Durchgeknallte Weihnachten. Katie Volckx. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katie Volckx
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737566186
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      Samstag, 13. Dezember

      »Hände hoch!«, hörte ich eine tiefe, bedrohliche Stimme hinter mir brummen, daraufhin das Ratschen einer Schusswaffe und ein schweres, ungeduldiges Ein- und Ausatmen.

      Hatte ich das jetzt richtig verstanden? Hände hoch? Vor Schreck riss ich meine Augen auf und erstarrte stehenden Fußes. Ich wagte nicht, mich umzudrehen und hoffte inständig, dass das nur ein geschmackloser (sehr geschmackloser) Scherz oder ein grauenhafter (sehr grauenhafter) Traum war.

      »Hände hoch, hab ich gesagt!«, wiederholte der Mann schon wesentlich aggressiver, weil ich mich aus seiner Warte scheinbar weigerte.

      Ich tat, was er sagte, sofern ich dazu noch in der Lage war. Denn mein ganzer Körper war inzwischen derart verkrampft, dass meine Motorik nicht mehr die beste war. Mein Atem stand still.

      »Das Messer weg!«

      Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich es noch in der Hand hielt. Ich ließ es einfach auf die Küchenablage fallen. Es klirrte und vibrierte noch eine kleine Weile auf der gefliesten Oberfläche, ehe es endlich Ruhe gab. Gleichzeitig spürte ich eine leichte Wut aufkommen, denn er hatte das auf eine Weise gesagt, als ob ich hier die Kriminelle wäre. Was konnte ich denn bitte schön dafür, dass er mich ausgerechnet bei der Zubereitung meines Salates zum Abendbrot erwischt hatte?

      »Nicht umdrehen, verstanden?«

      Ich nickte nur wild wie eine Henne. Es kam mir nämlich ganz recht, keine Zeugin seiner äußeren Erscheinung zu werden und somit als potenzielle Leiche zu fungieren, auch wenn sich seine Gestalt in interessanten Grundzügen auf der Glasfläche des Küchenfensters, das direkt vor mir lag, widerspiegelte. Aber ich tat so, als könnte ich diese nicht wahrnehmen.

      »Geh zur Abstellkammer!«

      Ich hörte ihn sich mir nähern. Dann presste er den harten Lauf der Waffe zwischen meine Schulterblätter und stupste mich dort hin. Ich hätte auch ganz von allein dort hingefunden, aber anscheinend hielt er sich für den einzig Schlauen in diesem Raum. Na schön, oder es ging ihm einfach nicht schnell genug.

      Er befahl mir, die Tür zur Abstellkammer zu öffnen. Dann stieß er mich hinein, weshalb ich mit dem Fuß an der Türschwelle hängenblieb und gegen einen Vorratsschrank knallte. Es schepperte und wackelte einmal kräftig. Dann hörte ich den Eindringling die Tür hinter mir zuschlagen und wie er einen großen Gegenstand über den leicht verschlissenen Fliesenboden schob, um die Tür zu verbarrikadieren, da die Tür keine montierte Schließeinrichtung hatte, um sie zu verriegeln. Es musste die schwere, massive Uralt-Kommode meiner Oma gewesen sein.

      Ich fasste mir an den Mund, um zu prüfen, wie viel Blut ich verlor, da ich mir bei meinem Sturz auf die Lippe gebissen hatte. Doch der Schmerz war wohl größer als der Schaden.

      Für einen Gauner, der einem das Gut und Haben unter dem Hintern wegstehlen wollte, verhielt er sich verdächtig still. Ich lauschte nach Geräuschen, um zu ermitteln, in welchem Winkel des Hauses er sich gerade aufhielt und auf welche Gegenstände er es abgesehen hatte. Außerdem musste ich ja wissen, wann er endlich fortging, damit ich mich irgendwie aus der Kammer herauskämpfen konnte, um dann die Polizei zu rufen. Vorausgesetzt, ich würde das ganze Spektakel überleben. Was wusste ich denn schon, wozu er kurzerhand imstande war? In diesem Verbrecherhirn steckte ich ja nicht drin, wenngleich mir diese kriminelle Handlungsweise allgemein vertraut sein sollte. Und doch saß mir die Angst in den Knochen und schüttelte mich leicht, doch beständig durch.

      Inzwischen war ich schätzungsweise eine Stunde in dieser Kammer gefangen, hatte mich auf dem Boden niedergelassen, die Beine angewinkelt und den Kopf in die Armbeugen gelegt. Es war ja nicht so, dass ich nicht versucht hätte, hier irgendwie herauszukommen, nachdem der Einbrecher die Haustür ins Schloss geschlagen und sich auf und davon gemacht hatte, aber ich hatte es nicht zustande gebracht. Nicht nur, weil ich zu kraftlos war, auch wagte ich mich einfach nicht vom Fleck. Irgendwie fühlte ich mich in dieser Kammer sicher und wäre sogar bereit gewesen, die gesamte Nacht hier zu verbringen, wenn es hätte sein müssen.

      Aber das musste nicht sein!

      »Schatz, ich bin wieder zu Hause«, hörte ich Matz, den Nichtsnutz, nämlich endlich rufen. Er knallte die Haustür auf eine Weise zu, dass es mich wütend machte.

      Er war so unglaublich rücksichtslos. Und narzisstisch. Sobald er einen Raum betrat, musste er immer sichergehen, dass alle sich darin befindlichen Menschen nach ihm umdrehten und ihn zum Mittelpunkt der Welt machten. Nein, es war nicht nur die Aufmerksamkeit, die er genoss, er wollte förmlich bewundert werden. Wofür? Für alles, was er tat, wenn er denn mal etwas tat! Dafür, dass er den Einkauf erledigte, dafür, dass er den Müll herausbrachte, dafür, dass er beim Essen nicht schmatzte, dafür, dass er immerhin noch am Vormittag aus dem Bett fand oder einfach nur dafür, dass er eigenständig atmete.

      »Schatz? Wo bist du denn?« Ich hörte ihn das Erdgeschoss ablaufen. »Leonie?«

      Ich atmete tief durch. Ich weiß, in meiner Situation hätte jeder andere bereits um Hilfe gerufen, bevor jemand das Haus betrat, doch bei Matz war ich auch nicht gerade in besseren Händen.

      »Hiiier«, rief ich mehr schlecht als recht.

      »Leonie?« Ich konnte seiner Sprechweise entnehmen, dass er sich nicht sicher war, ob er richtig gehört hatte.

      »Ich bin hiii-hiiier!« Jetzt klang ich nicht nur lustlos, sondern noch dazu genervt.

      »Wo ist hier?«

      Konnte er nicht einfach meiner Stimme folgen? »In der Vorratskammer, Mann!«

      »Bitte wo?« Er traute seinen Ohren nicht.

      »In der Scheißkammer!«

      Dann kam er endlich in die Küche. Stille!

      »Hallo?«, rief ich durch die Tür. »Bist du kollabiert, oder was?«

      Eilende Schritte. »Nein ...« Er machte die Kammertür frei. Dabei stöhnte und keuchte er, als wäre der Schrank aus Beton. »Was machst du denn da drin?«

      Sobald die Tür aufging, drängte ich mich an ihm vorbei und blieb inmitten der Küche stehen, um den Duft von Freiheit zu inhalieren. Mit der einen Hand stützte ich mich auf dem großen Küchenblock ab, der in der Mitte des Raumes stand, und die andere stemmte ich in die Taille.

      »Testen, ob ich an Klaustrophobie leide«, antwortete ich ironisch, während ich ihn völlig verstört von oben bis unten begutachtete. »Was zum Teufel hast du gemacht? Warum bist du so ... bunt?«

      »Ach«, winkte er ab, als wäre das nicht der Rede wert, »ich war mit den Jungs nur ein bisschen Paintball spielen.«

      Was sonst? Der dreiunddreißigjährige Matz war also spielen gewesen, während ich, seine geliebte Freundin, mit einer Waffe bedroht und ausgeraubt worden war.

      »Solltest du deinem Vater nicht beim Schmücken des Hauses helfen?« Rainer und Margret, Matz' Eltern, liebten es kitschig. Nicht nur im Innenbereich, auch im Garten und sogar auf dem Haus musste es zu Weihnachten wild blinken und leuchten. Davon, dass es sich beinahe nicht mehr lohnte, wollten sie nichts wissen, denn nichts und niemand sollte darunter leiden, dass die dreimonatige Weltreise, von denen sie ihr Leben lang geträumt hatten, erst vor drei Tagen geendet war.

      »Na ja, Papi hat mich ...« Matz runzelte die Stirn. »Egal! Sag mir lieber, was zur Hölle hier los war!« Er zeigte auf den Schrank, den er eben noch mit stählernen Muskeln fortschieben musste, um seine Prinzessin zu retten.

      Ich wandte mich von ihm ab. »Ich wurde überfallen.« Mit schnellen Schritten ging ich ins Wohnzimmer, um das Telefon zu nehmen und die 110 zu wählen. Mir fiel nämlich gerade wieder ein, dass ich den Überfall endlich melden sollte.

      »Du wurdest was?«

      »Hörst du heute schlecht?«

      »Leonie, das ist nicht witzig!« Er eilte an meine Seite, um mich zu drücken, was er genauso gut hätte bleibenlassen können, so schlaff, wie er an mir hing. Man könnte meinen, er wollte sich auf mir abstützen, völlig geschafft vom Kriegspielen. »Sag mir, dass das nicht