Zwiebelsuppe à la Jules. Louis Geras. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Louis Geras
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738041088
Скачать книгу
voneinander wusste, außer einigen wenigen unwesentlichen Details, die nichts verrieten. Was jedoch nicht an ihm lag. Wann immer er im Gespräch versuchte mehr zu erfahren, wurde er vertröstet, schließlich sollte man die wenigen gestohlenen Augenblicke, die man für einander hatte, genießen und nicht mit nutzlosen Gesprächen vergeuden. Jeder Augenblick war kostbar. Auch Alex empfand es so und versuchte sie auf seine Weise festzuhalten. Dazu gehörte für ihn aber auch ein vertrautes Gespräch. Gedankenaustausch oder zärtliche Worte.

      Seine Augen folgten den Sonnenstrahlen, die sich zwischen den halbgeschlossenen Rollläden hindurch stahlen und über den kleinen Tisch vor dem Fenster Linien zeichneten. Er versuchte diese Gedanken zu verdrängen, denn er fürchtete sich vor der Alternative.

      Die Turmuhrglocke schlug ein Mal. Viertel nach Zwei. Es wurde Zeit. Das nächste Meeting fing in einer Stunde an und er musste noch ans andere Ende der Stadt. Die gestohlenen Stunden verlangten Organisation und hetzten ihn.

      Seufzend schlug er die Decke zurück, blieb aber noch einen Moment liegen und fuhr sich mit den Fingerspitzen über die Innenseite seines Schenkels. Ganz leicht. Ganz langsam und behutsam. Das Kribbeln setzte augenblicklich ein und er schloss die Augen und genoss es.

      Er hatte früher nicht gewusst, wie sehr es ihn erregte, wenn das jemand machte.

      In den vergangenen Monaten seit sie sich hier trafen, hatte er viel über sich gelernt. Er hatte neue, für ihn fremde erogene Zonen seines Körpers kennengelernt und jede einzelne erforscht. Berührungen, die ihm früher Fremd gewesen waren, erregten ihn nun. Alleine bei dem Gedanken daran, versetzten Impulse ihn in einen berauschenden Zustand. Er wusste, dass dies die Antwort war auf seine Frage, warum er immer wieder hierher kam. Auch wenn er sie nicht hören – nicht wahrhaben - wollte.

      Missmutig zog er seine Augenbrauen zusammen. „Schlampe! Geile Schlampe!“, sagte er halblaut in den leeren Raum und meinte sich selbst damit. Dann zwang er sich die Augen endgültig zu öffnen. Rasch schwang er nun seine Beine über die Bettkante und sprang auf, um nicht in Versuchung zu geraten, weiterhin seinen Gedanken und Gefühlen nachzuspüren.

      Auf dem Weg ins Bad sammelte er seine Socken und die Jeans vom Boden auf und warf sie auf einen der Stühle neben dem Tisch.

      Zuerst heiß, dann eiskalt prasselte das Wasser der Dusche auf ihn nieder. Das klärte seine Gedanken, wenigstens für eine Weile.

      Nachdem er auch die anderen Kleidungsstücke gefunden hatte – er war jedes Mal überrascht, an welchen Orten er sie wiederfand - verließ er, nach einem kurzen prüfenden Blick in den Spiegel, hastig die Wohnung.

      Den Gang entlang eilend, vorbei an den verschlossenen anonymen Türen, suchte er nach seinem Handy in der Jackentasche. Er schaltete es immer aus, wenn sie sich trafen. Er wollte unerreichbar für die alltägliche nüchterne Welt sein, während sie sich in der Wohnung aufhielten. Nun checkte er seine Anrufe. Dreimal das Büro. Eine SMS. Er lud sie herunter.

      Kaum hatte er sie gelesen, beschleunigte er seine Schritte. Seine Hast kam nicht von ungefähr. „Meeting schon um halb“, stand in der SMS. „Verdammt!“, stieß er hervor. Dann begann er den Gang entlang zu laufen - wobei er immer wieder halblaut vor sich hin fluchte -sprang die Treppe - immer zwei Stufen auf einmal nehmend - hinunter und bremste erst knapp vor der zweiteiligen gläsernen Eingangstür.

      Keuchend blieb er davor stehen. Dann drückte er zögernd die Tür auf und sah sich aufmerksam um.

      Seltsamerweise sah er sich immer genau um, bevor er das Wohnhaus verließ. Er kam sich albern dabei vor, aber trotzdem tat er es. Schämte er sich dafür, was er hier trieb? Er ersparte sich selbst die Antwort auf seine Frage und eilte stattdessen in die nächste Seitengasse zu seinem blitzblauen ‚Beetle‘, der eine bleibende Erinnerung an seine letzte fixe Beziehung war.

      Christina, genaugenommen Christina Perner, hatte sie geheißen. Sie war seine Traumfrau gewesen und der ‚Beetle‘ ihr Traumauto. Bis zu dem Tag an dem Alex sie mit einem Anderen im Gebüsch angetroffen hatte und sein Traum von einer traumhaften Beziehung, wie eine Seifenblase in der Sonne zerplatzte und zu einem Alptraum wurde.

      Während er den Schlüssel ins Schloss steckte, um den Wagen aufzusperren, erinnerte er sich an die bizarre Situation. Er sah sich selbst, wie er da stand – gedemütigt und unendlich verletzt – und sie dumm anglotzte. Sie saß rittlings auf seinem Kollegen, den Rock hochgeschoben, mit geöffneter Bluse, die Hand des Anderen an ihrer entblößten Brust. Der Träger ihres BH’s hing seitlich hinunter. Die feine weiße Spitze des Körbchens gab die Brustwarzen frei. Frech standen sie hervor. Ihre Frisur, perfekt gestylt. Der Lippenstift um ihren vollen weichen leichtgeöffneten sinnlichen Mund etwas verwischt. Aber vor allem sah er ihre Augen, die ihn halb unter ihren langen dunklen Wimpern verborgen, gelangweilt-nein - verächtlich ansahen. Dieser Blick hatte sich in seiner Erinnerung eingebrannt.

      Noch im Gedanken an diese Szene gefangen, sprang Alex ins Auto und startete wütend den Motor. Zu fest trat er aufs Gaspedal, so dass er mit einem Rums gegen, das hinter ihm parkende Auto auffuhr. „Verdammt!“, entfuhr es ihm abermals. Das konnte er jetzt gar nicht gebrauchen. Nicht hier - nicht jetzt. Er stöhnte auf und schlug aufgewühlt mehrmals auf sein Lenkrad. Dann sprang er aus dem Auto, um den Schaden zu begutachten.

      Im gleichen Moment öffnete sich auch die Autotür, des hinter ihm parkenden kleinen elegant-schwarzen Sportflitzer, und eine zierliche Brünette schwang ihre Beine heraus und stelzte auf hohen Absätzen auf ihn zu. Ein enges Business-Kostüm umhüllte einen perfekten schlanken Körper. Das maskenhaft geschminkte Gesicht war nicht einzuschätzen. Weder das Alter, noch die Stimmung.

      „Aufgespritz!“, zuckte für einen Moment ein Gedanke durch Alex Hirn, während er ihr entgegenblickte.

      Ihre Bewegungen drückten dafür deutlicher aus, was sie empfand. Sichtlich wütend rauschte sie auf ihn zu und fauchte ihn an, wobei sich die intensiv Rot nachgezogenen Lippen nur wenig öffneten: „Ihren Führerschein haben Sie wohl auch in der Lotterie gewonnen! Sie Id….“ Den Rest verschluckte sie. Stattdessen fing sie an mit ihren langen lackierten Fingernägeln in ihrer Handtasche - eine echte Dior - zu kramen. „Oder sind Sie betrunken? Es ist wahrscheinlich besser, wenn ich die Polizei rufe.“ Damit zog sie ihr Handy heraus und fing an die Rufnummer einzutippen.

      Alex hatte sich währenddessen über die Stoßstange gebeugt. Erleichtert stellte er fest, dass bis auf ein paar Kratzern und einer kleinen Delle keine Schäden sichtbar waren. Er wollte hier keine Aufmerksamkeit erregen. Daher ergriff er sofort die Gelegenheit, als er merkte, dass die Frau für einen Moment zögerte und dabei ihren Blick abschätzend über ihn gleiten ließ, ehe ihr Finger sich auf die Wahltaste zubewegte.

      Alex zauberte ein charmantes Lächeln auf die Lippen und sah sie eindringlich an. „Ich glaube nicht, dass es nötig ist die Polizei zu rufen.“, fing er an, „Wir müssten nur ewig warten, bis sie endlich kämen. Sie wissen ja sicher, wie so etwas abläuft.“ Dabei versuchte er ihren Blick einzufangen. „Ich denke, wir können das auch so unter uns klären. Es ist natürlich meine Schuld.“, betonte er mit voller Überzeugung. „Ohne jeden Zweifel. Es tut mir sehr, sehr leid. Ich war im Gedanken gerade wo anders. Ich gebe Ihnen meine Telefonnummer und meine Adresse. Und ….wenn ihre Werkstatt den Schaden repariert hat, rufen Sie mich an und ich bezahle die Rechnung.“

      Er zog seine Visitenkarte heraus und schrieb seine private Telefonnummer auf die Rückseite. „Hier. Meine Karte. Auf der Rückseite steht meine Privatnummer. Darf ich ihren Namen erfahren?“

      Die Brünette knabberte noch zögerlich an ihrer Unterlippe. Immer noch schwebte ihr Finger gefährlich über der Tastatur. Dann warf sie einen kurzen Blick auf das Haus, dann auf Alex, der ihr die Karte mit einen auffordernden Lächeln hinhielt und zuckte schließlich die Schultern. Danach griff sie nach der Karte und steckte sie ein, nachdem sie einen kurzen Blick darauf geworfen hatte. „Sie haben Glück, dass ich gerade keine Zeit habe, auf die Polizei zu warten. Sie hören von mir“, sagte sie schließlich knapp und stöckelte zurück zu ihrem Auto. Alex starrte ihr, erleichtert und auch ein wenig überrascht, weil sich die Frau so widerspruchslos gefügt hatte, hinterher. Er hatte mehr Widerstand erwartet.

      Während er ihr nachsah, ertappte