Mo Morris und der Staat der Flüchtlinge. Benedict Dana. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Benedict Dana
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752922332
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von einem alten Ledersofa und einigen Sesseln eingerahmten Couchtisch, der früher über und über mit allem möglichen Krimskrams übersät gewesen war, war jetzt nur noch ein brandneuer Laptop und eine leere Kaffeetasse zu sehen.

      Als sie durch das blitzblanke, in den Garten weisende Panoramafenster sah, das vor wenigen Wochen noch von vergilbten, durch den Cockerspaniel zerfetzten Gardinen verhängt gewesen war, wurde ihr Erstaunen nochmals verstärkt. In der ebenfalls renovierten Garage stand neben einem alten VW Käfer ein imposanter Chevrolet im SUV-Stil, der im Vergleich zu dem VW riesengroß aussah. Der Ruf eines etwas spleenigen, witzigen und unangepassten Zeitgenossen, den sich Mo an der Universität erworben hatte, hatte auch ein wenig mit dem alten Käfer zu tun gehabt, der nun endgültig zu einem Museumsstück geworden war. Für Mary, die als Doktorin der Psychologie einige Menschenkenntnis besaß, war dies ein untrügliches Zeichen, dass eine bedeutende Veränderung in dem Wesen ihres Freundes vor sich gegangen war.

      „Die Belohnung, die du für den letzten Fall eingestrichen hast, hat vielleicht auch ein paar Schattenseiten. Geld verändert die Menschen, ich hoffe du unterschätzt das nicht…“, bemerkte sie mit einem nachdenklichen und kritischen Ton, während sie ihren Blick langsam von dem teuren Chevrolet abwendete und kurz über den frisch geschliffenen Parkettboden und die schneeweiß gestrichenen Wände wandern ließ.

      Er hielt es nicht für notwendig, seinen neuen Lebensstil zu verteidigen, und vertiefte sich lieber in den Anblick ihrer feinen, braunen Locken, die ihr locker bis auf die Schultern fielen und ihr zartes Profil wie immer äußerst vorteilhaft zur Geltung brachten. Ihre spitze, intelligente Nase hatte ihm schon immer am meisten an ihr gefallen und er betrachtete sie gewissermaßen als ein spezielles Merkmal, das sie einer besonderen Klasse von Menschen zuwies. Sie hatte Bildung und Stil und ihr ganzes Wesen spiegelte für ihn eine Art höheren Menschentypus wider, dem er sich selber nur bedingt zugehörig fühlte. Ihr Anblick löste wie immer widerstreitende Gefühle in ihm aus, weshalb er zur Ablenkung in die Küche flüchtete, um die Kaffeemaschine einzuschalten. Bei seiner Rückkehr in den Salon zögerte sie nicht länger, den Grund ihres Besuches anzusprechen.

      „Rektor Cunningham hat mich gebeten, dich zu überreden an der Universität zu bleiben. Er bietet dir eine Tätigkeit als Privatdozent an, die nur für ein paar Vorlesungen pro Semester verpflichtend wäre. Ich würde das Angebot annehmen, denn falls dir die Arbeit als Privatdetektiv doch nicht liegt, könntest du auf diese Weise leichter an die Universität zurückkehren.“

      „Ausgerechnet der alte Professor Cunningham bittet mich darum! Natürlich ist er zu stolz, es mir selbst zu sagen, nachdem er jahrelang keinen Hehl daraus gemacht hat, wie wenig er von mir und meinen liberalen Lehrmethoden hält. Ich weiß ganz genau, was dahinter steckt. Nachdem mich der letzte Fall in die Medien gebracht hat, bin ich für die Uni ein Aushängeschild geworden. Eine bessere Werbung könnte es kaum geben!“

      Er erhob sich mit einem zynischen Lachen und holte ein Tablett mit Kaffeegeschirr aus der Küche. Als er zwei Tassen und eine Schale mit Keksen betont ordentlich auf dem Couchtisch aufbaute, neckte Mary ihn voller Ironie:

      „Ist das dein neuer Stil? Hast du Spaß daran? Alles sauber, hübsch und adrett wie bei Omas spießigem Kaffeekränzchen… Meine Güte, wenn ich im Vergleich dazu an das Chaos früher hier denke! Es liegt doch nicht nur am Geld, oder? Steckt sie vielleicht dahinter, hast du für sie alles hier so nett gemacht?“

      Er wich erstaunt zurück und brauchte eine Weile, um zu realisieren, wie viel ernst in dieser scheinbar harmlosen Frage steckte. Es war für ihn unmöglich auf Anhieb zuzugeben, dass es eine „Sie“ in seinem Leben gab, also musste er sich ahnungslos geben.

      „Wovon redest du?“

      „Als ich dich vor einigen Wochen besuchen wollte, bat mich Mrs. Higgins für ein paar Minuten hinein, obwohl du nicht da warst. Wir plauderten etwas und sie ließ sich nicht sehr positiv über eine gewisse Betty Cadena aus, die dir völlig den Kopf verdreht hätte. Als Psychologin finde ich das natürlich hochinteressant. Du weißt, es ist nur ein rein berufliches Interesse, denn ich mische mich nicht gern ein. Schließlich geht es mich nichts an.“

      Er hätte am liebsten laut protestiert. Ihr letzter Satz war so dumm, wie das ganze psychologische Spiel, in dem sie seit Jahren ausweglos gefangen waren. Keiner von ihnen war bis heute fähig, die Sympathien und Gefühle für den Anderen zu zeigen und etwa ganz offen zu sagen: Das, was du tust, geht mich sehr wohl etwas an! Außerdem ärgerte er sich über Mrs. Higgins’ Indiskretion. Es war nicht das erste Mal, dass sich seine zwar gutmütige, aber auch resolute und manchmal etwas vorlaute Haushälterin zu sehr in seine privaten Angelegenheiten einmischte. Es war wohl der Preis für den vertraulichen und fast familiären Ton, auf den er sich mittlerweile mit ihr eingelassen hatte.

      „Ich muss schon mein Erstaunen darüber zum Ausdruck bringen, dass deine gute Mrs. Higgins diese Betty Cadena ziemlich unverhohlen als ein Luder bezeichnete, das schlechten Einfluss auf dich hätte“, behielt Mary ihren angriffslustigen Ton bei. „Was ist das für eine Frau? Higgins sagte, sie wäre wesentlich jünger als du und extrem attraktiv. Hat sie dir völlig den Kopf verdreht?“

      „Absoluter Unsinn! Ich hatte dir ja einiges über Tim Diamond, den bekannten Detektiv aus New York, erzählt. Betty war lange mit ihm zusammen, aber seit einigen Jahren war die Beziehung nur noch reine Fassade. Wie du weißt, hat Sie in meinem letzten Fall eine wichtige Rolle gespielt und wir sind uns dadurch näher gekommen.“

      „Hast du eigentlich vor, in Zukunft mit Diamond zusammenzuarbeiten? Er scheint ja mit seiner Detektei Diamond Investigations sehr erfolgreich zu sein. Er hat viel praktische Erfahrung und könnte dich einiges lehren“, bemühte sie sich, das Gespräch in eine etwas unverfänglichere Richtung zu lenken.

      „Ich kenne Diamond seit Ewigkeiten und uns verbindet das, was man fast eine Hassliebe nennen könnte. Er ist all das, was ich nicht bin, und ich bin das, was er nicht ist. Seine Art von Erfahrungen sind nicht meine und ich arbeite auf meine eigene Art!“

      „Und was ist mit diesem Jayden Miller, dem jungen FBI-Agenten, der bei deinem letzten Fall dein Partner war? Hatte er nicht vor den Dienst zu quittieren?“

      „Jayden konnte sich bisher noch nicht zu dem Schritt entschließen. Wir stehen in engem Kontakt und es ist nicht ausgeschlossen, dass es irgendwann wieder zu einer Zusammenarbeit kommt.“

      „Aber du brauchst doch irgendjemanden, der dir hilft und einen Teil der praktischen Arbeit abnimmt!“

      „Ja, das stimmt und genau da kommt wieder Betty ins Spiel. Sie hat bei Diamond Investigations eine Menge Erfahrungen gesammelt und ich werde mich hin und wieder ihrer Expertise bedienen, wenn es um praktische Dinge geht. Sie repräsentiert eine andere Welt und ich brauche jemanden, der mir die Tür in diese Welt ein Stück weit offen hält. Sie und Diamond haben Kontakte zu Leuten, deren Hilfe für mich immer wieder nützlich werden kann. Als bestes Beispiel wäre wohl ihr Mitarbeiter Michael King zu erwähnen, der mir letztes Jahr das Leben gerettet hat. Du weißt ja, Mickey.“

      „Du magst Mickey offenbar sehr, obwohl er mir ein ziemlich schräger Kerl zu sein scheint. Du und Jayden hattet doch auch Diamond das Leben gerettet, oder nicht? Wäre es nicht angebracht, wenn er dir dafür in Zukunft hin und wieder unter die Arme greift?“

      Mary hielt inne, da sie die Haustür ins Schloss fallen hörte. Kurz darauf kam Dr. Watson herein geschossen und sprang mit einer solchen Wucht auf Mos Schoß, dass er etwas von dem Inhalt seiner Kaffeetasse direkt auf Marys Jeansrock goss. Genau in dem Moment, als er instinktiv begann mit seiner Hand auf dem Rock hin und her zu reiben, als wären die Folgen des Missgeschicks noch zu vermeiden, trat Mrs. Higgins herein. Das Bild, das Mos Hand auf Marys Oberschenkeln ergab, wurde von ihr als ein intimes Techtelmechtel interpretiert, was sie genauso zu erfreuen wie zu beschämen schien. Die kluge und gesittete Mary Kelly war in ihren Augen genau die richtige Frau für Mo, dessen Junggesellendasein viel zu viele Spleens und Eigenwilligkeiten mit sich brachte. Betty Cadena hingegen, das kleine „Luder“, das viel zu jung und attraktiv für ihn war, hatte nach ihrem Empfinden einen negativen Einfluss auf ihn, der seinen Charakter schon jetzt unvorteilhaft verändert hatte. Eine dieser Veränderungen zeigte sich für sie etwa in