Das Organkartell. Rainer Rau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainer Rau
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847606956
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      »Was wäre das im Einzelnen?«

      »Es handelt sich um Organtransplantationen.«

      Matiss war erstaunt. Hatten sie ihn nicht verstanden? war er bleich im Gesicht. Das Auftreten der Männer und die Bestimmtheit, mit der sie ihr Anliegen vortrugen, bereitete ihm eine Gänsehaut.

      »Auch das kann ich nicht. Ich habe nicht mal einen richtigen Operationssaal. Ich habe auch noch nie an Menschen operiert, geschweige denn tiefer gehende Eingriffe vorgenommen.«

      »Das alles ist uns bekannt. Trotzdem glauben wir, dass Sie unsere Erwartungen erfüllen werden. Es bedarf keines topausgestatteten OP’s. Entnahmen von Organen können Sie auf den Tischen, auf denen Sie Ihre Tiere behandeln, vornehmen.«

      »Das ist doch alles nicht so steril wie in einem OP.

      Die Patienten wären extrem gefährdet.«

      »Das sind unsere Patienten, die wir Ihnen schicken werden, sowieso.«

      »Was ist, wenn einer stirbt, nach der Entnahme einer Niere?«

      »Es wird meistens mehr als nur eine Niere entfernen. Also kann der Patient gar nicht weiter leben. Kein Patient lebt weiter.«

      Nun war es gesprochen, was Matiss schon die ganze Zeit wusste und nur verdrängen wollte.

      Er sollte Menschen töten und ausweiden. Er stützte seinen Kopf in die Hände. Aber seltsamerweise schockierte ihn das Ganze nicht so sehr, wie er vorgab. Im Gegenteil, es regte seine Phantasie an. Vielleicht hatte er nun die Aufgabe gefunden, die er immer gesucht hatte.

      Schon als Kind hatte er Tiere getötet und ausgenommen. Es hatte ihm eine innere Ruhe und eine gewisse Lust bereitet. Bis heute hatte er keine Freundin gehabt und auch noch nie mit einer Frau geschlafen. Danach hatte er kein Verlangen. Matiss hatte jedoch auch keine homosexuellen Neigungen. Sein Sexualleben lebte er im Grunde überhaupt nicht aus. Wenn er einen Körper aufschneiden konnte, hatte er so etwas wie eine sexuelle Befriedigung, auch wenn sich diese nur in einem innerlichen Höhepunkt als Glücksgefühl auswirkte.

      Er war der Sache gegenüber nicht abgeneigt, sagte aber nicht sofort zu.

      »Da gäbe es noch viele Dinge, die dagegen sprechen.«

      »Nur zu. Sagen Sie, was Sie meinen.«

      »Wer sind die Personen und wie kommen sie hierher?«

      »Es sind alles Menschen, vorwiegend junge Menschen, die keiner vermisst. Einige aus dem Osten Europas. Andere kommen direkt aus Deutschland. Sie werden Ihnen angeliefert. Es kann jedoch vorkommen, dass Sie hier eine Weile, sagen wir, gelagert werden müssen. Das würden wir Ihnen selbstverständlich zusätzlich bezahlen. Wichtig ist, dass sie während ihres Aufenthaltes hier nicht erkranken. Unterbringmöglichkeiten haben Sie ja genug. Die Zellen im Stollen sind ja nicht alle von den Tigern belegt.«

      »Woher wissen Sie davon? Das weiß niemand!«

      »Wir sind im Besitz von Informationen, von denen Sie nicht die geringste Ahnung haben, dass es sie überhaupt gibt.«

      Wieder war Matiss erstaunt. Er gab sich zweifelnd. Aber er wusste schon jetzt, dass er mitmachen wollte.

      »Ich weiß nicht. Das ist alles …«

      Der zweite Mann, der bis jetzt nicht viel gesagt hatte, fiel ihm ins Wort.

      »Sie werden gut bezahlt. Zwischen vierzig- und fünfzigtausend pro Fall. Für die Unterbringung noch mal fünf- bis zehntausend. Überlegen Sie nicht lange. Sagen Sie ja.«

      »Wenn ich Nein sage?«

      »Machen Sie nicht. Sie leben dafür zu gerne.«

      Dieser Drohung hätte es nicht bedurft, aber sie half Matiss über die letzte moralische Schranke, tief in seinem Kopf, hinüber.

      Er sagte ja.

      So traf zehn Tage später die erste Warenlieferung am Steinbruch ein.

      Eine junge Frau aus einem kleinem Kaff bei Stachanow, einer 75.000-Einwohner-Stadt im Osten der Ukraine. Sie sah erbärmlich aus. Sie konnte kein Wort deutsch und jammerte nur vor sich hin. Matiss versuchte, sie zu beruhigen, aber alle Versuche schlugen fehl. Die Frau wurde noch hysterischer, als Bergmann sie später in ihrer Zelle vergewaltigte. Matiss bekam Angst, sie würde sich umbringen. Somit wären seine fünfzigtausend Euro flöten gewesen.

      Die junge Frau wusste nicht, warum sie entführt wurde, warum sie gefangen gehalten wurde. Sie wehrte sich verzweifelt und griff Bergmann an, sobald er die Zellentür öffnete und ihr etwas zu essen bringen wollte. Dann saß sie stundenlang apathisch auf dem Rand des Bettes und schaukelte mit dem Oberkörper hin und her.

      Der Zustand endete schlagartig, als einer der Tiger mit in die Zelle der jungen Frau kam. Von da ab machte sie alles, was man ihr mit Händen und Füßen versuchte zu erklären. Sie hatte sich mit allem abgefunden. Gefressen werden von einer Raubkatze, wollte sie auf gar keinen Fall.

      Matiss’ Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Er hatte eine Telefonnummer bekommen, unter der eine verantwortliche Person zu erreichen war. Dort rief er mehrere Male an, aber immer wurde ihm mitgeteilt, dass der Empfänger der Organe noch nicht bereit sei. Er solle sich noch gedulden.

      Nach vier Wochen kam endlich der ersehnte Anruf. Noch in dieser Nacht würden Leber und beide Nieren abgeholt werden.

      Matiss machte sich am Abend an die Arbeit.

      Die junge Frau ahnte, was auf sie zukam, als Matiss ihre Zelle aufschloss. Da der Tiger auf dem Gang auf und ab schlich, ging sie willenlos hinter Matiss her.

      Sie schaute zu Boden und murmelte immer und immer wieder in ihrer ukrainischen Muttersprache vor sich hin: »Bitte nicht weh tun. Bitte nicht weh tun.«

      Matiss verstand sie nicht und nickte nur. Aber sie wusste, dass er sie nicht verstand.

      Da sie das Abführmittel nicht trinken wollte, da sie annahm, es sei Gift, riss Bergmann ihren Kopf an den Haaren zurück und drückte ihren Unterkiefer brutal nach unten. Er hielt ihr die Nase zu und der Inhalt des Glases fand seinen Weg in den Magen des Mädchens. Bergmann riss ihr das Kleid und den Slip herunter und zog sie zur Toilette. Das Abführmittel wirkte schnell und sie entleerte ihren Darm.

      Bergmann hatte auf dem Flur gewartet und rief ihr zu, sie solle sich gefälligst beeilen.

      Sie verstand zwar außer »Dawai, dawai« kein Wort, konnte am Tonfall aber erkennen, um was es ging und hatte Angst, geschlagen zu werden. So beeilte sie sich und kam nackt aus dem kleinen Toilettenraum heraus.

      Bergmann zog sie am Handgelenk eine Tür weiter, stieß sie unter die Dusche und stellte das Wasser an.

      »Los, waschen. Mit Seife!«

      Als sie der Aufforderung nicht gleich nachkam, legte er selber Hand an und verrieb Duschgel auf ihrer Haut, wobei seine Hände an Brust und Hintern des Mädchens besonders gründlich wuschen. Bergmann war erregt und seine Hose wölbte sich nach vorne. Gerade wollte er sie fallen lassen, als die Stimme seines Herrn erschall.

      »Josef! Wo bleibt ihr denn?«

      »Scheiße«, dachte Josef, »jetzt wäre ich fast gekommen. Ja, Doc. Wir kommen!«

      Er drehte das Wasser ab und warf dem Mädchen ein Handtuch zu.

      Sie trocknete sich ab, ließ das Handtuch fallen und schaute sich ängstlich nach dem Tiger im Flur um, der ihnen nachschlich.

      Matiss deutete ihr mit ausgestrecktem Arm an, sie solle sich auf den Tisch legen.

      Als sie nackt auf dem kalten Edelstahltisch lag, hörte ihr Herz vor Angst auf zu schlagen. Sie brauchte keine Anästhesie. Sie war tot. Sie starb vor Angst.

      Matiss öffnete ihren Brustkorb. Es war seine erste Organentnahme.

      Man war mit ihm zufrieden und sein Konto kam langsam aus den roten Zahlen.

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