich das Fell über die Ohren ziehen lassen. „Wenn man nicht alles selbst erledigt, fressen einem diese Raben noch die letzen Krümel weg.“

      Von wegen Krümel, denkt Claudia erheitert. Die Millionenschwere Alexa nagt nun wirklich nicht am Hungertuch, wenn auch die Verhaltensweise ihres Mannes nicht immer ihren Vorstellungen entspricht.

      Manchmal hätte ich auch gerne solch jähzornige Ausbrüche wie sie, überlegt sie fast neidisch. Tatsächlich steuert Alexa stets blindwütig auf ihre Ziele los, schlägt alles krumm und klein, wenn sich ihren Plänen etwas entgegenstellt. Aber dazu bin ich wohl zu harmoniebedürftig, ist sie überzeugt. Claudia ist ein Kamerad zum Pferdestehlen. Sie liebt Spontanentscheidungen, nicht vorgeplante Reisen, Einladungen. Auf privaten Partys kann sie tanzen, als gäbe es kein Morgen. Die Bedenken des Vaters ihre Zukunft betreffend, einen festen Freund, womöglich eine Ehe, Kinder, zerstreut sie stets mit einem hinreißenden Lächeln.

      „Solange es klappt, klappt es eben Papa. Und sollte ich einmal ans heiraten denken, würde ich vorher bestimmt mit keinem Menschen darüber reden. Du kennst mich doch Papa. Bitte dränge mich nicht. Du bekommst schon noch ein Enkelkind. Indianerehrenwort.“

      Tief in ihrem Herzen hat sie sich natürlich eine Grenze gesetzt. Fünf Jahre könnte sie sich vorstellen, dann wäre ihrer Meinung nach das Limit des Singledaseins erreicht. Dann würde die biologische Uhr zu ticken beginnen. Bis dahin will ich meine Lebensplanung abgeschlossen haben. Darauf muss mit Bedacht hingearbeitet werden. Drängen will sie sich dennoch nicht lassen.

      Wohlbehütet aufgewachsen, war sie eine ausgezeichnete Schülerin, die ihre Pflichten gewissenhaft erfüllte. Entwaffnend strahlt sie jetzt alle Bedenken von Vaters Stirn.

      Sein Mädchen ist erwachsen geworden, das hätte er beinahe übersehen. Wie schön sie ist, wie vernünftig, wie… Ein zufriedener Blick streift seine Tochter. Braun. Helles Braun. Frisch gefällte Eichen, und Grün. Ein mildes, weiches Grün, denkt er liebevoll. Das sind die Farben die sie heute trägt, die ihr melancholisches Lächeln umspielen. Adagio, nicht mehr Allegro oder gar Allegretto, wie einst, vor einer kleinen Ewigkeit. Stille Reife, Erhabenheit strahlt sie jetzt aus. Ein wenig Abgeklärtheit. Sein Kind hat das Leben mit viel Schönem, doch auch vielen Schattenseiten kennen gelernt, konnte sich sammeln, stählen. Sie hat gelernt zu leben, denkt er mit Vaterstolz.

      Verlegen, wie ein Brautwerber, schreitet er zum Sekretär. Zögerlich greift er nach einer kleinen Samtschatulle. Claudia betrachtet fasziniert den Brillantring, den Vater ihr ansteckt.

      „Der Verlobungsring deiner Mutter. Sie hat ihn da gelassen, wollte wohl, dass du ihn einmal trägst.“ Vaters Stimme nimmt einen seltsam brüchigen Klang an, den er krampfhaft überspielt.

      „Ist dir eigentlich klar, dass dieses Steinchen mindestens hundertachtzig Millionen Jahre alt ist“, meint er mit bemühter Leichtigkeit und blickt seine Tochter vielsagend an. Was jetzt kommt, ist Claudia klar. Papa muss wieder einmal eine seiner Geschichten loswerden, wie immer, wenn sein Herz vor Traurigkeit überquillt.

      „Darüber hab ich ehrlich gesagt noch gar nicht nachgedacht“, flüstert sie lächelnd. „Erzähl mir mehr darüber Papa, dir zuzuhören ist wesentlich amüsanter, als in Fachbüchern zu schmökern.“

      „Also meinetwegen. Wenn es dich wirklich interessiert“, lächelt der reife Mann. Genüsslich pafft er an einer dicken Zigarre. Ein herzhafter Schluck Whisky. Claudia kuschelt sich auf einen Polster zu seinen Füßen. Die wundervollsten Geschichten hat sie solcherart stets gehört.

      „Wie oft in der Geschichte war es ein Zufall, der zu einer großen Entdeckung führte.“ Papa tut schrecklich geheimnisvoll. „So war das auch vor etwa viertausend Jahren. Bewohner der südostindischen Golconda- Region entdeckten den ersten Diamanten. Den Koh-i-Nor, was soviel bedeutet wie „Berg des Lichts“. Sein Wert ist unschätzbar, wie du weißt. Ein Prunkstück von außergewöhnlicher Reinheit und einer Größe von mehr als einhundertacht Karat.“

      „Er gehört zu den Kronjuwelen Englands und befindet sich im Tower

      von London“. Mit etwas Allgemeinbildung konnte sie doch aufwarten. „Entschuldige Paps, ich wollte dich nicht unterbrechen.“ Claudia zupft am Hosenbein ihres Vaters, ermutigt ihn ungeduldig weiter zu erzählen.

      „Ist schon in Ordnung, Kleines. Der „Stern von Afrika“ ist übrigens auch dort zu finden. Mit seinen mehr als fünfhundertdreißig Karat, der größte Brillant der Welt.“ Wenn es um edle Steine geht, ist Wiesingers Begeisterung kaum zu bremsen. „Ewig und noch länger lagen diese Kostbarkeiten unentdeckt in den Tiefen unserer Erde, genauer gesagt beinahe dreieinhalb Millionen Jahre.“

      „Arme Steinzeit- Frauen“, grinst Claudia jetzt amüsiert, „Arme Neandertalerinnen. Ihr musstet euch noch mit glanzlosem Schmuck aus Stein und Knochen begnügen.“

      „Kannst du auch einmal ernst sein, Kind“, rügt sie der Vater mit gespielt-strengem Blick.

      „Dank persischer Handelsreisender kamen die ersten Göttertränen zu uns nach Europa. Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, war damals eine erlesene Seltenheiten, die sich nur die Vornehmsten und Reichsten leisten konnten. Erst 1866, mit sensationellen Funden in Südafrika begann ein richtiger Boom. Es entwickelte sich ein wichtiger Wirtschaftzweig, der Unmengen von Dollars weltweit umsetzt.

      „Diamonds are the Girls best Friends“, trällert Claudia begeistert vor sich hin. „Aber heute besitzt doch fast jede Frau zumindest ein solches Prachtstück. Sogar ich, und ich finde es einfach wundervoll.“ Sie streckt ihren Ringfinger von sich und strahlt mit dem neuen Glitzerstein um die Wette.

      „Aber vergiss nicht, mein Kind, das Schicksal der Diamanten könnte