Bis hin zum 16. Jahrhundert wurde überwiegend Traubenwein, Met, Obstwein (Most) und Bier getrunken, während der Branntwein noch keine größere Verwendung gefunden hatte. Er diente im 13. und 14. Jahrhundert überwiegend noch als Heil- und Arzneimittel, das in Klöstern hergestellt und an diejenigen Kunden verkauft wurde, die das nötige Kleingeld dafür in der Tasche gehabt hatten. Erst im 15. Jahrhundert setzte langsam der Siegeszug des Branntweins ein, dessen Genuss bedingt durch den höheren Alkoholgehalt zu einer schnelleren Rauschwirkung führte. Der Branntwein war somit aus den Kinderschuhen eines rein medizinischen Arzneimittels herausgewachsen und von da an entstanden auch die ersten gewerblichen Brennereien, die Branntwein aus Getreide herstellten. Trotzdem blieb dieser „Schnaps” ein Genussmittel, das nahezu ausschließlich den oberen Schichten vorbehalten geblieben war. Dieses begann sich ab dem 17. Jahrhundert langsam zu verändern, als auch das niedere Volk in den Genuss von Branntwein kam. Zunächst bei den städtischen Handwerkern, dann auch bei den Seeleuten, Soldaten und denjenigen Menschen, die bei Wind und Wetter im Freien arbeiteten und sich hin und wieder einen Schluck gegen die Kälte gönnten. Da der Branntwein wegen der schwankenden Kornernten noch nicht in großen Mengen hergestellt werden konnte, blieb die Produktion und der Genuss weitestgehend auf den städtischen Raum beschränkt.
Einen weiteren wichtigen Schub zur Verbreitung erhielt der Branntwein durch die Napoleonischen Kriege und der Niederlage der Preußen im Jahre 1806, der den Weg für eine liberal-bürgerliche und kapitalistisch geprägte Gesellschaft freimachte. Ein System, was nach dem Wiener Kongress fortgesetzt wurde und so den Branntwein deutlich billiger werden ließ. Dazu gehörten u. a. die Aufhebung der Monopole zur Branntweinherstellung sowie dessen Verkauf und Ausschank, was die Konkurrenz belebte und dafür sorgte, dass die Preise weiter fielen. Der Alkohol feierte also seinen Siegeszug und als die ersten Europäer in der neuen Welt landeten, zögerten sie nicht allzu lange, selbst mit der Herstellung alkoholischer Getränke zu beginnen, gleichwohl die Puritaner unter ihnen von Zeit zu Zeit versucht hatten, den Einfluss des Alkohols so weit wie möglich einzuschränken, allerdings ohne nennenswerten Erfolg. Bereits 1607 wurde in der Kolonie Jamestown eine erste Schankstätte errichtet und Tausende sollten ihr in den kommenden Jahren und Jahrzehnten nachfolgen.
So verschieden diese sogenannten Saloons oder Tanzhallen auch gewesen waren, so verschieden war auch ihr Angebot gewesen. Vom feinsten, prickelnden, französischen Champagner bis hin zum hochprozentigen „Blindmacher” konnte man alles erhalten, was der Magen auszuhalten imstande gewesen war. Ein Reinheitsgebot für selbstgebrannten Schnaps gab es nicht und die Rezeptur blieb der Fantasie des jeweiligen Brennmeisters überlassen. Da gab es den „Totenerwecker”,„Tarantelsaft”, „Mondschein” oder den „Beinverknoter.” Für den sogenannten „Indian-Whiskey”, der auch tatsächlich an die Indianer verhökert worden war, liest sich das Rezept wie aus dem Zauberbuch eines Hexenmeisters aus dem Mittelalter:
„Nimm ein Fass Missouriwasser und zwei Gallonen Alkohol. Füge zwei Unzen Strychnin hinzu, um sie verrückt zu machen (…) und zwei Tafeln Presstabak, damit ihnen schlecht wird (…) weiterhin fünf Stück Seife, um es zum Schäumen zu bringen und ein halbes Pfund rote Pfefferschoten. Schließlich einige Salbeisträucher und koche das Ganze, bis es braun ist. In ein Fass durchseihen und fertig ist der Indian-Whiskey.”
Kiecksee, Jens: WESTERN SALOONS, S 25
Wie fertig derjenige Indianer war, der dieses Gesöff zu sich nahm, kann man dabei nur unschwer erahnen.
Neben diesen „Höllengetränken” gab es aber auch die feineren Sorten, allen voran der weltberühmte Bourbon-Whiskey aus Kentucky, der 1789 wohl eher durch Zufall entdeckt worden war, als Elijah Craig das Innere von Fässern mit glühenden Kohlen ausflammte, um sie so zu reinigen. Danach ließ er sie wie üblich mit selbstgebrannten Alkohol auffüllen, der dann nach und nach verkonsumiert wurde. Einige Fässer jedoch vergaß er in einer dunklen Ecke seiner Destillerie und fand sie erst vier Jahre später wieder. Der Bourbon war geboren worden, der durch die Holzkohle eine wunderbare rotbraune Farbe angenommen und über einen rauchigen, weichen, körperreichen Geschmack verfügt hatte. Bekannte Sorten wie Old Pepper, Old Gideon, Jim Beam, Jack Daniels, Wild Turkey und Maker´s Mark zählen noch heute zu den berühmten Vertretern dieses alkoholischen Getränkes. Zu diesen Whiskeys kamen noch der mexikanische Tequila und Pulque, französischer Cognac, als auch die schottischen Whiskys und irischen Whiskeysorten hinzu.
Der Favorit unter der nach Alkohol dürstenden Bevölkerung blieb allerdings das Bier. Ob nun aus der Flasche oder frisch vom Fass spielte dabei keine Rolle. Das erste trinkbare Bier wurde 1837 in Kalifornien gebraut und um 1850 herum war es die Brauerei von William Bull, der die durstigen Goldgräber mit dem kühlen Nass versorgte. Es dauerte nicht lange und das Brauwesen befand sich fest in deutscher Hand, was sich auch in dem Konsum des Bieres widerspiegelte. In den 1880er Jahren wurde hauptsächlich in Milwaukee, St. Louis und Cincinnati Bier gebraut, wobei z. B. „Anhäuser & Busch” das Budweiser Pils herstellte.
Allerdings diente der Alkohol nicht nur dazu, sich in der geselligen Atmosphäre eines Saloons oder einer Tanzhalle zu berauschen, sondern auch oft dazu, seine insgeheimen Aggressionen zu verstärken und schließlich auch auszuleben. So wurde aus einem besonnenen, friedliebenden Mann unter Umständen ein revolverschwingender Draufgänger, der Dinge tat, die er im nüchternen Zustand womöglich unterlassen hätte. Viele dieser sogenannten Saloonschießereien fanden unter dem Einfluss „geistiger Getränke” statt und nicht wenige von ihnen endeten tödlich und am Ende gesehen auch völlig sinnlos. Städte wie Dodge City, Tombstone, Abilene, Caldwell, Wichita u. v. a. m. zeugen von derlei Gewaltausbrüchen, die ohne den Genuss von Alkohol womöglich erst gar nicht stattgefunden hätten.
Gegen die Trunksucht
Gegen den hemmungslosen Missbrauch des Alkohols und seiner Folgen begann sich bald der öffentliche Widerstand zu regen und bereits im Jahre 1829 bildete sich die erste Abstinenzbewegung, die sich in den 1830er Jahren über Skandinavien, Schottland und England auch im restlichen Europa ausbreitete; 1877 gründete der Schweizer Louis-Lucien Rochart, ein freikirchlicher Pfarrer, mit 27 weiteren Personen in Genf das Blaue Kreuz.
Die Temperenzler forderten einen totalen Verzicht von Alkohol als Ansatz zur Heilung der Alkoholkranken einerseits sowie als sozialreformerische Maßnahme andererseits, da sie den Alkoholgenuss als Ausdruck von Laster- und mangelnder Tugendhaftigkeit ansahen, der maßgeblich für das Elend der unteren Klassen mit verantwortlich gewesen war. Damit stand die Abstinenzbewegung der Sittlichkeitsbewegung nahe, die ebenfalls eine moralische Gesundung der Gesellschaft anstrebte. Gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gehörte die Abstinenzbewegung zu den wichtigsten sozialen Bewegungen in Europa als auch in den Vereinigten Staaten, wo diese Bewegung mit den Jahren immer effektiver wurde, sodass sie es schaffte, dass in einigen US-Bundesstaaten wie Massachusetts (1838) oder Maine (1846) der Verkauf von Alkohol verboten wurde. Zwischen den 1860er Jahren bis hin zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Temperenzbewegung so zu einer bedeutenden Massenbewegung, wobei die von John Russell angeführte nationale Prohibitionspartei immer populärer wurde, da sie der Meinung gewesen war, dass die Demokraten und Republikaner im Kongress nicht genug getan hätten, um den Genuss von Alkohol zu bekämpfen. Auch die methodistischen Kirchen waren der Auffassung gewesen, dass der Alkoholkonsum und Alkoholhandel zwar einen gewissen wirtschaftlichen Vorteil durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze und damit verbunden, den Steuereinnahmen brachte, dass dieser Vorteil jedoch durch die negativen Begleitfaktoren, wie Mord, dem Glücksspiel, der Prostitution, Kriminalität und der politischen Korruption zur Gänze wieder zunichte gemacht wurde. Weitere Organisationen folgten. So die Heilsarmee (1864), die „American Association of Cure of Inebrity” (1870) oder die „Christian´s Temperance Union” (1873), die zu jener Zeit eine der größten Frauengesellschaften der Welt gewesen war. Die Abstinenzbewegung hatte nun Anhänger in ganz Amerika und konnte in den 1870er und 1880er Jahren des 19. Jahrhunderts auch erste Erfolge erzielen. So wurde 1881 in Kansas ein Gesetz verabschiedet, das den Verkauf von „geistigen Getränken” in dem Staat verbot. Allerdings war es die eine Sache, Gesetze zu verabschieden,