Stille. Ich räuspere mich, weil meine Stimme mir leider nicht mehr gehorcht. Mein Herz schlägt mir bis in den Hals. »Jonathan. Du kannst doch nicht erwarten, dass ich nach all dem, was in den letzten Jahren war, noch Verständnis für dich habe?«
»Nein, das erwarte ich nicht. Aber du sollst wissen, dass ich mindestens so verletzt bin wie du. Und das wirst du zu spüren bekommen.«
Großer Gott. Ich weiß, dass er rachsüchtig ist, das hat er in seinem Job als Anwalt oft genug bewiesen. Und ich weiß, dass er mir absolut überlegen ist, in jeder Hinsicht. Wenn er mich ruinieren will, wird ihm das gelingen, so viel ist mir klar. Plötzlich ist mir eiskalt.
»Du wirst ja sehen, woran dein Bennet wirklich interessiert ist. An dir oder an meinem Geld. Darüber würde ich an deiner Stelle mal nachdenken, Lilian. So naiv kannst selbst du nicht sein, dass du glaubst, Braden Bennet würde sich ausgerechnet in eine Frau wie dich verlieben. Du glaubst, ich wäre berechnend? Dann lern Bennet mal kennen. Ich wünsche dir viel Vergnügen dabei.«
Der Besetztton, der an mein Ohr dringt, nachdem er aufgelegt hat, ist schmerzhaft laut. Mein Puls rast, und das Telefon rutscht mir aus den schweißnassen Händen. Was zum Teufel hat er damit gemeint?
Lilly
Braden strahlt, als er aus dem gregorianischen Haus in Kensington tritt und über die Straße zu mir eilt. Sofort löst sich die Anspannung; meine Muskeln lockern sich und meine Knie werden weich. Wie immer, wenn ich ihn sehe.
Es ist verrückt, aber eine solche Anziehungskraft hat noch nie jemand auf mich ausgeübt. Das war schon damals so, vor fünf Jahren, in jener verhängnisvollen Nacht kurz vor meiner Hochzeit. Wenn ich Braden sehe, wird mir warm. Er bringt mich allein mit seinem Lächeln dazu, dass ich mich wieder wie ein Teenager fühle. Und ich liebe es, wenn er mich in seine Arme nimmt und mich an sich zieht. Ich fühle mich sicher, beschützt bei ihm. Und so unendlich ruhig. Er hat auf mich dieselbe Wirkung wie ein Tag am Meer. Meine Nerven hören auf zu flattern, mein Herz wird leichter und ich bin ... entspannt. Vor allem, seitdem wir uns regelmäßig treffen und miteinander schlafen. Sex mit Braden ist besser als jedes Sterne-Menü, das ich je genossen habe. Unsere Körper scheinen füreinander geschaffen zu sein; ich muss ihn nicht einmal berühren, um das sehnsüchtige Ziehen in meinem Unterleib zu spüren, das nur er in mir auslöst.
»Hallo Schönheit«, sagt er und legt beide Arme um meine Hüften. »Ich habe dich vermisst heute.« Dann presst er seine Lippen auf meine. Ich schließe die Augen, erwidere den Kuss, der zärtlich und doch so fordernd, leidenschaftlich ist. Der meinen ganzen Körper mit einer schweren, warmen Süße erfüllt, wie ein teurer Rotwein. Atme tief ein, um ihn zu riechen. Um zu wissen, dass er wirklich hier ist, bei mir. Sein Aftershave, den männlichen Duft, der darunter liegt und den ich am liebsten pur mag.
»Ich habe mit Jonathan gesprochen«, platze ich heraus, nachdem er nach einer gefühlten halben Stunde meinen Mund wieder freigegeben hat. Das Wetter ist herbstlich feucht, weshalb ich meine Haare hochgesteckt habe. Die rote Mähne ist sonst bei diesem Klima nicht zu bändigen.
»Ich weiß. Er hat mir seinen Widerspruch natürlich schriftlich zukommen lassen, und er war nicht frei von Häme.«
»Was machen wir jetzt?«, frage ich und hake mich bei ihm ein. Er hat muskulöse Arme, weil er regelmäßig im Fitness-Studio trainiert. Das braucht er als Ausgleich zu seiner sitzenden Tätigkeit, behauptet er, aber ich weiß, dass er es auch aus Eitelkeit tut. Ich sehe den Stolz in seinen braunen Augen, wenn ich meine Finger über seine nackte Brust gleiten lasse und seinen Körper bewundere. Der Gedanke an Braden – nackt! – reicht schon aus, um ein leises Pochen in meinem Schoß hervorzurufen.
»Lass uns später darüber sprechen. Bitte. Hast du schon gegessen?« Braden wirft mir einen Seitenblick zu. »Ich hatte nur Sandwiches zum Mittag und könnte noch was gebrauchen.«
Mir ist der Appetit gründlich vergangen, aber das sollte nicht sein Problem sein. Wir fahren nach Mayfair zu seiner Wohnung. In Bradens Sportwagen, der neuerdings innen aufgeräumt ist – vermutlich meinetwegen. Als ob mir das wichtig wäre.
Zu Hause bestellt er chinesisches Essen für uns, während ich es mir auf seinem Ledersofa gemütlich mache und die Pumps ausziehe, dann öffnet er eine Flasche Rotwein. Ich habe noch nie bei ihm übernachtet, und heute ist ganz sicher nicht der richtige Tag für so ein erstes Mal nach der erneuten Aufregung, das spüre ich. Normalerweise wäre mir auch danach, gleich über ihn herzufallen. Vor allem, wenn ich ihn dabei beobachte, wie er souverän sein großes Wohnzimmer durchschreitet und mit einer so natürlichen Lässigkeit und Eleganz die Weinflasche entkorkt, dass jeder Kellner im Ritz neidisch darauf wäre.
»Ich habe im Büro eine Abmahnung bekommen, von Ken. Weil ich private E-Mails geschrieben und Facebook genutzt habe. Ich muss dir wohl nicht sagen, wer dahintersteckt?« Ich nippe an meinem Rotwein, den Braden mir in einem bauchigen Glas gereicht hat, und warte, dass er sich neben mich setzt. Mit Schwung lässt er sich aufs Sofa fallen und legt eine Hand auf mein Knie. Sofort stellen sich meine Körperhärchen auf und ich muss mich bemühen, nicht gleich abgelenkt zu werden.
»Das kann er nicht machen.« Braden knurrt. »Was soll das?«
»Offenbar hat er ein persönliches Problem mit dir. Jedenfalls hat er mir gedroht, mich fertigzumachen, und natürlich wird er dafür sorgen, dass ich keinen Penny von seinem Vermögen bekomme. Deinetwegen. Ich weiß nicht, was zwischen euch passiert ist, Braden, aber ich ... Es macht mir Angst. Jonathan macht mir Angst. Er wirkte so wütend, so rachsüchtig. Ich verstehe das alles nicht.«
»Wenn dir gekündigt wirst, fängst du bei mir an.« Braden sieht mir in die Augen. »Ich habe durchaus Bedarf für eine zweite Anwältin in meiner Kanzlei.«
Ich lache laut auf und stelle mein Glas ab. »Braden! Ich bin keine richtige Anwältin, wie du weißt. Und ich tauge schon gleich gar nicht zur Scheidungsanwältin.«
»Stell dein Licht nicht so unter den Scheffel, Lilly. Ich weiß, dass du gut bist. Dir fehlt nur der Mut und ... bei Gott, ja, ich verstehe es nicht, aber ... wo ist dein Selbstvertrauen hin? Vor fünf Jahren, in der Nacht, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, da hast du so stolz und sicher gewirkt. Ich habe dich angesehen und gedacht: dieses Mädchen wird es einmal weit bringen. Sie hat den Ehrgeiz, den Biss und die Intelligenz. Du bist eloquent und gescheit, es gibt also gar keinen Grund, warum du noch länger in diesem muffigen Büro versauern solltest.«
Ich reiße die Augen auf. »Ich mag meinen Beruf«, verteidige ich mich. »Ich habe meine Ruhe, keinen Stress, kann meine Zeit selbst einteilen ...«?
»Aber du kannst so viel mehr als das. Es ist Verschwendung deiner Fähigkeiten, was du da tust.«
Ich rutsche ein Stück zur Seite, bis seine Hand von meinem Knie rutscht. Fragend sieht er mich an. Oh Himmel, wenn er nur nicht so gut aussehen würde. Wenn er nicht so wunderschöne, braune Augen hätte. Wenn sein Mund nicht so schwungvoll und prall wäre, dass ich ihn küssen will. Dann wäre ich jetzt sicher sauer auf ihn, weil er mit mir redet, als ob ich mein Leben verplempert hätte.
»Wie schon gesagt – ich mag meinen Job und ich möchte ihn behalten. Unbedingt.«
»Du solltest dir eher Gedanken machen, wie wir die Scheidung so schnell wie möglich über die Bühne bringen, ohne dass du leer ausgehst.«
»Braden, das Geld ist mir egal. Ich brauche es nicht. Wenn es ihn glücklich macht, soll er es behalten. Darum geht es gar nicht.«
Braden schweigt. Sein Blick löst ein unangenehmes Ziehen in meinem Bauch aus. Was hatte Jonathan über ihn gesagt? Berechnend? Aber Braden verdient selbst mehr als genug. Es ist doch absurd zu glauben, dass er hinter Jonathans Geld her sein könnte? Wenn ich schon Schwierigkeiten damit hatte, Männerfreundschaften zu verstehen – herzlichen Glückwunsch. Männerfeindschaften sind offenbar erst recht unlösbare Rätsel. Was auch immer in die