Der Kristall. Bärbel Junker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bärbel Junker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738015522
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hatte ihn vor ein paar Tagen im Wald getroffen und mit dem Vorschlag geködert, ihm seine Vorräte aufzufüllen. Der schönen jungen Frau, als die sie sich ihm präsentierte, hatte er sofort geglaubt. Mit einem Zauber war es ihr gelungen, ihn zu überlisten. Als er wieder zu sich kam, war er in der Hütte in unsichtbaren Fesseln gefangen.

      Sie wusste noch nicht, was sie mit ihm machen würde. Zuerst jedoch wollte sie ihrer Bosheit freien Lauf lassen und sich an seiner Hilflosigkeit, seinem Ausgeliefertsein ergötzen. Ohne magische Hilfe konnte er nicht entkommen. Und der einzige Magier der von ihr wusste, war endlich tot.

      Nur schade, dass die Magie seines Anhängers nicht auf sie übergegangen war. Sie hatte es versucht, nachdem sie Noldikian die Kette vom Hals gerissen hatte. Es war eine sehr schmerzhafte Erfahrung gewesen. Der magische Anhänger hatte sich gegen sie gewehrt. Wäre Noldikian ohne den Anhänger nicht geschwächt gewesen, hätte sie unterliegen können.

      Sie schnaufte noch im Nachhinein vor Zorn. Der Dämon war wirklich schlau, das musste sie ihm zugestehen. Er hatte geahnt, dass sie diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen würde.

      „Töte diesen Möchtegern-Zauberer, ich brauche ihn nicht mehr“, hatte er befohlen. „Danach nimm den Anhänger und bring ihn mir“.

      Verdammt! Den hatte sie völlig vergessen!

      Doch das durfte sie IHM auf keinen Fall sagen, wenn sie am Leben bleiben wollte. Und das wollte sie mit allen Mitteln, selbst dem der Lüge. Jetzt war sie schon wieder wütend! Sie musste ihre Wut unbedingt abreagieren. Sie grinste voller Vorfreude, denn ihre Entspannung wartete hier in der Hütte. Sie war jetzt zwei Tage fort gewesen. Er musste hungrig und sehr durstig sein. Sie griff nach ihrem Korb und öffnete die Tür.

      Der Gefangene schlug bei dem Geräusch die Augen auf und sah sie an. „Ich dachte schon, du willst da draußen Wurzeln schlagen“, sagte er rau.

      Lestizia schluckte. Ich bin doch so leise gewesen, wieso hat er mich gehört? dachte sie verärgert. „Ich hab dir was zu essen und zu trinken mitgebracht“, sagte sie unfreundlich.

      „Wie nett. Und wann lässt du mich gehen?“

      Lestizia lachte. „Wahrscheinlich gar nicht, mein Lieber. Vielleicht lasse ich dich genauso verschwinden wie deinen blöden Gaul.“

      Der Mann erschrak sichtlich. Fein, das hat gesessen, dachte die Hexe vergnügt. Er hängt an dem Klepper. Gut zu wissen! Sie schob den Korb zu ihm hin. „Hier iss.“

      „Wie denn? Mit gefesselten Händen?“

      Er hofft auf eine Chance, erkannte die Hexe sehr richtig. Aber die bekommt er nicht, dachte sie gehässig. Sie löste die magische Fesselung nur an einer Hand und nur so weit, dass er in den Korb greifen und die Nahrung zum Mund führen konnte. Der Gefangene ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken und griff nach dem Eintopf.

      „Was meinst du, Rowan. Ob das Fleisch darin wohl von deinem Zossen stammt?“, fragte sie kichernd.

      Rowan starrte erschrocken auf den Holzlöffel in seiner Hand. Wenn meinem Wotan etwas passiert ist, dann bringe ich die Hexe um. Irgendwie wird es mir gelingen, schwor er fast berstend vor Hass.

      „Na, ist dir der Appetit vergangen?“, fragte sie scheinheilig. „Sieh doch nur diese Köstlichkeiten:

      Das wunderbar verschimmelte Brot, den ranzigen Speck, den vergammelten Apfel und dieses köstliche abgestandene Wasser. Und natürlich nicht zu vergessen dieser ungemein leckere Eintopf mit deinem Gaul darin, oder nicht?“

      Rowan schluckte, doch er ließ sich die Angst um Wotan, seinen Hengst, nicht anmerken. Diesen Gefallen würde er diesem Miststück nicht tun. Und eines war klar, er musste diese Drecksnahrung essen, um bei Kräften zu bleiben. Also befahl er seinem Magen nicht zu streiken und langte zu.

      ZWIST IM ZWERGENREICH

      Der Kampf war in vollem Gange. Bisher sah es für die Zwerge sehr gut aus. Die Orks gaben zwar nicht nach aber es schien, als griffen sie nur halbherzig an.

      Seltsam, dachte Hetzel. Es sieht fast so aus, als seien die Orks von unserer Gegenwehr überrascht? Aber wieso?

      „Die kämpfen heute anscheinend nur mit halber Kraft“, sagte der Meisterschmied Ventor neben ihm, als für einen Moment eine Pause in den Kämpfen eintrat. Genau das, was Hetzel soeben auch gedacht hatte.

      „Auf sie, Jungs! Macht die Schweineschnauzen platt“, grölte Balbur, Hetzels rücksichtsloser Gegenspieler und Konkurrent um die Führung des Zwergenvolkes. Balburs schreiend buntes Tuch, das er stets trug, um seinen kahlen Kopf zu verbergen, leuchtete wie eine Blumenwiese nicht weit entfernt von Hetzel und seinem Freund.

      „Der ist echt nicht ganz dicht“, schimpfte Ventor kopfschüttelnd. „Nun sieh dir bloß mal an, Hetzel, wie der sich hervortut geradeso, als hätte er das Sagen und nicht du.“

      Hetzel zuckte nur mit den Schultern. Er kannte Balbur und seine Intrigen nur allzu gut. Was sollte er dazu noch sagen. Irgendwann würden sie die Sache austragen müssen, damit wieder Ruhe einkehrte. Aber jetzt mussten sie zuerst einmal die abscheulichen Orks aus ihrem Gebiet vertreiben!

      Und schon ging es wieder los! Hetzel wich dem Schlag einer Streitaxt aus, der in Brusthöhe an ihm vorbeizog und parierte verrosteten Stahl, der dicht an sein Gesicht herankam. Er rollte sich blitzschnell über die Schulter ab und stieß dem überraschten Gegner sein Schwert in den Leib. Der Ork schrie gellend auf und kippte um.

      „Verdammt, Balbur! Du hast gesagt, ihr würdet nich´ kämpfen“, schrie der Anführer der Orks wütend. „Hätt´ ich gewusst, dass ihr angreift, wär´n viel mehr von uns hier. „Wo is´ denn nun dieser verdammte Hetzel, den wir uns schnappen soll´n? Und wo sind die Waffen? Wo is´ das Fleisch, das du uns dafür versprochen hast?“

      Hetzel glaubte sich verhört zu haben. Das durfte doch nicht wahr sein! Dieser Mistkerl Balbur wollte ihn an die Orks ausliefern, um an seine Stelle zu treten! Na, diesem verdammten Verräter würde er es zeigen. Wutentbrannt machte sich Hetzel auf den Weg.

      Doch auch andere Zwerge hatten die Worte des Ork vernommen. Und auch sie bewegten sich empört auf den verräterischen Balbur zu.

      Dieser stand jetzt neben dem hünenhaften Ork, der wutentbrannt auf ihn einschrie. Plötzlich holte der Ork aus, schwang die riesige Axt und … schlug Balbur den Kopf ab!

      Plötzlich schrie und lief alles durcheinander. Hetzel versuchte seine Kameraden zu beruhigen. Es war sinnlos. Bei seinen Bemühungen sich zurückzuziehen geriet er ungewollt in einen Pulk Orks. Diese nutzten die Gunst der Stunde.

      Eine Faust traf Hetzel wie ein Pferdetritt am Kinn und er fiel um. Der riesenhafte Ork, der Balbur den Kopf abgeschlagen hatte, schnappte ihn, warf ihn sich über die Schulter und rannte gefolgt von seinen Kumpanen in einem Affenzahn davon.

      Bevor die Zwerge begriffen hatten, was da vor sich ging, waren die Orks über alle Berge. Und Hetzel in tiefer Ohnmacht liegend jagte einem ungewissen Schicksal entgegen.

      KASSANDRA UND DER GEFANGENE

      Nachdem die Schwarze Hexe ihr Mütchen an dem Gefangenen gekühlt hatte, verlor sie das Interesse an ihm. Bevor sie ging verstärkte sie jedoch nicht nur die magische Fesselung, sondern fesselte ihn zusätzlich noch mit herkömmlichen Lederbändern, die sie schmerzhaft fest anzog. Lachend griff sie nach ihrem Korb.

      Als sie die Tür öffnete, saß die Katze Kassandra davor. Augenblicklich brach die ständig latent lauernde Wut und Bosheit in Lestizia hervor. „Was hast du dummes Katzenvieh hier zu suchen“, keifte sie und trat zu.

      Doch diesmal war Kassandra schneller. Mit einem Riesensatz sprang sie davon. Ununterbrochen vor sich hin schimpfend ging Lestizia zurück zum Haus. Mit einem Knall schlug sie die Tür hinter sich zu.

      Kassandra