Die Psychologie der Massen. Gustav Le Bon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gustav Le Bon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783752931525
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die am Zahltag riesig groß erscheint und sehr nachdrücklich empfunden wird. Sie wäre nur dann unbemerkt verbraucht worden, wenn sie Pfennig für Pfennig zur Seite gelegt worden wäre; aber ein so wirtschaftliches Gebaren würde ein Maß von Voraussicht beweisen, dessen die Massen unfähig sind.

      Dies Beispiel enthüllt sonnenklar ihre geistige Verfassung. Einem Psychologen wie Napoleon ist sie nicht entgangen, aber die Gesetzgeber, welche die Massenseele nicht beachten, würden sie nicht verstehen. Die Erfahrung hat ihnen noch nicht genügend bewiesen, dass die Menschen sich niemals von den Vorschriften der reinen Vernunft leiten lassen.

      So ließe sich die Massenpsychologie noch auf vieles andere anwenden. Ihre Kenntnis wirft hellstes Licht auf zahlreiche historische und ökonomische Erscheinungen, die ohne sie völlig unverständlich bleiben.

      Selbst wenn es lediglich das Interesse unsrer Neugier befriedigte, verdiente das Studium der Massenpsychologie in Angriff genommen zu werden, denn es ist ebenso interessant, die Triebkräfte der menschlichen Handlungen zu enträtseln, wie die eines Minerals oder einer Pflanze.

      Unser Studium der Massenseele wird nur einen kurzen Überblick, eine bloße Zusammenfassung unsrer Untersuchungen bieten können. Man darf von ihr nicht mehr als einige anregende Gesichtspunkte verlangen. Andere werden das Gebiet besser bearbeiten*). Heute ist es noch jungfräulicher Boden, den wir beackern.

      Die wenigen Autoren, die sich mit dem Studium der Psychologie der Massen abgegeben, haben ihre Untersuchungen nur hinsichtlich der Verbrechen angestellt. Da ich diesem Stoffgebiet nur ein kurzes Kapitel gewidmet habe, so verweise ich den Leser auf die Arbeiten von Tarde und die Schrift von Sighele: "Die verbrecherische Masse". Die letztere Arbeit enthält keinen einzigen neuen Gedanken des Autors, gibt aber eine Zusammenstellung von Tatsachen, die der Psychologe verwerten kann. Übrigens sind meine Schlussfolgerungen betreffs der Kriminalität und Moralität der Massen denen der beiden Autoren, die ich nannte, ganz entgegengesetzt.

      Man wird in meinen verschiedenen Arbeiten, besonders in meiner Schrift "Die Psychologie des Sozialismus" einige Ergebnisse aus den Gesetzen finden, welche die Massenpsychologie beherrschen. Diese Gesetze lassen sich außerdem auf den verschiedensten Gebieten anwenden. Der Direktor des Königl. Konservatoriums in Brüssel, A. Gevaert, hat von den Gesetzen, die ich in einer Abhandlung über Musik darlegte, welche er treffend als "Massenkunst" bezeichnete, eine bemerkenswerte Anwendung gemacht. "Ihre beiden Schriften", schrieb mir dieser ausgezeichnete Lehrer bei Übersendung seiner Abhandlung, "haben mir die Lösung eines von mir früher als unlöslich betrachteten Problems gebracht: die erstaunliche Eignung jeder Masse, ein neues oder altes, ein einheimisches oder fremdes, ein einfaches oder zusammengesetztes Tonstück zu empfinden, vorausgesetzt, dass es schön gespielt wird, und dass die Musiker einen begeisterten Dirigenten haben." Herr Gevaert zeigt vortrefflich, warum "ein Werk, welches ausgezeichneten Musikern bei Durchsicht der Partitur in der Einsamkeit ihres Zimmers unverständlich blieb, oft von einem jeder technischen Bildung ermangelnden Auditorium ohne weiteres erfasst wird". Ebenso ausgezeichnet erklärt er, weshalb diese ästhetischen Eindrücke keinerlei Spuren hinterlassen.

      Die Massenseele

       Allgemeine Kennzeichen der Massen — Das psychologische Gesetz von ihrer seelischen Einheit

      Was kennzeichnet eine Masse vom psychologischen Gesichtspunkt — Eine zahlenmäßige Menge von Einzelnen bildet noch keine Masse — Besondere Eigentümlichkeiten der psychologischen Massen — Unveränderliche Richtung der Gedanken und Gefühle der einzelnen, die sie bilden, und Auslöschung ihrer Persönlichkeit — Die Masse wird stets vom Unbewussten beherrscht — Zurücktreten des Gehirnlebens und Vorherrschen des Rückenmarklebens — Verminderung des Verstandes und völlige Umwandlung der Gefühle — Die veränderten Gefühle können besser oder schlechter sein als die der einzelnen, aus denen die Menge besteht — Die Masse wird ebensoleicht heldenhaft wie verbrecherisch

       Gefühle und Sittlichkeit der Massen

      § 1. Triebhaftigkeit, Beweglichkeit und Erregbarkeit der Massen — Die Masse ist der Spielball aller äußeren Reize, deren unaufhörliche Schwankungen sie widerspiegelt — Die Antriebe, denen sie gehorchen, sind so gebieterisch, dass der persönliche Vorteil zurücktritt — Bei den Massen ist nichts vorbedacht — Wirkungskraft der Rasse

      § 2. Beeinflussbarkeit und Leichtgläubigkeit der Massen — Ihre Empfänglichkeit für Beeinflussungen — Die in ihrem Gemüt hervorgerufenen Bilder werden für Wirklichkeit gehalten — Warum diese Bilder für alle einzelnen, aus denen eine Masse besteht, gleichartig sind — Angleichung der Gelehrten und des Einfältigen in einer Masse — Verschiedene Beispiele von Täuschungen, denen alle Mitglieder in einer Masse unterliegen — Unmöglichkeit, der Zeugenschaft der Massen irgendwelchen Glauben beizumessen — Die Einmütigkeit zahlreicher Zeugen ist einer der schlechtesten Beweise, den man zur Erhärtung einer Tatsache beibringen kann — Geringer Wert der Geschichtswerke

      § 3. Überschwang und Einseitigkeit der Massengefühle — Die Massen kennen weder Zweifel noch Ungewissheit und ergehen sich stets in Übertreibungen — Ihre Gefühle sind stets überschwänglich

      § 4. Unduldsamkeit, Herrschsucht und Konservatismus der Massen — Ursachen dieser Gefühle — Unterwürfigkeit der Massen vor einer starken Macht — Die augenblicklichen revolutionären Triebe der Massen hindern sie nicht, höchst rückständig zu sein — Sie sind instinktiv Feinde von Veränderung und Fortschritt

      § 5. Sittlichkeit der Massen — Die Sittlichkeit der Massen kann je nach den Einflüssen viel niedriger oder viel höher sein als die der einzelnen, die sie bilden — Erklärung und Beispiele — Die Massen werden selten durch den Eigennutz geleitet, der meist den einzigen Antrieb für den einzelnen bildet — Versittlichende Wirkung der Massen

       Kapitel: Ideen, Urteile und Einbildungskraft der Massen

      § 1. Die Ideen der Massen — Grundlegende und nebensächliche Ideen — Wie entgegengesetzte Vorstellungen gleichzeitig bestehen können — Wandlungen, die die höheren Ideen durchmachen müssen, um für die Massen annehmbar zu werden — Die soziale Bedeutung der Vorstellungen ist unabhängig von dem Wahrheitsgehalt, den sie in sich tragen können.

      § 2. Die Urteile der Massen — Die Massen sind nicht durch Beweisgründe zu beeinflussen — Die Urteile der Massen sind stets sehr niedriger Art — Die Vorstellungen, die sie assoziieren, haben nur den Schein von Analogie und Folgerichtigkeit

      § 3. Die Einbildungskraft der Massen — Macht der Massenphantasie — Sie denken in Bildern, die ohne jegliche Verbindung aufeinander folgen — Die Massen nimmt besonders die wunderbare Seit der Dinge gefangen — Das Wunderbare und das Sagenhafte sind die wahren Träger der Kulturen — Die Volksphantasie war stets der Stützpunkt der Macht aller Staatsmänner — Auf welche Weise die Tatsachen auf die Einbildungskraft der Massen Eindruck machen können

       Die religiösen Formen, die alle Überzeugungen der Masse annehmen

      Wodurch das religiöse Gefühl gebildet wird — Es ist unabhängig von der Anbetung einer Gottheit — Seine Merkmale — Macht der Überzeugungen, die religiöse Formen angenommen haben — Verschiedene Beispiele — Die Volksgötter sind nie ganz verschwunden — Neue Formen ihrer Wiedergeburt — Religiöse Formen des Atheismus — Bedeutung dieser Begriffe in historischer Hinsicht — Die Reformation, die Bartholomäus Nacht, die Schreckenstage und alle ähnlichen Ereignisse sind die Folgen der religiösen Gefühle der Massen und nicht des Willens einzelner Persönlichkeiten

       Allgemeine Kennzeichen der Massen.

       Das psychologische Gesetz von ihrer seelischen Einheit

      Was kennzeichnet eine Masse vom psychologischen Gesichtspunkt — Eine zahlenmäßige Menge von Einzelnen bildet noch keine Masse — Besondere Eigentümlichkeiten der psychologischen Massen — Unveränderliche Richtung der Gedanken