Im Schatten des Waldes. Barbara Kuhn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Barbara Kuhn
Издательство: Bookwire
Серия: Im Schatten des Waldes
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847645832
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Sie lauerten auf der anderen Seite der Lichtung. Es waren zwei mit Schwertern sowie Armbrüsten bewaffnete Männer, die lediglich dortig auf mich warteten.

      Mir wurde ganz flau im Magen, gleichzeitig hörte ich eine leise tiefe flüsternde Stimme: „Ich lasse dich sogleich los. Wir müssen auf der Stelle von hier fort, bevor die anderen Verfolger wiederum zurückkehren.“

      Mein Blick fiel auf schwarze, dunkle Augen. Anscheinend gehörte er keinesfalls zu den Verfolgern. Er hatte schwarze, kurze, lockige Haare und ward kräftig gebaut, allerdings keinesfalls fettleibig. Seine Haut war ein wenig dunkler als die meine, beinahe dunkelbraun. Im Gesicht hatte er einen Oberlippenbart, außerdem hatte er vom rechten bis zum linken Ohr wiederum einen Streifen mit Barthaaren. Unterhalb der Unterlippe und seinem Kinn hatte er ebenfalls einen kleinen Streifen mit dunklen Barthaaren. Kurz und gut wer dies auch immerfort sein mochte, er sah äußerst vortrefflich aus. Weshalb hatte ich solch ein absurden Gedanken?

      Seine Hand gab meinen Mund frei, gleichzeitig zeigte er in eine Richtung des Waldes. Langsam kroch ich rückwärts tiefer in den Wald hinein, fort von der bedrohenden Gefahr. Irgendwann erblickte ich die Lichtung keinesfalls mehr und der Fremde blieb stehen. Er reichte mir seine Hand, worauf ich ein wenig zögerte. Allerdings ergriff ich diese dennoch, daraufhin zog er mich mit einem kräftigen Ruck auf die Beine.

      Jetzt konnte ich sein Wams, sein hiesiges Gewand, erblicken. Er war gänzlich in schwarzem Leder gekleidet. Sein Oberteil war mit Nieten sowie Schnallen verziert. An seinen Handgelenken hatte er zusätzlich braune Lederbänder, wie ich sie von Schwertkämpfern kannte. Seine Beine steckten in enganliegenden schwarzen Beinkleidern, die mit Schnüren an den Seiten verziert waren. Die Füße steckten in engen halbhohen braunen Stiefeln, die ebenfalls auch an den Seiten geschnürt wurden. Auf dem Rücken blitzten zwei Griffe von Dolchen oder Kurzschwertern hervor und am Knöchel erkannte ich noch ein kleineres Messer. Kurz und gut er war ein Krieger, dies war mehr als offensichtlich.

      Durch den kräftigen Ruck verspürte ich wiederum den Pfeil in der Schulter und mir entfuhr ein schmerzverzerrtes Stöhnen. Nachdenklich schaute er mich an, drehte mich um und blickte unverzüglich auf den Pfeil in der Schulter. „Mein Freund, der Pfeil muss augenblicklich herausgenommen werden. Dies auf dem schnellsten Weg.“

      Anscheinend suchte er irgendwas auf dem Waldboden. Plötzlich bückte er sich, worauf er ein Holzstück vom Boden aufhob. „Höre zu. Du beißt gleich auf dieses Holzstück. Ich werde dir gleichzeitig den Pfeil herausziehen. Sodann werde ich dir Kräuter auf deine Wunde legen. Dies wird dir erstmals helfen bis wir das Lager erreicht haben. Dortig kannst du dich sodann ausruhen. - Mein Name ist Samuel, jedoch nennt man mich ebenfalls Samu. - Nun gut, bist du bereit?“ Fragte er mich mit ernstem Blick, gleichzeitig hielt er mir das Stück Holz entgegen.

      Hörbar schluckte ich und nickte lediglich. Starr vor Angst nahm ich das Holzstück zwischen meine Zähne. Augenblicklich versuchte ich mich an einem Baum festzuhalten. Plötzlich spürte ich seine Hand auf meiner rechten Schulter. Panik machte sich in mir breit. Mein Atem beschleunigte sich und Schweißperlen traten auf meine Stirn. Auf einmal… ein kräftiger Ruck… ich schrie auf, trotz des Holzstücks in meinem Mund. Sodann wurde alles schwarz um mich herum…

      4. Gefallener Engel

      Dieser Wald war dicht grün sowie undurchdringlich. Ich schritt unverändert meine beinahe alltägliche Runde. Unser Lager, der Unterschlupf vor den Männern der Obrigkeit, war ungefähr fünf Meilen von diesem immergrünen Ort entfernt. Meine Aufgabe war nach irgendwelchen Eindringlingen Ausschau zu halten, die uns diesbezüglich Schaden zufügen konnten. Ich für meinen Teil wollte lediglich ein wenig Wild erlegen.

      Gedankenverloren schritt ich den schmalen Pfad entlang, den ich seit einer Ewigkeit keineswegs mehr betreten hatte. An diesem Ort wirkte alles so grün, neblig und kühl. Es roch ständig nach feuchtem Gras, Flechten, Bäumen sowie Moosen. Zudem dieser ewige Regen…

      In meiner Heimat hatten wir dieses Klima lediglich in den Oasen vorgefunden. Allerdings diesbezüglich hierselbst in England, im Jahre 1189, die Kreuzzüge waren noch im vollen Gange, war dies das übliche Wetter. Dass ich an diesem feuchten, fremden Ort weit ab von meiner Heimat leben würde, hätte ich niemals für möglich gehalten. Allerdings die Kreuzzüge änderten dieses.

      Unser Lager hatten wir in den Wäldern zwischen Ironby und Shrewby, in der Nähe von Dudley. Wir waren ein wilder zusammengewürfelter Haufen. Unser Bestreben war den gequälten Bauern, den hiesigen Leibeigenen, zu unterstützen. Dies taten wir mit all unser Kraft. Die sogenannte Obrigkeit - Adlige, Ritter, sogar Geistliche bluteten dieses Land gänzlich aus. Den Bauern ging es äußerst schlecht. Sie hatten keinesfalls etwas zu essen und erkrankten dadurch häufiger, vor allem die Kinder. Sie mussten das Land, auf dem sie lebten, bebauen sowie diesbezüglich beträchtliche Steuern zahlen. Selbst wenn das Land ihnen keinesfalls gehörte und wahrhaftig niemals gehören würde.

      Falls sie allerdings ihre Steuern keinesfalls bezahlen konnten, wurden sie Angesicht der Tatsache äußerst hart bestraft. Mit Kerker, Folter, Verschleppung der Weiber sowie der Kinder, Beschlagnahmung des Viehs oder der Zerstörung des gesamten Ortes. Was diese Menschen ertragen mussten, war wahrhaftig grauenhafter als mancherlei Schlacht. Oft im Zeichen ihres sogenannten Glaubens. Für mich eigentlich gänzlich unvorstellbar. Weiber sowie Kinder wurden bestialisch abgeschlachtet.

      Diesen Menschen musste ich einfach helfen. Vor geraumer Zeit hatte mir ebenfalls ein Engländer mein armseliges Leben gerettet. Einem Mauren, einem Ungläubigen? War der Glaube wahrlich so wichtig? Wurden deshalb keinesfalls in den Kreuzzügen Unmengen von Blut vergossen? - So unmoralisch und barbarisch wie sie eigentlich mich nannten, waren sie diesbezüglich selbst.

       Mein Name ist Samuel im mittleren Alter, groß sowie kräftig. Ein ansehnlicher Schwertkämpfer, ziemlich geschickt mit dem Wurfmesser sowie ganz passabel mit Pfeil und Bogen. Allerdings sind meine Lieblingswaffen die beiden Kurzschwerte, diese trage ich immerfort auf meinem Rücken. Eigentlich bin ich ein Mann der keinesfalls viele Worte um etwas macht. Was sollte ich wahrhaftig auch zu ihnen sagen? Meinen Glauben sowie mein Denken verstanden die Wenigsten von ihnen und dies war zudem in mancher Hinsicht auch gut so.

      Meine Gefährten waren derzeit Harroh, der Anführer, sowie sein Weib Minna. Ludger, Veland, Tiw sowie Bruder Matthias. Sie alle waren so Draufgänger wie ich selbst. Immerhin kämpften wir für dieselbe Sache, gegen die sogenannte Obrigkeit. Lediglich ihre ständigen Saufgelage konnten mich…

      ***

      Ein Geräusch riss mich aus meinen Gedankengängen. Es kam aus östlicher Richtung, von dem Weg der nach Dudley führte. Instinktiv duckte ich mich hinter einem halbhohen Gebüsch. Überdies hörte ich Huftritte von drei, nein vier Pferden. Ritter!?

      Männer des hiesigen Sheriffs. Ich begutachtete die ankommenden Reiter. Kettenhemd, silbrig, matter Helm und ein wehender Umhang, ganz offensichtlich Männer des Sheriffs oder eines anderen Lehnsherrn. Anscheinend suchten sie jemanden, denn sie kamen schnell näher. Und tatsächlich: Eine halbe Meile voraus erblickte ich einen Jüngling. Keinesfalls äußerst muskulös, eher schmächtig.

      Offensichtlich war er aus einem naheliegenden Dorf, da er wie alle hiesigen Bauern ein enganliegendes Beinkleid und eine Art Umhang trug. Dieser reichte ihm jedoch beinahe bis zu den Knien. Sein Gesicht sowie seine Haare waren durch einen großen Filzhut verdeckt. Er trieb sein Pferd weiterhin schnell an. Wahrscheinlich hatte er dieses gestohlen oder sonst eine Niedrigkeit in den Augen der Männer des Sheriffs getan?

      Ich wollte geradewegs mein Versteck verlassen, alsdann ich ein weiteres Pferd vernahm. Diesmal genau neben dem Gebüsch wo ich mich versteckt hielt. Unverzüglich bückte ich mich noch tiefer. Jedoch das Dickicht bot mir eine sichere Deckung. Da wir uns in der heißen Zeit befanden, waren die Blätter grün sowie undurchdringlich.