Seelenblau. Manu Brandt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manu Brandt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738055207
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Sternchen! Wie war dein Tag? Du siehst müde aus. Rate mal, was ich für dich gekocht habe.« Thomas stand mit zerwühlten Haaren in der Küche und grinste mich an. Es war immer sehr chaotisch, wenn er kochte, aber dafür war es auch lecker. In diesem Augenblick wusste ich wieder, warum ich ihn liebte. Er hatte heute seinen großen Tag wegen der Beförderung gehabt, aber er machte sich trotzdem die Mühe, für mich mein Lieblingsessen zu kochen und fragte mich auch noch als Erstes, wie mein Tag gewesen sei.

      Ich legte meinen Schlüssel auf die Kommode im Flur und warf meine Jacke eher lieblos über den Haken an der Garderobe. Thomas liebte seine pingelige Ordnung in der Wohnung und wehe, ich warf meine Jacke auch nur ein einziges Mal über eine Stuhllehne oder das Sofa. Aber darüber wollte ich mich jetzt nicht ärgern. Schon gar nicht bei diesem himmlisch leckeren Geruch, der intensiver wurde, je näher ich der Küche kam. Thomas hatte gute Laune, aber das musste nicht bedeuten, dass es mit der Beförderung geklappt hatte. Er hatte immer gute Laune, oder konnte es zumindest gut überspielen, wenn er keine hatte. »Wie war denn dein Tag?«, fragte ich schließlich, nachdem Thomas nicht von selbst Bericht erstattete.

      Sein Grinsen wurde breiter. Er ging zum Kühlschrank, holte eine Flasche Champagner heraus und schenkte uns zwei Gläser ein. Nudelauflauf mit Champagner. Ich lachte. Solche Absurditäten konnte auch nur Thomas bringen. Er war also wirklich befördert worden. Seine harte Arbeit in den letzten Jahren hatte sich bezahlt gemacht. »Ich gratuliere dir. Du hast das wirklich verdient.« Ich umarmte ihn und gab ihm einen Kuss.

      »Nun stehen uns alle Türen offen, Sternchen. Ich werde dir jeden Wunsch erfüllen und du sollst deine Traumhochzeit bekommen. Und dein Traumhaus.«

      Ich schluckte und löste mich aus seiner Umarmung, in der ich mich sonst immer geborgen und beschützt gefühlt hatte. Hochzeit und Haus. Ja. Das sollte ich dann wohl bekommen.

      Der Champagner schmeckte zu meiner Verwunderung wirklich gut. Ansonsten waren Sekt und Co. nichts für mich. Generell trank ich selten Alkohol und wenn, dann nur Cocktails, in denen ich den Alkohol nicht schmeckte. Auch der Nudelauflauf war ein Traum. Thomas hatte ihn mit Spaghetti gemacht, wie ich es am liebsten mochte. Ich zog die Spaghetti mit spitzen Lippen ein und nicht selten bespritzte ich den Tisch und auch uns dabei, aber das gehörte für mich dazu. Thomas fand das kindisch, wie so viele Dinge, die ich für mein Leben gern tat, doch er tolerierte es.

      »Hast du dir schon ein Datum ausgesucht?«, fragte Thomas, nachdem er einen großen Schluck vom Champagner genommen hatte.

      Ich wusste, worauf er hinaus wollte, aber ich wollte es noch nicht wahrhaben und stellte mich ahnungslos: »Datum?«

      »Wann möchtest du heiraten?« Er drehte einige Spaghetti auf die Gabel und schob sich den Berg Nudeln in den Mund. Diese Frage überforderte mich. Letzte Nacht war ich mir nicht einmal sicher, ob ich ihn überhaupt noch heiraten möchte und nun fragte er mich nach einem Datum. Er fragte mich nach dem Tag, vor dem ich momentan am meisten Angst hatte. Jedoch hatte ich auch Angst, Thomas zu verlieren. Ich musste mir nur noch klar darüber werden, welche Angst größer war. Doch das war alles andere als einfach.

      Thomas lächelt mich an. »Du wolltest doch gern im Sommer heiraten, wenn alles schön blüht und die Sonne scheint. Wie wäre es mit August?«

      Mir blieb eine Nudel im Hals stecken und ich musste husten. Wir hatten jetzt Ende April. Es war kein halbes Jahr mehr bis August.

      Hastig trank ich meinen Champagner aus und schaute Thomas flehend an. »So schnell?«

      »Schnell?«, fragte Thomas verwundert. »Vor unserem Urlaub konnte es dir doch nicht schnell genug gehen. Du hast dir unsere Hochzeit immer wieder richtig schön ausgemalt. Das hatte mir Mut gemacht, dich überhaupt zu fragen. Welche Frau sagt schon nein, wenn sie bereits von ihrer Hochzeit träumt?«

      Hatte ich das wirklich? Hatte ich vor seinem Antrag von unserer Hochzeit geträumt und darüber geredet? Das lag alles weit in der Vergangenheit und ich konnte mich weder an meine Gedanken, noch an meine Gefühle erinnern, die ich damals gehabt hatte. Ich rührte in meinen Nudeln und versuchte mich zu erinnern. War ich bereits so alt, dass ich mich nicht mehr an das letzte Jahr erinnern konnte? Verlor man mit zwanzig Jahren den Verstand? Sein Gedächtnis? Ich konnte Thomas nicht vor den Kopf stoßen. Wusste ich nicht tief in meinem Inneren, dass es mein Wunsch war, mit ihm zusammen zu sein? Ich hatte den Antrag schließlich angenommen.

      »Bist du dir nicht mehr sicher, Sternchen?« Thomas schaute mich traurig an. Dieser Blick tat mir im Herzen weh. Auch wenn ich noch dermaßen viele Fragen im Kopf hatte, ich wollte ihn nicht verletzen. Er machte mich glücklich und gab mir das Gefühl, jemand besonderes zu sein. Es war ein tolles Gefühl, geliebt zu werden, jemanden an meiner Seite zu haben, der immer für mich da sein würde, wenn es mir schlecht ging. Und das war Thomas. Dafür liebte ich ihn.

      »Nein, nein. August klingt toll.« Ich musste mich zusammenreißen. Wahrscheinlich hatte Lisa recht und es waren nur die kalten Füße und der Stress auf der Arbeit in letzter Zeit. Ich hatte gar keine Gelegenheit mehr, mich auf die Hochzeit zu freuen.

      Ich lächelte Thomas an. »Mia Lehmann. Das klingt doch gut, oder?«

      »Für mich wirst du immer mein Sternchen sein«, antwortete Thomas erleichtert.

      »Na, Lehmännchen hätte ich dir auch übel genommen!« Ich musste lachen. Es tat gut und es fühlte sich an, als ob eine Last von mir gefallen wäre. Ich tadelte mich selbst, dass ich Zweifel an uns hatte – und an mir. Thomas tat mir gut und das sollte er auch für den Rest meines Lebens tun.

      »Lass nur, ich räum’ das auf.« Er nahm mir den Teller ab, als ich ihn in die Spüle stellen wollte. »Warum lässt du dir nicht ein Bad ein und entspannst dich ein wenig?«

      Um einen Mann wie Thomas würden mich sicher viele Frauen beneiden. Er kochte nicht nur hervorragend, er machte auch noch den Abwasch und tat alles mögliche, damit es mir gut ging. Ich sollte endlich wieder anfangen, das Gute an ihm zu sehen und mich nicht mehr an das Schlechte klammern. Es sollte wieder wie früher werden, als wir glücklich waren und viel miteinander unternommen hatten.

      »Willst du deine Beförderung nicht noch ein wenig feiern?« Vielleicht hatte er ja Lust, in einen Club oder eine Bar zu gehen.

      »Das haben wir doch gerade. Ich kann mir keine schönere Feier vorstellen als gleich mit dir zusammen den Abend zu genießen.«

      Meine gute Laune bekam einen kleinen Dämpfer. So sah eine Feier mit seinen achtundzwanzig Jahren also aus: man saß zusammen auf dem Sofa und sah fern. Doch ich wollte jetzt keine Diskussion mit ihm anfangen und gab mich geschlagen. Nach einem Bad hätte ich bestimmt auch keine Lust mehr auszugehen.

      Ich ging ins Badezimmer und ließ Wasser in die Wanne laufen, während ich mich auszog. Schnell beschlug der Wasserdampf den Spiegel. Ich wischte ihn mit einem Handtuch ab und schaute mir mein Spiegelbild an. Es sah nicht wesentlich besser aus als am Morgen, aber mein Gesicht war nicht mehr völlig zerknautscht. Vorsichtig stieg ich in das warme Wasser. Ich bekam eine Gänsehaut und musste mich kurz schütteln, dann glitt ich langsam hinab und kuschelte mich in die Schaumwolken. Genauso müssen sich die Bettdecken im Himmel anfühlen. Allmählich begann ich mich zu entspannen. Jeder Wirbel meines Rückens knackte. Nach den kurzen Stichen fühlte sich alles weicher an. Ich schloss die Augen. So wohl hatte ich mich lange nicht mehr gefühlt. Thomas hatte wirklich eine gute Idee gehabt. Wie so oft. Er hatte einen Sinn dafür zu wissen, was mir gut tat, und dieses Bad tat mir verdammt gut.

      Ich versuchte, an etwas Erfreuliches zu denken und stellte mir mein Hochzeitskleid vor: Weiß natürlich, mit kleinen roten Rosenblüten bestickt. Ein reinweißes Kleid erinnerte mich zu sehr an Thomas’ Wohnung. Es sollte eine Korsage haben, die hinten mit roten Bändern zusammengeschnürt wurde und eine kleine Schleppe. Beides wieder mit roten Rosen bestickt. Einen großen Reifrock wollte ich nicht. Mein Kleid sollte schmal geschnitten sein. Die Schuhe durften einen kleinen Absatz haben, aber nicht zu hoch, damit ich darin auch laufen konnte.

      Plötzlich stand ich auf einer grünen Wiese. Überall blühten die wunderschönsten Blumen und der Duft der Fliederbäume, die am Rand der Wiese wuchsen, erfüllte die Luft. Es war ein herrlicher Sommertag. Vor mir stand Thomas. Er