MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND. Michael Stuhr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Stuhr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738005110
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nun die Lagerkosten langsam den Rest aufzufressen. dreiundachtzig Bronzestücke hatte er noch in den Taschen und mehr als einhundert kostete schon die billigste Passage.

      Llauk hatte gerade seine Stoffballen aus dem Lagerhaus bringen lassen, um sie schweren Herzens doch den hiesigen Händlern vorzuführen, da war als Retter in der Not dieser Dramile aufgetaucht.

      Llauk hatte ihn zuerst für einen Finderkapitän gehalten. Die schweren Schmuckstücke aus edlen Metallen, die der Mann überreichlich trug, deuteten darauf hin.

      Es hatte Llauk gar nicht gefallen, wie der Mann seine Stoffballen umschlichen hatte. "Was willst du?", hatte er ihn angerufen. "Für Finder ist hier nichts zu holen!", wobei er die Hand schon vorsorglich auf den Griff seines Dolches gelegt hatte.

      Der Mann hatte nur aufgelacht und war nähergekommen. "Ich bin kein Finder, Herr! Wie ich höre, sucht Ihr eine Passage für Eure Ware", hatte er mit unüberhörbar dramilischem Akzent erklärt. "Wir sollten darüber reden."

      "Ganz recht, ich suche eine Überfahrt", hatte Llauk bestätigt. "Allerdings für meine Ware und für mich. - Wohin geht Eure Reise, Dramile?"

      "Nach Hause, auf die Westlichen Inseln. Ich werde morgen auslaufen und suche noch Beifracht."

      Die Westlichen Inseln! Genau die waren Llauks eigentliches Ziel gewesen. Die Westlichen Inseln, von denen sein Sklave Tos eb Far, ein Dramile, ihm soviel erzählt hatte. Nach Tos eb Fars Berichten verstand man sich in Dramilien nicht auf die Herstellung feiner Stoffe und war bereit, für gute Ware jeden Preis zu zahlen.

      Geschickt hatte Llauks Sklave seinem Herrn den Mund wässrig gemacht, mit Berichten von den Schatztruhen der Herrschenden, die nur darauf warteten, von einem beherzten Mann wie Llauk geleert zu werden. - Mit Geschichten schöner Frauen, die unglücklich in kratzenden Gewändern einhergehen mußten und bereit waren, für ein paar Ellen weich fließenden Gewandstoffs alles, aber auch wirklich alles hinzugeben.

      Immer gieriger war Llauk bei diesen Erzählungen geworden. Seine Bedenken, man könne ihn in Dramilien vielleicht berauben oder übervorteilen, hatte Tos mit wenigen Sätzen zerstreut: "Mein Volk lebt unter einem strengen Regiment", hatte er erklärt, während er das Schiffchen durch den Webstuhl flitzen ließ, "die Leute sind das Gehorchen gewohnt. - Das siehst du ja an mir. - Bin ich nicht dein bester Sklave, Herr?"

      Das stimmte. Trotz der vielen Arbeit, des harten Nachtlagers, der kümmerlichen Verpflegung und Llauks ständig schlechter Laune, war Tos immer willig und folgsam gewesen.

      "Siehst du Herr?", hatte er weiter erklärt, "Du darfst in Dramilien keine Schwäche zeigen. Du darfst nicht bitten, du mußt befehlen! Die Anrede `Herr' ist meinem Volk geläufig wie keinem anderen unter der Sonne. Tritt auf wie ein Edelmann. - Dann werden alle Türen sich dir öffnen."

      Das hatte Llauk gefallen: Auftreten wie ein Edelmann, herrisch und selbstsicher, so ließ sich gut Handel treiben! Er würde den Dramilen - und vor allem ihren Frauen - schon beweisen, dass ein estadorianischer Stoffmacher besser zu handeln verstand, als einer dieser schmierigen Kaufleute, die jeden Kunden stundenlang mit Wein freihielten. Der Fürst - ach was - der König der Stoffmacher würde guten Handel treiben und den dramilischen Markt an sich reißen. Jedes Jahr würde er Schiffe voller Stoffballen zu den westlichen Inseln begleiten. Tos hatte ganz recht, man mußte nur wissen, wie man mit diesen Leuten umzugehen hatte.

      So hatte Llauk es vor allem seinem untertänigen Sklaven zu verdanken, wenn er nun in seinen Untergang stolperte. Willig hatte Tos ihm sogar die Grundzüge der dramilischen Sprache beigebracht. – Genauso gut hätte er seinem Herrn eigenhändig die Kehle durchschneiden können.

      Ein Dramile! Llauk schaute den fremden Kapitän scharf an. Hier war nun eine Gelegenheit, Tos eb Fars Ratschläge auszuprobieren: "So, also Beifracht suchst du? Und wie kommst du darauf, dass ein Stoffmacher aus Idur seine wertvolle Fracht einem dramilischen Kapitän anvertrauen will?"

      "Ich bin billig, Herr."

      Diese schlichten Worte des hünenhaften Dramilen trafen Llauk mitten ins Herz. Bemüht, sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen, spielte er seine Rolle weiter.

      "Billig bist du? - Billig kann nur sein, wer ein schlechtes Schiff hat!" Diese Weisheit hatte Llauk in den letzten Tagen oft genug von thedranischen Kapitänen zu hören bekommen.

      "Die Große Geliebte ist ein gutes Schiff", erklärte der Dramile ungerührt. "Ihr werdet zufrieden sein, Herr."

      Llauk hatte die `Große Geliebte' schon im Hafen bemerkt, aber nicht weiter beachtet. Sie war erst gestern, tief im Wasser liegend, von See gekommen, als Llauk bereits alle Hoffnung aufgegeben hatte. Trotzdem blieb ein Rest der alten Zuversicht.

      "Wann läufst du aus?" Llauk schaute den Kapitän unsicher an. "Und was forderst du als Frachtrate?"

      "Morgen, mit der Abendflut, Herr", hatte die Antwort gelautet. "Wir nehmen nur frischen Proviant auf. - Wenn Ihr dann bereit seid, kostet Euch die Passage nach Sordos achtzig Bronzestücke."

      Sordos, die Hauptstadt der westlichen Inseln und Sitz des dramilischen Königshauses! - Llauk konnte sein Glück kaum fassen. Trotzdem dachte er an die Worte seines Sklaven: "Dramilen gegenüber mußt du auftreten wie ein Fürst. - Dann werden ihre Herzen dir zufliegen."

      "Fünfzig Bronzestücke!", erklärte er mit Bestimmtheit und unterstrich seine Worte mit einer abschließenden Geste.

      Der Kapitän drehte sich wortlos um und ging davon.

      "Wartet!", versuchte Llauk ihn aufzuhalten, aber der Mann schien ihn nicht zu hören. Llauk lief los. "Sechzig! Sechzig Bronzestücke!"

      Der Kapitän ging weiter.

      "Na gut, siebzig!"

      Der Mann ignorierte ihn vollständig.

      "Achtzig!", schrie Llauk in höchster Not heraus. "Achtzig Bronzestücke für die Passage nach Sordos.

      Endlich blieb der Mann stehen. Wortlos streckte er die Hand aus.

      Zögernd löste Llauk den schmal gewordenen Geldbeutel von seinem Gürtel, entnahm ihm die überschüssigen drei Münzen und händigte ihn dem Kapitän aus.

      "Bringt Eure Ware auf das Schiff", bestimmte der Kapitän. "Morgen Abend muß alles bereit sein, Herr!" Ohne ein weiteres Wort ging er davon.

      Llauk ahnte nicht, dass sein erster Weg den Dramilen in das Fremdenhaus, Llauks Quartier, führte, wo er dem Quartiermeister großzügig drei Bronzestücke von Llauks Geld in die Hand drückte. - Schließlich war es eine Belohnung wert, wenn man so einen Narren vermittelt bekam.

      Es gab Llauk auch nicht zu denken, dass der Dramile genau gewußt hatte, wieviel Geld sein Passagier noch hatte. - Llauk dachte nicht mehr. Keuchend schleppte er eigenhändig, Elle für Elle, seine ganze Ware quer durch den Hafen, hin zur "Großen Geliebten". - Einer wundervollen Zukunft entgegen.

      Bis zum letzten Augenblick hatte Llauk befürchtet, die Thedraner könnten seinen Handel mit dem Kapitän doch noch aus Neid vereiteln. Unruhig war er auf dem Deck des Zweimasters auf und ab gegangen, nachdem er seine Ware auf das Schiff gebracht hatte. Aber kein Mitglied der Kaufmannschaft hatte sich sehen lassen.

      Als es dann aber endlich losging, standen doch einige der Kaufleute am Kai, um sich den Irren anzusehen, der seine gute Ware oben auf dem Deck eines überladenen Dramilenfrachters verzurren ließ und auch noch Geld dafür bezahlte. - Aber Llauk hatte auf keine Mahner hören wollen; er sah sich schon als reichen Mann heimkehren, der sich eine Wohnung in der Nähe der Königsklippe leisten konnte.

      Von jeher hatte sich Llauk seiner niederen Herkunft und des abgeschiedenen Lebens in der Provinz Idur geschämt. Stoffmacher, wie seine Eltern, hatte er den Betrieb seines Vaters nach dessen frühem Tod mit allen Webstühlen und Sklaven übernommen. Eigentlich hätte er ein auskömmliches Leben führen können, wäre da nicht dieser unselige Ehrgeiz gewesen, unbedingt zur feinen Gesellschaft gehören zu wollen.

      Musik und Tanz, gewürztes Essen und Wein aus den Südlanden, das war es nicht allein, was Llauk suchte. Es reichte ihm einfach nicht,